Um viertel vor zehn Uhr kommt der Flying Dolphin von Piräus und Aegina, und da steht dann auch immer der Bus bereit. Wir hatten ein wunderschönes Frühstück auf dem Balkon (nachdem uns die psychoanalytischen Nachbarn zeitig mit ihren Strandplanschereien aus dem Bett geholt haben) und haben die Wanderschuhe geschnürt. Weil für den späten Nachmittag Regen prognostiziert ist, sind auch die Schirme im Rucksack. Der Himmel ist bewölkt.
Viele Leute warten am Hafen, der Dolphin hat Verspätung, der Busfahrer schläft. Wecken will ich ihn nicht, wir haben es ja nicht eilig. Als er schließlich aufwacht frage ich ihn ob der Bus nach Limenaria fahren würde. Nein, nur bis Skala, erst im Juli auch ins Inselinnere.
Da bleibt uns nur ein Taxi. Aber vorher nehmen? Kaum gedacht hält ein Taxi hinter dem Bus. Der Fahrer bringt seine Mutter zur Fähre. Ich frage ihn ob er nachher frei ist, und was es nach Limenaria oder ganz ans Ende der Insel nach Aponissos kostet. Bis Aponissos vierzehn Euro. Das ist in Ordnung, wir stimmen zu.
Die Mutter wird an die frische Luft gesetzt und verabschiedet (es hilft nichts als wir sagen, wir hätten es nicht eilig), und los geht die Fahrt am nördlichen Rand von Megalochori entlang in den Wald.
Der nette Fahrer erzählt uns einiges über das Inselleben, und erklärt die umliegenden Landsilhouetten. Einen (kostenlosen) Abstecher zum Strand von Dragonera legt er auch noch ein – sieht schön aus und es ist niemand dort, aber mit dem verhangenen Himmel lockt er nicht zum Baden.
Nach viertelstündiger Fahrt sind wir dann am Ziel, an der kleinen Marina von Aponissos, die sich zwischen Agistri und dem vorgelagerten Inselchen Aponissos befindet. In der Taverne dort wird gewerkelt für die Saison, aber sie ist nicht geöffnet. In der Marina ist niemand. Ein Weg auf einem schmalen Damm mit einer verschlossenen Pforte führt entlang der Marina hinüber nach Aponissos.
Da machen wir uns eben in der anderen Richtung auf den Weg, auf der Straße zurück wo wir hergekommen sind. Links der Straße hat es einen gar nicht so kleinen flachen See (oder Tümpel?). Und genau jetzt fängt es an zu regnen. Nicht so sehr, dass sich der Schirm lohnen würde. Nur wenn es mehr wird. Wird es nicht.
Ein Radfahrer kommt uns entgegen, wenig später überholt er uns. Ein Tourist. Im Megalochori kann man Fahrräder leihen, die Insel ist ja nicht so steil und groß. Wobei: jetzt geht es bergauf, und der Tourist steigt ab und schiebt.
Die Bäume am Wegrand sind Olivenbäume, sie gehören zu Limenária, dass neben der Landwirtschaft auch immer von der Seefahrt gelebt hat. Obwohl es nicht an der Küste liegt.
Wir biegen nach links ab, wo sich etwas abseits eine malerische Kapelle befindet. Agios Nikolaos geweiht – eine Knotenschnur (mit sogenannten „Affenfäusten“) an der Glocke gibt den seemännischen Beweis. Ein Friedhof dahinter, der von Limenaria?
Die Kapelle ist abgeschlossen, aber der Schlüssel steckt. Zeit, mal wieder eine Kerze zu entzünden.
Draußen lässt der Regen nach, und wir wandern weiter auf der Straße.
Eine Viertelstunde später gelangen wir an den Ortsrand vom Limenaria, das in einer Hochebene liegt. Der ehemalige Hauptort hat heute noch 128 Einwohner (ganz Agistri 1.142 laut Census 2011), Unterkünfte gibt es keine, aber eine Taverne („Tasos“), und die hat auch geöffnet. Wir brauchen nichts, wollen aber trotzdem rein. Vielmehr auf die überdachte Terrasse. Drei ältere Herren sitzen an einem Tisch und tuscheln über uns. Bestimmt haben sie uns gleich als Deutsche erkannt (unsere Wanderkluft verrät uns). Wir bestellen zwei süße griechische Kaffee (zu einem Euro das Stück) und genießen die unverfälschte und entspannte Atmosphäre.
Da hält ein Auto, und eine britische Familie samt polnischer Austauschschülerin setzt sich an den Nachbartisch. Sie sind hier bekannt, werden freundlich begrüßt. Und sie haben eine Landkarte von Agistri. Da krieg ich Stielaugen, denn eigentlich möchte ich nicht unbedingt auf der Straße weitergehen wenn es Alternativen gibt. So stehe ich auf und erkundige mich freundlich nach der Karte und möglichen Wanderwegen. Über das Inselinnere und den 294 Meter hohen Panikotisa nach Mylos, ja das sei kein Problem, man dürfe aber nicht falsch abzweigen, da wären auch Sackgassen. Die Landkarte (mit Werbung für Läden, Hotels und Mopedverleiher) gäbe es hier auf der Insel, sie wäre nicht neu, aber brauchbar. Und da bringt der Sohn des Wirtes uns schon zwei der Karten. Eine reicht uns, und wir bedanken uns sehr.
Bummeln dann noch etwas durch das Dorf – es ist nett und wirkt gepflegt. Ohne so hässliche Betonbauten wie an der Nordküste. Und jenseits des Pelagos‘ ragen die Zacken der Vulkane von Methana empor, ganz nah und abweisend.
Beim Weitergehen tauchen wir ein in dichten Kiefernwald. Aus den Aleppo-Kiefern wurde lange das Harz für den (nicht nur) in Attika so beliebten Retsina gewonnen. Heute wird auf der Insel aber kaum mehr produziert – man zapft lieber Touristen an.
Im Inselinneren hat es dann Felder und Weinberge, in denen gerade gearbeitet wird. Das wild wuchernde Getreide erntet aber wohl niemand mehr. Wieder steht eine Kapelle am Wegrand mit floralem Muster auf dem Boden davor, Agia Varvara. Auch sie ist offen und sehr gepflegt, und als wir für eine Rast draußen auf den Stufen sitzen, kommt ein älteres Ehepaar um Kerzen anzuzünden und nach der Öllampe zu sehen.
Etwa hundert Meter nördlich der Kapelle zweigt dann unser nun geplanter Wanderweg von der Straße in den Wald ab. Das heißt: es ist mehr als ein schmaler Weg, es ist eine feldwegähnliche Forststraße, problemlos zu finden und zu gehen. Sie windet sich in einigen Kurven aufwärts. Wir sind froh, dass die Sonne von den Wolken verdeckt ist, aber es ist etwas schwül durch den vorherigen Regen.
Einmal kommen uns doch glatt zwei Wanderer entgegen, eine seltene Begegnung auf den Argosaronischen Inseln. Man grüßt sich. Und wir treffen uns später im Ort wieder. In der Nähe des höchsten Gipfels von Agistri zweigen wir vom bestehenden Weg nach Norden ab (erst die zweite Abzweigung!). Sonst kämen wir über Skala, was wir nicht wollen.
Gelegentlich haben wir freie Aussicht auf die Orte der Nordküste, nach Skala und später nach Megalochori. Meist versperrt aber der Wald die Sicht. Wenn es hier brennen würde…. hoffen wir, dass in dem großen grünen Stahltank auch Wasser ist!
Irgendwie verpassen wir die Kapelle Agii Theodori – sie ist auf der Karte oberhalb des Weges eingezeichnet, befindet sich aber tatsächlich ein gutes Stück unterhalb. Da wir das zu spät merken – erst an der nächsten Kapelle Agii Pantes – wollen wir auch nicht mehr zurückgehen und die Abzweigung suchen. Vielleicht komme ich alleine nochmals her (nein, werde ich nicht).
Natürlich besuchen wir auch diese Kapelle – schön, dass hier alle geöffnet sind! Sie ist neu und groß, und hat eine schöne Holzdecke. Vor der Kapelle sieht man auf das nahe Megalochori, das von hier oben mit seinen roten Ziegeldächern einen überraschend geschlossenen Eindruck macht.
Vorbei an der Feuerwache – ein Feuerwehrauto steht dort – geht es in den Ort hinein. Es ist kurz vor halb drei, und wir sind hungrig. An der Straße hat eine Taverne geöffnet, wir bestellen griechischen Salat und Tsatsiki. Zweiteres kommt aus der Fertigpackung, ist nicht mehr sehr frisch und schmeckt schlecht. Wir lassen es stehen und streichen die Taverne für mögliche Wiederbesuche.
Später am Nachmittag gehe ich wieder zum Baden, der Regen hat sich für heute verzogen. Aegina zeichnet sich heute dunstfrei und damit viel näher ab als gestern. Der großen Nachbarinsel wollen wir morgen einen Besuch abstatten.
Es hat ordentlich abgekühlt, zum ersten Mal in diesem Urlaub brauchen wir beim draußen Sitzen eine Jacke. Haben wir die schon nicht umsonst mitgenommen. :-)
Die Zahl der geöffneten Tavernen in Megalochori/Myos ist überschaubar, das Angebot in Skala wesentlich größer. Aber das ist uns jetzt zu weit, und außerdem hat uns der Ort ja nicht gefallen. So wählen wir heute Abend die Taverne des Hotels Theris für das Abendessen aus. Die müssen wir im Zweifelsfall mit den Psychoanalytikern teilen, aber die sind vorher ortseinwärts gezogen (28 Personen habe ich gezählt, da wird das eine Hotel nicht ausreichen die alle zu beherbergen).
Wir sind noch die einzigen Gäste, aber es wird schon eine lange Tafel bereitet, nicht ganz diskussionsfrei, der „Mikros“ wird losgeschickt (mit dem Moped) noch etwas einzukaufen. Auf dem Tagesmenu stehen Schweinebraten mit Reis, oder Souvlaki, wir bestellen von beidem. Das Essen ist geschmacklich und preislich akzeptabel ohne ein großes Highlight zu sein. Und als sich dann die deutsche Gruppe hinter uns breit und laut macht (und die Steckmücken) verabschieden wir uns.
Morgen ist ja auch noch ein Tag. Wir wollen nach Aegina.