Stadt- und Klosterbummel

Theos Fähre fährt erst um 14 Uhr, allerdings ist er durch einen Fußdefekt nach dem gestrigen Übersehen einer Stufe im nächtlichen Innenhof unserer Unterkunft und einem Beinahesturz nicht besonders gut gehfähig. Für morgen sind die Wetterprognosen aber (mal wieder) schlecht, und so nutze ich den Vormittag für einen Solo-Spaziergang zum Kloster Agii Pantes südöstlich von Spetses-Stadt.

Die Sonne macht sich heute rar, der Himmel ist grau, aber es regnet nicht, und kalt ist es auch nicht. Ich verlasse Spetses-Stadt nach Süden und sehe das große Klostergebäude am Ende einer Allee links auf einem Hügel liegen. Bauarbeiten sind dort im Gange, aber die Klostertüre ist geschlossen. Ein Schild mit den Öffnungszeiten animiert zum Klingeln wenn man das Kloster besuchen will. Will ich das Kloster besuchen? Meine letzten griechischen Klosterbesuche waren zwiespältig - auf Amorgos ist man auf ausländische Touristen eingestellt und entsprechend offen und freundlich, auf Inousses und Hydra war man es eher nicht und wir hatten das Gefühl zu stören. Zumal wir keinen religiösen Hintergrund für einen Besuch hatten, sondern schlicht Neugier.

Ich weiß aber nicht einmal ob das Kloster von Mönchen oder Nonnen bewohnt wird, und so ziehe ich schließlich nicht den Klingelstrang. Sehe mir stattdessen den benachbarten Friedhof an. Der ist recht groß und gepflegt, und am Eingang steht ein marmornes Grabmausoleum für die Familie Giorgos M. Bouboulis – ist das die Familie von Bouboulina?


Mein Blick fällt dann auf eine Kirche, die einen knappen Kilometer von hier entfernt auf einem Hügel liegt. Das ist nicht weit, und von dort hat man bestimmt einen schönen Blick auf Spetses-Stadt. Zeit habe ich auch noch genug, es ist erst kurz nach elf.

Und so marschiere ich die Straße bergan nach Süden, vorbei an einem besonderen Ikonostasi und an birkenfeigenähnlichen Bäumen mit Schotenfrüchten – es muss sich Brachychiton-Bäume handeln: Ich nehme eine der harten aufgeplatzten Schoten mit, die rötlich-gelben Kerne darin sehen wie Maden aus. Hinter dem Kloster Agii Pantes zeichnet sich die Silhouette der kleinen, doppelgipfligen, aber unbewohnte Insel Trikeri ab. Dokos und Hydra dahinter verschwinden im Wolkendunst.

 

Nach zwanzig Minuten und zwei steilen Serpentinen, die sich durch Wald und Ginster ziehen, stehe ich vor einem offenen Portal und einer sehr gepflegten und überraschend großen Klosterananlage.

Dass das Kloster – es heißt Moni Panagias Gorgoepikoos (die schnell (zu) hörende Maria) - bewirtschaftet ist, merke ich als ich kurz darauf eine Nonne treffe, die freundlich grüßt. Ein kurzer Smalltalk – woher, wohin, dann verschwindet sie in der Kirche, schließt die Türe aber hinter sich. Dass ich nicht orthodox bin hatten wir in dem Gespräch geklärt, insofern habe ich wohl kein Recht, in die Kirche zu gehen. Was mich darin bestätigt, dass es richtig war, beim unteren Kloster nicht zu klingeln, und mich auch gar nicht stört, denn ich möchte ja vor allem die Aussicht genießen.

Eine zweite Nonne verschwindet ebenfalls schnell als ich sie am Fenster sehe. Das Wohngebäude ist groß, und auch die Gärten und Felder sehen gepflegt aus.

ischende Möwen kreisen am Himmel – die Müllkippe befindet sich nicht weit entfernt hinter dem Hügel. Im Süden sehe ich Spetsopoula liegen, im Norden das Kloster Agii Pantes und Spetses-Stadt. Schade, dass der Himmel heute so grau ist.

 

Ich wandere wieder bergab, biege am Ortseingang nach links ab und verliere mich schnell in den unzähligen Gassen – keine Ahnung wo ich bin. Und als ich glaube, dass ich schon in Kastelli bin, komme ich nach der nächsten Abzweigung doch nur am weiter östlichen gelegenen Agios Mamas-Strand heraus.

Schnell zurück ins Quartier, nicht ohne vorher in dem kleinen Laden für religiösen Bedarf gegenüber des Bäckers noch drei tamata zu erstehen – zwei Ohren hatte sich meine Griechischlehrerin gewünscht (nein, nicht für ihre unaufmerksamen Schüler – wir sind immer ganz Ohr), und einen Fuß fürs Theo lädiertes Gehwerkzeug (vernünftige mati gegen den bösen Blick waren hier auf die Schnelle nicht zu bekommen). Theo hat sein Zimmer schon geräumt, ich treffe ihn im Kafenion-Kafenio am Dapia-Hafen. Bis zur Abfahrt ist noch etwas Zeit für eine Kleinigkeit zu essen und ein Glas Wein.

 

Die Flyingcat kommt dann pünktlich, und Theo entschwindet mit einem Dutzend weiterer Passagiere über die angelegte Brücke im Fähreninnern. So schnell wie die Fähre angelegt hat, legt sie auch wieder ab. Gute Fahrt Theo, und keine Wellen!

Zum ersten Mal hab ich Theo an der Fähre verabschiedet – es ist entschieden besser, selbst abzureisen als zurückzubleiben. Ich fühle mich einsam, und der wolkig-melancholische Himmel unterstützt mein Verlassenheitsgefühl noch. So schieße ich ratlos ein paar Panoramafotos vom Fähranleger und der „Katerina Star“ ehe ich entlang der Paralia nach Westen bummle, ziellos.

Wo ist denn eigentlich der in zahlreichen Bewertungen geschmähte Yachting Club Inn? Ich finde ihn nicht, aber die Hinterhofatmosphäre hier ist auch kein Stimmungsaufheller.

Schließlich kehre ich auf einen Nescafé ins Café Destino ein. Am Nachbartisch sitzt die jüngere und reifere Weiblichkeit der Insel, und die Musik plätschert international vor sich hin. Auch das ist Spetses im Winter.

 

Ab Abend bin ich dann wieder im Argyris, solo wie am ersten Abend. Und ich bin zunächst der einzige Gast. Nun wissend was auf mich zukommt, bestelle ich das Tagesessen, die Hühnersuppe, und bekomme die Brühe und das gekochte Hühnerbein samt Gemüse und Kartoffeln miteinander serviert. Schmeckt sehr gut wenn man hungrig genug ist, und tröstet auch etwas. Ob Theo in Piräus heute Abend das Rakadiko aufsucht?

 

*
 

Die Wettervorhersage ist am Freitagmorgen mal wieder komplett daneben gelegen – die Sonne lacht vom wolkenlosen Himmel über die Regenprognose. Na, lieber so als andersrum!

Ich packe und bezahle das Zimmer bei Stella, und dann hab ich noch den strahlenden Vormittag zur Verfügung, denn die Flyingcat fährt ja erst um kurz vor 14 Uhr nach Piräus.

 

Ich bummel zum Dapia-Hafen und am Fischmarkt vorbei Richtung Agios Mamas. Ich glaube, ich bin jetzt die einzige Touristin auf der Insel.

Ans Ufer bei Agios Mamas schlagen heftige Wellen, Kies wurde von der Brandung vom Strand auf die erhöht liegende Uferstraße geworfen. Komisch, so starke Wellen ohne Wind. Die Peloponnes mit einem wolkenbekränzen Berg ist heute ganz nah.

Die hellblauen Stühle der zweiten Taverne am alten Hafen stehen einladend bereit, aber es fehlt noch überall die Sitzfläche. Aber es werden offensichtlich zahlreiche Gäste erwartet. Rüstet sich Spetses zum Wahlwochenende? Zeit, nach Athen zu kommen…

 

Immer noch rege Aktivität an den Booten in den Werften am östlichen alten Hafen. Schnuckelig die geparkten Dreiräder vor den Kaikia. Die griechische Flagge und die von Spetses wehen über zwei Kanonen, dazwischen preist ein Schild einen Tankservice für Boote an. Und die vier Wasserschiffe liegen unverändert Seite an Seite. Alles überstrahlt von einem wunderbaren blauen Himmel.

Auf dem Rückweg komme ich wieder an der Kirche Agios Nikolaos vorbei und finde die Pforte geöffnet. Ich trete ein in den gepflegten Innenhof und die geöffnete Kirche. Die ist komplett ausgemalt, die Fresken sehen aber nicht so alt aus. Kann aber auch täuschen. In einem Kämmerchen sitzt jemand, hat mich aber wohl nicht wahrgenommen. Es scheint doch kein Kloster zu sein, denn derjenige trägt kein Habit.

Aber die ruhige Atmosphäre hier gefällt mir. Schön, dass doch noch offen war, und natürlich zünde ich noch zwei Kerzen an.

mich von Stella, setzte mich ins Kafenio am Taxiboothafen und bestelle ein Omelette (wenn ich mich auf der Fähre übergeben muss, ist es sicher besser, auch etwas im Magen zu haben. Angesichts der Wellen habe ich vorsorglich eine Tablette gegen Reiseübelkeit genommen). Im Kafenion ist heute aufgekratzte Stimmung, am Nachbartisch werden die Parteien der bevorstehenden Wahl  diskutiert, in entspannt-freundschaftlichen, fast schon mitleidigem Ton. Und zu allem Überfluss erscheinen eine Mann und eine Frau von der kommunistischen KKE und verteilen Informationsmaterial. Sie werden mit spöttischen Zurufen empfangen, lassen sich aber nicht abbringen. Ich staune mal wieder über die Breite der griechischen Parteienlandschaft und den Umgang mit Extremen. Eigentlich fehlt nur noch die Chrissi Avgi…. (nein, sie fehlt mir überhaupt nicht!)

Pünktlich erscheint die Flyingcat auf der Bildfläche, sie schaukelt stark beim Beidrehen. Das kann ja heiter werden mit der Überfahrt, schnell hole ich noch einen Reisekaugummi aus der Tasche – auch wenn man ein taubes Mundgefühl davon bekommt. Ein Sea-Taxi flitzt vorbei, ob es unter dem Katamaran durchpassen würde?

 

Und dann es heißt für mich Abschied nehmen von Spetses.

Eine nette Insel, aber landschaftlich etwas langweilig. Vermutlich wird sie mich nicht so bald wiedersehen.

Kurs Piräus.