Allerlei zu Fuß

Während ich im Windschatten das Frühstückspanorama unter blauem Himmel genieße, vergällt der starke Wind den Gästen der windmühlennahen Pensionen das Frühstück auf dem Balkon. Komisch, dass Windmühlen immer an windigen Plätze stehen.... ;-)

Die Sonne steigert meinen Aktivitätsdrang, aber heute habe ich keine Lust auf schlechte Wanderwege und Zäune. Ich werde es mir bequem machen, und auf der Straße nach Maltezana-Analipsi wandern. Da kann ich in aller Ruhe Nah- und Aussicht genießen, ohne Konzentration auf den Weg, und auch der Autoverkehr dürfte sich in Grenzen halten. Es seien 14 Kilometer hatte Cornelia gesagt.

 

Um Viertel nach zehn bin ich unterwegs. Es geht immer die Küste entlang, die Sonne scheint, der frische Wind sorgt für ausreichend Belüftung und kräuselt das Meer, das unterhalb der kargen Küste liegt. Kurze grüne Kräuterbüschel geben darin einen frischen Touch, Wildblumen schmücken die Straßenränder.

 

Ich passiere den kommunalen Bauhof. Ist dort auch eine Mülldeponie? So nahe der Küste wäre suboptimal. Nein, es ist die Kläranlage, klärt Gerhard. Zwei Buchten weiter drängt sich eine Werft neben das große Gebäude der Stromversorgung. Der wird noch weitgehend herkömmlich erzeugt, es gibt einige Solarfelder, aber kein Windrad auf Astypalea. Wind wäre ausreichend vorhanden, aber die Verspargelung der griechischen Inseln samt der damit einhergehenden Landschaftszerstörung durch die Wartungsstraßen sind ein schwieriges Thema. Auf Astypalea könnte ich es mir besser vorstellen als etwa auf Amorgos, da die Insel nicht so steil ist. Und irgendwo musst der Strom für die E-Mobilität ja auch kommen.

 

Es geht sich angenehm bei dem Wetter. Während der ganzen Wanderung wird mir gerade mal ein Dutzend Autos unterkommen, und ab und zu ein Moped. Eigentlich hat Astypalea ganz gute Dreirad-Größe, aber ich werde keines sehen. Bei den vielen unbefestigten Straßen riskiert man auch einen Achsbruch.

Hinter den fruchtbaren Ebenen zu meiner Linken steigt nun eine baumlose Höhe auf, mit weißer Kapelle (Agia Triada?) garniert. Davor ein eingezäuntes, dichtes und dunkles Wäldchen, das wie ein Fremdkörper wirkt. Sollte es sich tatsächlich um die vielzitierten und -übersetzten Pinien handeln? Ich bin etwas zu weit weg, halte es aber für möglich. Die Bäume könnten die Hälfte des astypaliotischen Baumbestandes ausmachen....
Irgendwo hier muss ich auch den Campingplatz passiert haben, ohne es zu merken.

Ich werde einige Getreidefelder auf Astypalea sehen, aber Gerhard meint, die würden meisten würden nicht mehr bewirtschaftet und sich jedes Jahr von selber aussäen.

Es geht nun in einer S-Kurve leicht bergauf. Ich bin jetzt auf dem schmalen Landstreifen, der den West- und den Ostteil der Insel verbindet. Der Blick auf die Nordküste wird frei, hier tobt das Meer lautstark und wild weiß-gischtend an die Felsen. Kein Badetag auf der Nordseite. Links zweigt nun die Straße zum Hafen bei Agios Andreas ab, den man in der Ferne im Nirgendwo astypaliotischer Landschaft sehen kann. Ich halte mich rechts nach Analipsi, nur noch fünf Kilometer wird angezeigt..

 

An der schmalsten Stelle der Landverbindung, dem sogenannten "Steno" (= eng). Gerade mal 140 Meter ist das Land zwischen den beiden Meeren hier breit. An der Westseite steht eine unverschlossene kleine Kapelle, Stavros. Neugierig gehe ich hinein in das gepflegte Gotteshaus und zünde eine Kerze an.

Dann wechsle ich auf die andere Inselseite, wo sich eine weite und windgeschütztere Bucht mit zweiteiligen Sandstrand anschließt. "Mikro Steno" heißt der erste Strand mit Sand-Kies-Gemisch und drei Tamarisken. Der zweite, größere Abschnitt "Steno" mit noch mehr Tamarisken hat sogar eine Kantina, eine Imbissbude, die natürlich jetzt noch nicht geöffnet ist. Ich nehme die Einladung in den Windschatten trotzdem ein und packe mein Vesper aus. Ob ich hier baden soll? Der Wind ist durchaus kühl. Nein, vielleicht ist es in Maltezana besser.

Ein Campingbus mit französischem Kennzeichen steht unter den Bäumen, aber niemand ist zu sehen. Ich werde ihn nächste Woche auf Amorgos in Asfodilitis wiedersehen.

 

Wieder steigt die Straße an. Ein auf einen nicht vorhandenen Ort hinweisendes Ortschild "Steno" wurde von einem hirnlosen Fan eines Hamburger Fußball-Zweitligisten mit einem entsprechenden Aufkleber versehen. Ja, "steno" kann sich auch auf Enge im Gehirn beziehen.

Von der Höhe mit einer edlen Villa hat man nun einen guten Blick über den Steno und die beiden Meeresbuchten. Wenig später verblüfft mich das Wartedach und Bänkchen einer Bushaltestelle, daneben eine Betonplatte. Für den E-Bus?

 

Auf dem niedrigen Schotterhügel zu meiner Linken befindet sich nun die Landebahn des Flughafens von Astypalea. Sie ist bei GoogleEarth tatsächlich ausgepixelt und daher wohl streng geheim. Finger vom Fotoapparat, Katharina! Aber es gibt sowieso nichts fotografierenswertes.

Auch das Ortschild von Analipsi, das mich hinter dem Flugplatz erwartet, wurde vom Fußball-Fans verziert. "Analipsi" heißt ja auch (Christi) Himmelfahrt. Ob damit der Aufstieg gemeint ist? Träum weiter - so lange der Bäbber hier noch zu lesen ist, wird das nichts werden für den HaEsVau. :-) Und Jesus wäre wohl eh St.-Pauli-Fan.

Vor mir liegt nun die Bucht von Maltezana oder Analipsi. Das Dorf scheint mir ziemlich gewachsen, ich bin überrascht über die vielen Häuser, die sich den flachen Hang hinauf ziehen. 159 Bewohner weist der Zensus 2011 für Analipsi aus. Zwei Stunden war ich jetzt unterwegs, gutes Tempo. Meine Tracking-App weist allerdings nur zehn Kilometer Entfernung bis zum Ortschild aus, keine 14. Gut, von Pera Gialos ist schon mal ein Stück kürzer als vom Kastro.

 

Vorbei an blühenden Wiesen gehe ich hinab zum Strand. Am kleinen Hafen liegen zwei Kaikia und eine deutsches Segelboot, sonst ist hier nichts los. Der Strand sieht schön aus, und einsam (zumindest jetzt Anfang Mai). Aus gutem Grund: trotz Sonne ist einfach kein Badewetter, der Wind ist zu frisch. Ich gehe weiter Richtung Osten und komme an der Taverne von Ilias und Irini vorbei. Sie ist geöffnet. Schnell eine SMS an Theo, der mit dem Taxi kommen möchte. Das wird etwas dauern, also folge ich der Straße.

Wo sind eigentlich die hellenistischen (oder römischen - da gibt es unterschiedliche Angaben) Mosaiken? Ich sehe sie nicht, lande aber am östlichen Ortsrand in Schinontas, wo die Straße ins Inselinnere abbiegt, bei einer kleinen Werft und dann rechts am Meer auf einem Kap mit einem Denkmal für den jungen Franzosen Hippolyte Magloire Bisson (1796-1827). Er war im Jahr 1827 während des griechischen Unabhängigkeitskrieges als Kapitän des Schiffes "Lamproie" bei der Piratenjagd erfolgreich, fing 70 Seeräuber auf deren Schiff "Panagiotis" und brachte sie nach Alexandria auf das Schiff "Magicienne". Um die Beute zu legalisieren, koppelte er die "Panagiotis" per Tau mit der "Magicienne" und nahm mit den beiden Schiffen Kurs auf Smyrna, mit 14 Mann Besatzung, darunter der Steuermann Trémintin, und außerdem sechs Piraten als Hilfen. Eine mäßig gute Idee. Bei Sturm risst das Tau, die "Magicienne" ging verloren, die "Panagiotis" fand Schutz auf Astypalea, hier in der Bucht. Blöderweise konnten dort zwei der Piraten entkommen und ihre auf der Insel lebenden Kumpane warnen. Diese fielen 70 Mann stark über das Schiff her, töteten neun Franzosen und verletzten Besson schwer. Er wies Trémintin an, mit den Überlebenden an Land zu gehen, aber Trémintin weigerte sich und blieb beim Kommandanten. Bisson jagte nun mit Schießpulver die "Panagiotis" mitsamt den Seeräubern und sich in die Luft, Trémintin überlebte wie durch ein Wunder schwerverletzt. Die Überlebenden wurden von den Astypalioten gepflegt, die als Gefangene der Piraten gelebt hatten und nun frei waren. So erzählt es in drei Sprachen - Französisch, Griechisch und Englisch - die Tafel am Denkmal.

 

Auch die friedlichsten Ecken Griechenlands sind oft mit Blut getränkt, sinniere ich, ehe sich der Hunger meldet und ich zur Taverne zurückgehe. Kurz darauf kommt Theo mit dem Taxi. Kaum haben wir bestellt - das Tagesessen Moschari kokkinisto mit Reisnudeln für Theo und einen griechischen Salat für mich - , fahren Margarete und Konrad mit dem Mietwagen vor. Das trifft sich gut, denn so können wir nach der Mahlzeit gemeinsam nach Chora zurückfahren. Ich sagte ja: man trifft sich dann schon.

Auf der Rückfahrt legen wir noch einen Abstecher zum Hafen von Agios Andreas ein, um die Schäden am Anleger zu begutachten. Von Land aus sieht man davon allerdings nichts, und die Blue-Star-Fähren halten auch noch immer hier. Erst ab 16. Mai werden die Fähren in Skala anlegen, für zunächst unbestimmte Zeit.

 

Außer zwei Kaikia und zwei kleinen Bötchen ist nichts los, ein Fischer flickt seine Netze. Das Hafengebäude ist verschlossen. Hier sind wir schnell fertig, und fahren nun nach Chora. Es ist vier Uhr nachmittags und wir gönnen uns erst mal einen Kaffee oder Tee im "Notos".

Konrad, der als Referent schöner Audiovision-Vorträge über die griechischen Inseln immer auf der Suche nach Bild- und Tonmaterial ist, kommt dann gerne mit zum Besuch des Kastro, das sich unter blauem Himmel heute deutlich freundlicher zeigt. Die Margeriten sind dafür - alles hat seinen Preis -schon über ihren Zenit hinaus und am Verblühen. Egal, wir freuen uns an den Ein- und Ausblicken und Konrad versucht, trotz des nach wie vor starken Windes, der sich bei Tonaufnahmen deutlich bemerkbar macht, eine paar kurze Videos zu drehen. Wind gehört zur Südägäis einfach dazu.

Weil wir danach noch auf die Schnelle Gerhard und Cornelia besuchen, wird es halb sieben, als ich am Friedhof vorbei wieder in meinem küstennahen Quartier unten bin. Keine Zeit mehr zum Baden, der Strand liegt schon im Schatten.

 

Und um acht Uhr sind wir in heute etwas verkleinerter Parea ohne Cornelia und Gerhard wieder im "Ageri", bei Oktopus und Fava für mich.

Morgen ist dann schon mein letzter Astypalea-Tag. Gerhard hat mich zu einer Wanderung eingeladen, und ich freue mich darauf, noch etwas von Exo Nisi, dem Westteil der Insel zu sehen.

 

*

 

Wind und Sonne sind auch am Donnerstag treue Begleiter. Beim Frühstück auf der Terrasse sehen ich, das der nahe Strand mit Bagger und Rechen für die Saison gerichtet wird. Ah, die Saison beginnt bald .

Und gegenüber vor dem Bäcker steht eine Reihe nagelneue E-Scooter. Auch hier geht es offenbar voran mit der E-Mobilität. Am 2. Juni werden Premierminister Kyriakos Mitsotakis und Volkswagen-Chef Herbert Diess das Car- und Bus-Sharing-Projekt in Betrieb nehmen.

 

Schon um neun Uhr statte ich dem kleinen archäologischen Museum hinter der Paralia einen Besuch ab. Das gab es 1999 schon, damals ganz neu. Der Eintritt ist frei, die Ausstellung übersichtlich, und leider hat er fast keine Exponate oder Texte zu den hier massenhaften Kinderbestattungen. Dabei ist das doch mal ein spektakuläres Alleinstellungsmerkmal, wenn auch makabrer Art.

Um zehn Uhr erklimme ich dann wieder die Stufen hinauf zu den Mühlen und drehe oben noch eine kleine Fotorunde durch das Kastroviertel. Ich finde eine (leider geschlossene) Töpferei mit "Rooniware". Rooni? Das ist doch der nette Hund, der schon 1999 das Werbeschild einer Wäscherei zierte, das immer noch hier hängt (siehe den vorherigen Artikel). Tatsächlich hat die Besitzerin der Töpferei ihren Hund, einen Bullterrier, zu ihrem Markenzeichen gemacht.

Unten in der Hafenbucht nähert sich wieder die "Nisos Kalymnos". Klar, ist ja Donnerstag.

Um halb elf kommt Gerhard. Wir fahren mit dem frischgewaschenen Auto Richtung Norden von den Windmühlen weg, gewinnen schnell Höhe und haben vom Paliomilos-Hügel eine tolle Aussicht. Der Wind bläst uns allerdings beinahe weg, und da die Straße nicht befestigt ist, gibt es Staub zu schlucken.

 

Weiter auf karger Halbhöhe, mit gelegentlich weißen Flecken: Kapellen und einsame Höfe. Unser Ziel ist eigentlich Agios Ioannis Prodromos, aber vorher können wir noch einen Abstecher zum Kloster der Panagia Flevariotissa machen. Das Kloster wird nicht mehr bewirtschaftet, ist aber ein wichtiger religiöser Ort für die Einheimischen. Zum Panigiri am 2. Februar kommen die Leute auch von Athen (oder wie Cornelia und Gerhard von Stuttgart), um bei Live-Musik, Essen und Wein zu feiern. Von der Hauptpiste führt eine schlechte Nebenpiste rechts Richtung Norden ab.

Nach eineinhalb Kilometern steht rechts der Straße ein Tor und versperrt die Zufahrt zum Kloster, das ein gutes Stück tiefer liegt. Es ist abgeschlossen, wir stellen das Auto daneben ab. Gerhard hat heute eine Zange dabei und so können wir den Zaun neben dem Tor öffnen, durch die Lücke schlüpfen und zum Kloster hinab gehen. Die blaukuppelige Kirche ist von einigen Nebengebäuden umgeben. Sie wurde erbaut als ein Hirte dort in einer Höhle eine Marienikone fand, die sich dann allen Versuchen, sie in Chora aufzubewahren, widersetzte und immer wieder hierher zurückkehrte. Wann das ungefähr war, kann ich leider nicht eruieren, aber richtig alt ist die Kirche wohl nicht.

Die überdachten gemauerten Bänke und Tische kennt Gerhard auch noch nicht, er war länger nicht mehr hier. Sie stören die Gesamtoptik etwas, aber Anfang Februar muss man hier wohl durchaus mit Regenfällen rechnen. Die Kirche selbst ist doppelt verschlossen und wir finden auch den Schlüssel nicht. Aber fotografisch gibt das Ganze durchaus etwas her: knallblaue Türen, knallrote Geranien, verteilt vor weinrankenüberwucherten weißen Gemäuern und filigranen Glockentürmchen und Erkern. Hübsch hier.

Zurück auf der Hauptpiste biegen wir nun Richtung Südwesten und später nach Norden ab. Die letzte Abzweigung nach Süden führt uns schließlich zur wunderhübschen Kapelle Agios Ioannis Prodromos (Johannes der Täufer), wo wir unsere Wanderung starten wollen. Während Gerhard die Wanderstiefel anzieht, sehe ich mir die Kapelle an, die direkt am Rand über dem fruchtbaren Taleinschnitt thront, der zum Strand von Agios Ioannis hinab führt. Man hat einen tollen Blick darüber hinaus auf die vorgelagerten Inseln Pontikoussa und Ofidoussa und rechts auf den Felsensporn, auf dem das byzantinische Kastro lag. Die griechische Flagge flattert dekorativ im Wind.

Die außen ganz in weiß gestrichene Kapelle ist unverschlossen und innen eher schlicht gehalten.

Ein Wegweiser zeigt den Weg zum Strand von Agios Ioannis, vorbei an einem neuen Natursteinhaus inmitten einer grünen Oase. Wir folgen ihm ein Stück, aber der Strand ist nicht unser Ziel (der Weg ist steil und nicht ganz ohne), sondern wir wollen zu Kapelle des Agios Onoufrios. Als der Weg zum Strand rechts abbiegt, gehen wir weiter geradeaus Richtung Süden und lassen das fruchtbare Bachbett hinter uns. Bald dominieren wieder niedrige Frygana und Steine.

 

Nach zwanzig Minuten sehen wir die Mauern verfallener Gebäude am Hang links von uns auf einem Hügel liegen. Schafe mustern uns von dort aus der Distanz. In einer der Ruinen befindet sich die gepflegte Kapelle Agios Chrisostomos, auch sie geöffnet. Gerhard klettert der besseren Aussicht wegen auf eine Steinmauer und kann sich gerade noch ausbalancieren als der Untergrund sich als instabil erweist. Eine grandiose Einsamkeit ist das hier, die sich im weiteren Verlauf noch steigern wird.

Wir wandern in einer Schleife vorbei an einem widerständigen Feigenbaum wieder hinab ins Tal und queren westwärts eine flache Anhöhe. Unter uns auf einem steinreichen Plateau liegt nun unser Ziel, die Onoufrios-Kapelle inmitten von Steinmauern, Steinfeldern und Felsenbrocken. Als würden hier Steine wachsen...

 

In einem weiten, nördlichen Bogen erreichen wir eine Viertelstunde später die unter einem dürren Baum liegende, unverputzte Kapelle, die sich nicht im besten Zustand präsentiert: Risse durchziehen das kleine Gebäude, der Sockel des improvisiert wirkenden Altars bröckelt, und die (unangezündeten) Kerzen stehen auf einem Holzbalken unter der Decke. Nur die Kraft der einfachen Ikonen scheinen das Ganze noch zusammen zu halten. Der heilige Onoufrios passt irgendwie dazu: seine Ikone zeigt ihn mit bis zum Boden reichenden Bart, bekleidet nur mit Blättern. Er lebte im 4. Jahrhundert als Eremit 70 Jahre in der Wüste. Hätte ihm hier bestimmt auch gefallen.

Weniger gefällt uns der halb verrottete Ziegenkadaver, der vor der Türe liegt. Da suchen wir uns doch ein anderen Plätzchen für unsere Mittagsrast, etwas weiter abseits mit Blick gen Westen, bis Anafi und Amorgos, die sich schwach aus dem Dunst abheben. Ein schönes Trigon bilden diese Inseln mit Astypalea. Oder ein Alpha? 1999 hatten die Fährverbindungen einen Besuch der drei Inseln nacheinander noch ermöglicht.

 

Auf dem Rückweg fällt nochmal das steinige Hochtal ins Auge. Wie mühsam muss es gewesen sein, diesem Land einen Ertrag abzuringen. Nun scheint außer neugierigen Wanderern und einem freilaufenden Paar aus Esel und Muli niemand mehr hierher zu kommen.

Ohne den kleinen Umweg über Chrisostomos sind wir von Onoufrios aus in einer guten halben Stunde wieder am Ausgangpunkt beim Agios Ioannis zurück. 3,8 Kilometer und eine reine Gehzeit von einer Stunde zwanzig Minuten weist meine Wander-App aus, weniger als gedacht. War eine nette Runde in einem doch recht spröden Teil von Astypalea.

An der Kapelle steht der Mietwagen von Konrad und Margarete. Auch sie sind heute in diesem Inselteil unterwegs, hatten sich bei der Flevariotissa aber vom geschlossenen Tor abhalten lassen. Gerhard erklärt, wo sie reinkommen, und sie werden einen neuen Anlauf unternehmen.

Wir fahren aber zurück nach Chora, wo wir bei den Mühlen Theo einsammeln.

Unser Nachmittagsziel ist Maltezana: Theos und meines die Taverne, Gerhards der Strand von Ble Limanaki, wo Lore und Cornelia mit Niko den Tag verbringen. Wir genießen das Tagesessen, ausgezeichnete Moussaka, mit einem kühlen Weißwein, zu dem sich auch Gerhard noch verführen lässt. Theo guckt sich dann noch Maltezana an, während wir mit dem Wagen das Kap südwestlich ansteuern. Noch ein paar Meter über ein Stück Wiese finden wir die windgeschützte kleine Bucht, eingerahmt von Felsen. Hier lässt es sich gut textilfrei baden, auch wenn das Wasser immer noch 18 Grad kalt ist.

 

Gegen halb sechs fahren wir dann alle zusammen wieder zurück und verabreden uns am Abend um acht Uhr im "Maistrali" in Pera Gialos am Beginn des Treppenweges hinauf. So spare ich mir an meinem letzten Abend den Weg hinauf und kann in aller Ruhe bei Dimitra mein Zimmer bezahlen, das Taxi für morgen (sehr) früh bestellen, und packen.

 

Das "Maistrali" offeriert heute Lamprianos, eine lokale Spezialität aus dem Ofen mit Ziege, gefüllt mit Innereien und gewürztem Reis, wie Cornelia erklärt. Eigentlich ein Sonntagsessen, so profan unter der Woche? Aber gestern war hier eine geschlossenen Gesellschaft mit einer Taufe, da ist bestimmt etwas übriggeblieben. Ich bestelle und bin zufrieden: schmeckt ausgezeichnet.

 

Unseren letzten gemeinsamen Abend möchte wir danach noch mit einem Absacker im "Salis" beenden. Blöderweise hat es aber geschlossen, und hinauf zu dem Mühlen möchte ich jetzt nicht mehr. So verabschiede ich mich von Theo, Cornelia und Gerhard (Konrad und Gretel werde ich auf Amorgos wiedersehen). Ganz herzlichen Dank, dass ihr mir Astypalea so kenntnisreich und nett nähergebracht habt!

 

Die Tage sind schnell vorbeigegangen, und ich habe lange noch nicht alles gesehen. Hätte ich länger bleiben sollen? Aber Amorgos lockt, und danach das Kajaken.

Es müssen ja nicht wieder 22 Jahre vergehen, bis ich wiederkomme.

 

*

 

Um halb fünf in der Früh sammelt mich Kiki mit ihrem E-Taxi an der Straße beim "Vithos" auf und bringt mich und eine weitere Passagierin zum Fährhafen Agios Andreas. Das Ticket für die "Blue Star Naxos" hab ich gestern schon in Pera Gialos gekauft, 12 Euro nach Amorgos. Agios Andreas ist Endstation dieser Linie, und die Fähre deshalb schon da. Ich gehen an Bord, und fünf Minuten zu früh, um 5.10 Uhr, legt die "Blue Star Naxos" ab.

Auf zu neuen (alten) Ufern!