Über 22 Jahre hat es gedauert, bis ich Astypalea wieder einen Besuch abgestattet habe. Warum eigentlich, hatte ich mich im Vorfeld gefragt. Schlechte Erfahrungen hatte ich damals nicht gemacht, soweit ich mich noch erinnern kann. Und die Chora mit dem Kastro und den Windmühlen ist ein tolles Fotomotiv. Vom Rest der Insel hatte ich damals allerdings nicht viel gesehen: Livadi und Maltezana - mehr war es nicht. Wäre es vielleicht auch dieses Mal nicht geworden, wenn ich nicht zwei (oder drei?) sach- und ortskundige Guides gehabt hätte. Denn Astypalea macht es den Reisenden und den Wanderern immer noch nicht leicht und zeigt sich unzugänglich:
Wer von den Kykladen oder den Dodekanes aus hin will, der muss raus aus der Komfortzone und früh aufstehen. Oder spät ins Bett. Noch dazu kommt man kaum im alten Hafen von Skala Pera Gialos an, sondern in Niemandsland der Nordküste, in Agios Andreas. Im alte Hafen landen gerade zweimal die Woche die "Nisos Kalymnos" (die Skopelitis der Dodekanes, nix für Leute mit Vorbuchungszwang) und einmal die Woche die "Stavros" von SAOS, nachdem sie das unrühmliche Schicksal von der Heimatinsel Samothraki vertrieben hat. Und im Sommer der Katamaranflitzer von Dodekanisos Seaways.
Am bequemsten (aber nicht preiswertesten) kommt man mit der Fluggesellschaft SkyExpress hin. Von Athen, aber auch von Kalymnos und Leros. Vorsicht aber: Gepäckbeschränkung auf 15 Kilogramm, sonst wird es teuer. Warum bedient eigentlich Olympic die Linie nicht? Nicht attraktiv genug?
Auch auf der Insel erschwert man gerne das Fortkommen. Dazu später mehr.
Ich habe Ende April die lange Anreise mit der "Blue Star Patmos" ab Piräus gewählt. Nachdem Aegean Airlines aktuell die Flüge von Stuttgart reisefeindlich nachts nach 22 Uhr in Athen landen lässt, sucht ich nach stehender (daher bandscheibenschonender) Busfahrt nach Piräus - den X96 gerade noch erwischt - mein Stammhotel Anita-Argo auf (das Einzelzimmer 35 Euro ohne Frühstück - das Buffet sei Corona zum Opfer gefallen...) und sinke ohne Schlummertrunk gegen Mitternacht in die Federn. Vertrödelt den Samstag in Piräus: Ticketkauf (€ 50), Frühstücken (an einer Kaffee-Bar nahe dem Hafen), Shoppen (Sesam-Erdnüsse und köstliche Moustokouloura von Lefkada), Profitis Ilias (samt Taufvorbereitungen in der Gipfelkirche und etwas Aussicht), Mikrolimano (Frappé), Rakadiko Stoas (Patates me avgo kai souzouk). Schließlich das Gepäck im Hotel geholt, mit dem Hafenbus zum Gate 1 bringen lassen und die "Blue Star Patmos" erklommen. Acht Stunden nonstop nach Astypalea mit der flotten "Blue Star Patmos". Passt.
Die Fähre, die über die Dodekanes bis Rhodos weiterfährt, ist gut gefüllt. Bis zum Sonnenuntergang sitze ich maskenfrei auf dem Außendeck, dann wird es zu kühl.
Der Maskenpflicht wird in den Innenräumen nur noch sehr nachlässig nachgekommen, und ich lasse mich davon anstecken. Entfliehe den unbequemen Stühlen des luftig besetzten Barbereiches in den Saloni, wo mir aber Scharen von unmaskierten Kindern näher kommen als mir lieb ist. Letztes Wochenende waren griechische Ostern, und jetzt wird der Virus über die Inseln verteilt? Dann doch lieber wieder unbequem in die Bar. Schlafen? Allenfalls minutenlang. Egal.
Meine Informanten vor Ort, Gerhard und Cornelia (samt Hund Niko), die seit Jahrzehnten am Kastro von Astypalea ein kleines Haus besitzen, vermeldeten kurz vorher, dass der Blue-Star-Fähranleger von Agios Andreas unterspült sei, und dass die Fähren ab 1. Mai daher den alten Hafen anlaufen würden. Ich komme am 1. Mai nachts um ein Uhr an, wo wird da die Fähre halten? An der Rezeption der "Blue Star Patmos" bekomme ich die Auskunft, dass in Skala, und gebe das zwecks Abholung an meine Vermieter weiter. Offenbar hat sich das aber nicht bis zum Steuermann herumgesprochen, denn die Fähre steuert, wie ich auf marinetraffic gut verfolgen kann, im Stockdunkeln unverdrossen Agios Andreas an, wo wir um Viertel nach ein Uhr in der Nacht anlegen. (Der Blue-Star-Fährbetrieb wird dann tatsächlich erst zum 16. Mai 2022 auf Skala umgestellt, entsprechend kommen die Kykladen-Fähren eine halbe Stunde später an bzw. fahren früher ab).
Und zum Glück ist auch mein Abholer Pantelis da ("Katerina?"), einer von zwei Taxifahrer*innen auf Astypalea. Er muss erst noch kurz etwas erledigen, sagt er, und wenig später stehe ich frierend - es ist echt kalt! - im Dunkeln, denn mit der entschwindenden Fähre wird die Hafenbeleuchtung gedimmt. Aber er kommt dann doch wieder und lädt mich und ein georgisches Paar - Saisonkräfte in einem Restaurant - ein und bringt uns zum Hauptort. Wo mich Dimitra empfängt, meine Wirtin (beziehungsweise die Verwalterin). Der alles andere als hünenhafte Pantelis schultert meinen Trolley (18 kg) locker und trägt ihn die Stufen hinab zu meinem Zimmer im "Vithos Aparthotel". Zehn Euro kostet das nächtliche Taxi samt Lastenträger - kann man nichts sagen. Zwei Uhr ist es inzwischen geworden, und ich freue mich aufs Bett. Und bin gespannt auf den Morgen.
Der empfängt mich mit strahlendem Sonnenschein, würdig eines 1. Mai. Und mit einem wunderbaren Blick von meiner Terrasse, die etwas über dem Meer in Pera Gialos liegt: Über die Bucht auf den
alten Hafen, die Chora und das Kastro. Und liege gleichzeitig perfekt windgeschützt (zumindest bei Nordwind).
Ich hatte lange überlegt, wo ich mich einquartieren soll: irgendwo oben bei den Mühlen (würde diverse Aufstiege zwecks Treffen sparen, aber wäre auch windanfällig) , oder lieber nahe am Meer.
Schließlich war ich Zweiterem und der Empfehlung von Inselkenner Carsten (vielen Dank!) gefolgt, und sollte das nicht bereuen. Auch als sich unsere Parea am Dienstag vergrößerte und ihre anderen
Mitglieder oben nahe der Mühlen einziehen würden. Ein paar Höhenmeter zusätzlich? Kein Problem für mich, wenn mich auf den griechischen Inseln die Hyperaktivität überkommt..
Das Studio im "Vithos Seaside Aparthotel" (eigentlich hätte ich eines im unteren Stockwerk mit Gemeinschaftsterrasse bekommen sollen, aber nun ist es eines mit privatem Balkon im ersten Stock geworden) ist geräumig und umfasst zwei Zimmer, das Wohnzimmer riesig und mit gut ausgestatteter Küche (und sogar Waschmaschine). Etwas mehr als 40 Euro bezahle ich pro Nacht, ein mehr als fairer Preis.
Eigentlich hätte ich mit Gerhard und Cornelia und dem lokalen Wanderverein "Pardalo Katsiki"(gefleckte Ziege) in den Mai wandern wollen, aber die Tour fällt kurzfristig aus (coronabedingt, wie wir später erfahren werden). Macht nichts, kann ich es langsamer angehen lassen (der Nissomanie-Kenner lacht: Katharina und langsamer - das hält die keine Viertelstunde durch. Und hat wohl recht.).
So bin ich trotzdem schon um neun Uhr unterwegs, um mir auf der wenige Meter entfernten anderen Buchtseite das Nötigste fürs Frühstück zu kaufen. Der Mini-Markt hat auch am Sonntag geöffnet, der Bäcker nicht. Macht aber nichts, ich hatte vorgesorgt. Dass es nur drei Minuten entfernt an der Straße nach Maltezana einen großen Supermarkt gibt, weiss ich da auch noch nicht.
Und als ich fürs Frühstück auf der Terrasse mit Blick hinauf zu Mühlen und Kastro ob des gleisenden Lichtes die Sonnenbrille benötige, weiß ich nicht nur, dass ich angekommen bin. Sondern auch, dass ich alles richtig gemacht habe. Drei Wochen Griechenland liegen vor mir. Fünf Tage davon hier auf Astypalea, bis Freitag.
Gut, das hätte mehr sein können, aber die Fährverbindungen schnüren das Korsett eng: bis Dienstag wollte ich dann doch nicht bleiben - zu wenig Zeit wäre dann für Amorgos geblieben. Und der Termin auf Milos in der letzten Urlaubswoche ist sowieso gesetzt (und nötigt zu für mich ungewohnten und teuren Verkehrsmitteln).
Die fünf Tage möchte ich nun gerne größere und kleinere Wanderungen machen und die Insel abseits des Hauptortes erkunden. Ich bin gespannt.
Um zwölf Uhr bin ich mir Gerhard und Cornelia oben bei den Windmühlen verabredet und nehme zum ersten Mal einen der Treppenwege hinauf in Angriff. 75 Meter liegen die Mühlen der Oberstadt über dem Meer.
In Erinnerung zu früher - aber gut, 1999 ist lange her - hat die Unterstadt um den Hafen an Läden und Tavernen verloren. Einige sind noch nicht geöffnet oder stehen leer. Auch den Pelikan, der sich damals vorzugsweise dort herumtrieb, gibt es schon lange nicht mehr.
Dafür stehen jetzt in der Nähe meines Hotel und am Hafen E-Scooter und E-Autos. Astypalea möchte in Kooperation mit VW seine Fahrzeugflotte auf E-Mobilität umstellen. Die Polizei, die Hafenpolizei und Taxifahrerin Kiki sind schon elektrisch unterwegs, E-Tankstellen sind ausgewiesen, und diverse E-Up, ID.3 und ID.4 mit Aufklebern "AstyGo" oder "AstyBus" sind am Ortseingang abgestellt. Mit meiner Fähre kam heute Nacht eine neue Ladung E-Mobilität, sie stand in Piräus am Anleger und nun hier.
Die Autos bleiben während meines ganzen Aufenthaltes dort stehen, es verändert sich nur die Oberfläche nach dem alles versauenden Sahara-Regen am Montag. Man braucht noch etwas Zeit, das Konzept umzusetzen, aber es ist in Arbeit*. Spannend - wir bleiben am Ball. Laut Gerhard sind sogar selbstfahrende E-Busse geplant. Zum Busverkehr braucht man sich derzeit schon gar keinen Gedanken zu machen: Anfang Mai fahren überhaupt noch keine Busse, egal wie betrieben**. Und was die Qualität der "Straßen" auf Astypalea betrifft: dazu später an anderer Stelle mehr.
Auch an die Oberstadt habe ich weniger Erinnerungen. Mit Sicherheit waren die Windmühlen nicht so herausgeputzt damals. In einer befindet sich laut Schild eine Bibliothek - mal wieder ein Traumarbeitsplatz? In einer anderen die Information. Geschlossen sind sie beide, aber es ist ja auch nicht nur Sonn-, sondern auch Feiertag.
Cafés, Kafenia und Tavernen versammeln sich um den Platz. Einige werden wir in den nächsten Tagen ausprobieren. Ein edel aussehender Laden bietet lokale Produkte an (natürlich hat auch Astypalea den besten Honig. Und aggressive Bienen, wie Wanderfreundin Renate warnte und Cornelia bestätigt: im Herbst würden die Tiere schon mal von ihren Imkern vernachlässigt und dann schnell wütend. Verständlich.), ein Mini-Markt und eine Bäckerei runden das Angebot der Oberstadt ab. Auf dem Hügel nördlich und westlich der Mühlen reiht sich Pension an Pension, ein kaum zu erfassendes Angebot, das aber in der Vorsaison noch kaum genutzt scheint. Meine Anfrage etwa an das "Lefkanthemo" blieb unbeantwortet.
Das südöstlich angrenzende Kastroviertel mit der überragenden Burgruine werde ich ein anderes Mal besuchen. Jetzt treffe ich Cornelia und Gerhard und freue mich über das Wiedersehen. Lange hatten wir coronabedingt nicht mehr gemeinsam tanzen können und uns nicht gesehen.
Cornelia (die Astypalioten betonen den Namen für deutsche Ohren gewöhnungsbedürftig hinten: Cornelía) und Gerhard "Gerassimo" aus Stuttgart sind seit eineinhalb Wochen hier und bleiben bis Juli.
Die Glücklichen - Ruheständler müsste man sein (wobei fairerweise erwähnt werden soll, dass Cornelia noch gelegentlich arbeitet - Home Office macht es möglich).
Ihren freundlichen, zunächst zurückhaltenden Hund Niko aus Nordgriechenland kenne ich noch nicht, so wenig wie die Rasse "Kokoni",
der er angehört. Eine kurzbeinige und freundliche Rasse, die es schon in der Antike gegeben haben soll und als Spielkamerad und Hausaufpasser dient (Niko freut sich bei Spaziergängen auch immer,
wenn es wieder nach Hause geht) und bisher erst in Griechenland anerkannt ist. Klingt nach dem perfekten vierbeinigen Begleiter, und ist es wohl auch. Zumal er bei seiner Größe bzw. seinem
Gewicht (unter 8 kg) im Flugzeug im Fahrgastraum mitfliegen darf - ein nicht zu unterschätzendes Argument für die mobilen Rentner von heute.
Für heute haben sie einen kleinen Eingewöhnungsspaziergang geplant. Nach einem Kaffee im windgeschützten "Notos" - hier sitzen am Feiertag offenbar alle Männer der Chora - geht es los. Sie sind mit dem eigenen Auto angereist, das an dem großen Parkplatz bei den Mühlen abgestellt wird. Das Kastroviertel, in dem sie wohnen, ist ja nahezu autofrei (Insider kennen aber natürlich Schleichwege für schmale Autos). Dieser Parkplatz stört die Optik der Windmühlen beträchtlich, aber wo sollen sie denn sonst hin? Und ob es in naher Zukunft mal alles E-Auto sein werden? Parkplätze mit Stromtankstelle gibt es hier oben natürlich auch, ebenso wie unten in Pera Gialos. Hoffentlich sind die E-Autos robust genug für die schlechten Straßen auf Astypalea, die nur zwischen Agios Konstantinos, Livadi, Chora, Agios Andreas, Malezana und kurz vor Vathy befestigt sind. Der Rest sind Schotterpisten unterschiedlich guter (oder schlechter) Zustände. Auf Milos wäre es mit dem Leihwagen bestimmt nicht erlaubt, sie zu befahren. Auf Astypalea ist man da wesentlich großzügiger. Und muss es auch sein - wie sonst sollen die Touristen zu den vielen schönen Stränden in den zahlreichen Buchten kommen?
Wir fahren durch Livadi - hier wäre noch keine Taverne geöffnet - weiter gen Süden, zweigen auf eine Piste nach Westen ab und stellen den Wagen kurz darauf ab. Vor uns liegt eine für die Südägäis erstaulich grüne Hügellandschaft, durchsetzt von Mauern, Wildblumenbüscheln und Schafen. In der Ferne grüßt das weiße Kastro von seinem unnahbaren Hügelthron.
Unser Ziel ist über fußgängerische Umwege die Kapelle des Heiligen Fanourios, die eine halbe Stunde entfernt in einer olivgrünen Senke liegt. Wir scheuchen Schafe und Ziegen auf, die uns nach kurzer Flucht misstrauisch aufgereiht beobachten. Im Westen schneidet ein grauer Felsenkamm die sanftgrünen Wiesenmatten vom Horizont ab. Schön, Astypalea nicht im ockertrockenen Outfit zu erleben.
Die Kapelle des Agios Fanourios ist unspektakulär, aber geöffnet. Sie liegt oberhalb eines Bachlaufes, der sogar noch Wasser führt. Der wenig gebräuchliche Heilige ist in Griechenland für verlorenen Gegenstände zuständig. Dann muss man ihm am 27. August einen Kuchen aus einer ungeraden Zahl von Zutaten - mindestens aber sieben - backen, die Fanouropita.
Interessant bei dem hiesigen Gotteshaus ist das benachbarte Klohäuschen. Ob es der Tatsache geschuldet ist, dass weit und breit kein Baum zu sehen ist? Und auch für die Wegbeleuchtung hat man sich mächtig ins Zeug gelegt. Wäre ja schlimm, man würde die Kapelle des Heiligen im Dunkeln nicht finden.
Wir setzen uns für eine kurze Rast in die Kapelle, die aus zwei Räumen besteht: der eigentlichen, winzigen Kapelle im Tonnengewölbe, und einem Nebenraum mit ummauerten Sitzbank. Draußen weht ein kühler Wind ordentlich und kämmt die grünen Wiesen. Fast zwei Wochen wird er mir ein unermüdlicher Begleiter sein und das Steigen der Temperaturen über 20 Grad nur selten zulassen. Nichts für Warmbader und Sonnenliegenlieger. Gut für Wanderer.
Unsere Schleife ziehen wir dann weiter Richtung Süden und besuchen eine weitere, neu aussehende Kapelle (40 Martyres?), die zu einem privaten Anwesen zu gehören scheint. In ihrer Weiß-Naturstein-Optik erinnert sie mich an die Kirche des Profitis Ilias (o Psilos) auf Sifnos. Niko spielt Verstecken unter Cornelias roter Jacke. Mich hat er offenbar schon ins Rudel aufgenommen.
Gut zwei Stunden waren wir gemütlich unterwegs. Wollen wir noch schnell runter ans Meer fahren? Der Strand von Vatses ist nicht weit, und auch wenn die Straße, die am Rande eines weiten Tales hinab führt, schlecht ist, fährt Gerhard sie mit der Routine eines alten Astypalioten. Wäre ich alleine, hätte ich wohl schon umgedreht. Und hier sollen selbstfahrende Busse verkehren? Ein guter Witz. Oder wie dieses ganze E-Mobilitäts-Projekt ein Fall von Greenwashing. War da nicht auch mal was mit der rauchfreien Insel Astypalea? Am Hafen habe ich noch eine entsprechende Inschrift gesehen. Das war 2018, aber hat sich auch nicht durchgesetzt. Seit wann lassen sich die Griechen das Rauchen verbieten? Und warum sollte das beim Autofahren anders sein?
Wir stellen das Auto am Pistenende ab. Die Bucht ist menschenleer. Ein paar große Tamarisken stehen am Rande des grauen Strandes, grober Sand, durchmischt mit wenigen Steinen. Der Wind staubt alles auf, da lassen wir die Badesachen im Auto.
Eine Strandbar ruht verpackt am westlichen Ende. Keine Saisoneröffnung in Sicht.
Aber man sitzt hier am Rande des Strandes schön windgeschützt (oder hat der Wind nachgelassen?), und die Sonne wärmt uns sogar. Ob wir doch ein Bad wagen sollen? Gerhard geht wagemutig und texilfrei voran (wozu die Sachen aus dem Auto holen?), und ich folge ihm. Das Wasser ist saukalt - mehr als 17 Grad dürfte es nicht haben. Noch nie haben ich an der südliche Ägäis am 1. Mai kälteres Meer gemessen. Das dürfte kein Badeurlaub werden. Aber den wollte ich ja eh nicht.
Schnell sind wir wieder trocken. Aber lange halten wir es dennoch nicht aus. Zeit für die Rückkehr nach Chora.
Und ich darf dann gleich das Haus von Cornelia und Gerhard ansehen, das direkt unterhalb der Kastro liegt. Gerhard fährt auf besagtem Schleichweg und über eine Treppe mit Fahrspuren bis fast dorthin, und ich bin angemessen beindruckt von seinen Fahrkünsten. Noch beeindruckter bin ich von dem Haus, das sich auf kleinem Grundriss mit steilen Treppen ausgeklügelt über mehrere Etagen in die Höhe reckt. Cornelia hatte es zu einem Zeitpunkt günstig gekauft, als viele Ureinwohner fanden, dass es nahe des Kastro spuken würde und dort nicht mehr wohnen wollten (auch weil die Häuser zu klein und verschachtelt sind und es an Infrastruktur fehlt). So kauften Ausländer sich peu à peu dort ein, und werteten das Viertel auf. Einen Laden oder eine Taverne gibt es dort aber immer noh nicht, nur die Kirche Panagia Portaïtissa. Aber mobil muss man sowieso sein, wenn man hier wohnt: griechische Alt-Siedlungen (der Ausdruck "Altstädte" verbietet sich) sind selten barrierefrei.
Zu Abend essen wir Mezedopolio "Salis" unten in Pera Gialos, nicht weit von meinem Quartier. Es wird von Kretern betrieben, die leckere kleinen Vorspeisen offerieren. Und auf den unausgesprochenen Wunsch von Gerhard erwärmen sie sogar den sonst kühlschrankkalten Rotwein.
Mein erste Astypalea-Tag klingt aus. Leider soll morgen das Wetter schlecht werden: Regen und Kühle sind angesagt. Schon heute am späteren Nachmittag hatte sich der Himmel staubschwer eingetrübt.
Mal sehen, wie es morgen kommt.
** drei VW-E-Busse ID.Buzz (nicht selbstfahrend) sind inzwischen (3.6.2022) auch da:
Für 60 Euro im Jahr sollen die Einheimischen damit fahren dürfen.
* Und hier ein Artikel aus dem Handelblatt Juni 2022:
Wie eine kleine griechische Insel zum Zukunftslabor von VW wird.