Abschied von Karpathos

 

Mit der Zeit und dem Urlaub, das ist ein Elend! Ehe wir uns versehen, ist die Woche Karpathos auch schon vorbei. Wir könnten ja noch bleiben bis Samstag, haben uns inzwischen mit der Wohnung in Olymbos arrangiert, bloß die Tante noch nicht so recht mit dem Notbett.

Aber Chalki lockt dann eben doch! Von Diafani hat man nur zwei Mal pro Woche eine Fähre nach Chalki, dienstags und samstags. Von Pigadia aus öfters, aber dann müssten wir erst mit dem Boot nach Pigadia (es fährt momentan wohl montags, dienstags und donnerstags um 8 Uhr vormittags ab Diafani und um 15 Uhr von Pigadia zurück) und in der Nacht weiter – das muss nicht sein.

 

Und wenn eine neue Insel lockt – da kribbelt es die Nissomanin!

Wir haben aber noch den ganzen Tag Zeit, denn die Fähre fährt erst um 18.30 Uhr. Und eine Stunde Verspätung geben wir ihr auch noch, mindestens. Erkundigen uns nach dem Bus am Nachmittag. Um 14 Uhr – das ist uns zu früh. Um 16.30 geht laut Plan noch einer. Ja, das könne sein, um 16 Uhr, so die Auskunft. Mhh.

So bummeln wir am Vormittag nochmals durch den Ort. Fragen unsere Wirtin, wo wir den Müll entsorgen können. Der (von der Toilette) stinkt inzwischen zum Himmel, und wurde von ihr leider nicht mitgenommen (Wie sie sich auch nicht einmal reinigenderweise in unserer Wohnung hat blicken lassen – sollen die drei Frauen das doch selbst machen. Selbst ist die Frau!) Einfach 2 Häuserecken weiter hinstellen, da wäre ein Sammelplatz.

 

Wie wir – zum xten Mal – an dem buntbemalten Haus vorbei - die Treppe zur Platia hinaufsteigen, ruft es von drinnen plötzlich „Katerina“. Es ist Michalis, der Lyraspieler aus Diafani, der hier etwas zu erledigen hat. Da trauen wir uns doch über die Schwelle des Hauses, und finden unsere Vermutung der letzten Tage bestätigt: das ist tatsächlich eine Galerie. Genauer: ein Museum. An den Wänden und auf dem Boden stehen Gemälde – keine moderne Kunst, sondern eher naive, volkskundliche Darstellungen. Aber sehr hübsch! Auch Bildtafeln des Delphinbrunnens von Diafani erkennen wir wieder. Außer Michali ist noch ein mittelalter, bärtiger Mann zugange – der Künstler? Ja, von ihm und seinem verstorbenen Vater Wasilis Hatziwasilis sind die Arbeiten, und das Haus soll ein Museum werden – daher wurden die Farben außen auch aufgefrischt, Möbel hergetragen, gewerkelt. Wir werden später – zu spät – noch erfahren, dass der Sohn und seine Brüder auch die Grundschule in Diafani angemalt haben, mit Motiven aus der antiken Mythologie und Sagenwelt. Die finden sich auch auf der Hausfassade hier: Androklos und der Löwe zum Beispiel.

Besonders gut gefallen mir vier kleine Bilder mit den vier Jahreszeiten: dargestellt ist jeweils eine Frau in der karpathiotischen Landschaft, zum Beispiel in Vourgounda. Die Frau wird in verschiedenen Lebensaltern dargestellt, im Frühling als junges Mädchen, im Winter als alte Frau.

 

Als wir dann an der Platia ankommen, ist die Kirche endlich geöffnet. Außer zum Gottesdienst am Sonntag habe ich sie immer geschlossen vorgefunden. Eine schöne Kirche, aus dem 15. Jahrhundert, prächtig ausgestattet, schöne Ikonen. Die Kirche, mit Patina und Ruß, hat Ausstrahlung. 

Noch einmal zu den Windmühlen hinüber, immer wieder ein gutes Fotomotiv.

 

Später, in der „Hauptstraße“ finden wir endlich den Schuster. Der alte Schuster ist schon vor einigen Jahren gestorben, aber es gibt wieder einen jungen Schuhmacher, der die traditionellen Stiefel anfertigt. Der tut mir auch noch den Gefallen, mir alles auf Griechisch zu erklären, und, was noch besser ist, ich verstehe ihn gut. Über 200 Euro kostet so ein Paar typisch karpathiotischer Stiefel, aber mit lebenslanger Garantie, da kann man nix sagen (nur, dass ich im Garantiefall immer nach Olymbos müsste, aber ist irgendwie auch schön wenn man einen konkreten Anlass dazu hat). Ob die auch einem deutschen Winter gewachsen sind?

 

Am Mittag packen wir unsere Sachen, schleppen die Trolleys zur Bushaltestelle am Ortseingang. Dort wurde inzwischen schon begonnen, die Straße mit Schieferplatten zu pflastern – eine Tätigkeit, der Spezialisten und nicht der multikulturelle Bautrupp nachgehen. Es ist etwa halb vier Uhr am Nachmittag – und kein Bus in Sicht. Ein älterer Herr sagt uns, der Bus wäre gerade weg. Oh je, aber wir haben ja genug Zeit und können auf den nächsten warten. Der Herr wartet offensichtlich auch. Es wird 16 Uhr, und 16.30 Uhr – aber kein Bus! Stattdessen können wir die Müllabfuhr beobachten – ein Mann hat sein Pferd unten im Tal geholt und im Ort den Müll eingesammelt – wir erkennen unsere Mülltüte wieder. Er zieht die Straße entlang, verschwindet und taucht nach 10 Minuten wieder auf, ohne Müll. Ist die Müllkippe so nah, oder ist das nur die Nahentsorgung? Vermutlich…

 

Das wird wohl nichts mehr mit dem Bus heute. Dabei warten der ältere Mann und seine Frau doch auch auf etwas, so ausdauernd wie wir. Ich gehe in den Mini-Markt gegenüber, frage nach dem Bus. Nein, der würde wohl nicht kommen. Den Grund verstehe ich nicht L Wie wir dann nach Diafani kommen würden? Mit dem Taxi, aber der eine Fahrer sei in Pigadia, und der andere auf Rhodos, seine Frau bekommt ein Kind. Kein Taxi also. Wenn wir nicht in Olymbos bleiben wollen (und das wollen wir nun, da alles gepackt ist, nicht), müssen wir uns eine private Fahrgelegenheit organisieren. Nachmittags um 17 Uhr. Nahe der Bushaltestelle liegt die Taverne „Michalis“ und dort frage ich gleich die Wirtin Sofia, ob sie eine Idee hat wie wir hinunter nach Diafani kommen könnten. Sie hat eine – sie fragt ihren Mann. Und der hat nichts besseres zu tun, ist bereit, uns zu fahren. Wir könnten ihn und sie abknuddeln! Er hat einen ziemlich großen, ziemlich schwarzen und ziemlich neuen Wagen, mit Ladefläche und 4 Sitzplätzen, wie für uns gemacht. Flugs ist aufgeladen, eingestiegen, und ab die Post. Ein Schwätzer ist er auch nicht, schweigend geht es talwärts. Auf halbem Weg kommt uns doch tatsächlich der Bus entgegen!! Egal, was soll’s. Wir sehen ihn aber nicht wieder in Diafani ankommen, später.

Nach zwei Drittel der Strecke nimmt unser Chauffeur noch zwei Männer mit, die haben am Straßenrand gewartet. Auch auf den Bus? Mangels Platz im Auto sitzen sie auf die Ladefläche.

Sofias Mann (Michalis?) bringt uns gleich ganz vor zum Anleger, wo wir unser Gepäck ausladen und hinstellen. Dann fährt er uns wieder zurück zum Ort. Wir bedanken uns und fragen, was wir ihm schuldig sind, er antwortet, wir könnten zahlen was wir wollten. Mit 10 Euro ist er zufrieden, und wir auch.

Puhh, wir sind unten, haben noch eine knappe Stunde Zeit bis zur Abfahrt der Fähre, wollen etwas essen, und brauchen die Tickets. Ob die Fähre pünktlich ist? Im Kafenion sitzt Nikos, er ruft dann auch gleich den Kapitän auf der Fähre „V. Kornaros“ an und erfährt, dass die gerade erst in Pigadia angekommen ist und entladen muss – wir haben noch Zeit. Essen im „Chrissi Akti“ nochmals Makkarounes zum Abschied, dazwischen kaufe ich im benachbarten Büro von Nikos die Tickets nach Chalki, Euro 9,30 pro Person.

Ob wir eine Unterkunft hätten auf Chalki, fragt Nikos. Haben wir, gestern telefonisch bestellt bei Zifos Travel, einem Reisebüro auf Chalki. Eine Villa, für 60 Euro die Nacht, wir sind sehr gespannt! Nikos arbeitet mit Zifos zusammen, er hätte uns auch dorthin geschickt.

 

Nach dem Essen wollen wir noch einen Ouzo für die Fahrt einkaufen, aber Nikos lädt uns zu einem Ouzo (ein halbes Wasserglas voll, nicht diese Miniteile, die es in Deutschland gibt) ins Kafenio ein, nachdem er nochmals den Kapitän der Fähre kontaktet hat. Wir sitzen, zunehmend beschwingt, als noch das nette Schweizer Paar eintrifft. Wir plaudern – sie waren auf Chalki vor mehreren Jahrzehnten, wollen dort vielleicht mal wieder vorbeischauen. Dann kommt noch der Schuster von Olymbos, heute Vormittag erst kennengelernt, lädt er uns nun auch noch zum Ouzo ein – zum Glück bilden die Makkarounes eine gute Basis! Wir sitzen und schwätzen in der beginnenden Dämmerung, Englisch, Deutsch, Griechisch, vergessen die Zeit, da kommt die Fähre um die Ecke. Hoppla, sie hat eine gute Stunde Verspätung, aber nun ist sie da. Und wie schnell! Grigora, grigora, wir müssen doch noch vor zum Anleger, der Weg ist weit! Was, zu Fuß, nein, Nikos lädt uns in sein Auto ein, ohne ihn kann die Fähre nicht weg, denn er hat noch einen Laib Brot für den Kapitän. Erst aber von den netten Leuten verabschieden, dann in das Auto.

Vorne angekommen geht alles schnell, die Fähre legt an, wir verabschieden uns von Nikos und dem Schuster, auch das alte Ehepaar ist da, das mit uns oben in Olymbos auf den Bus gewartet hat, wie sie heruntergekommen sind? Das Gepäck abgeben, hinauf aufs Deck, die Fähre hat schon wieder abgelegt, hier geht es so schnell.

 

Wir winken noch hinein ins Dämmerdunkel, die Menschen werden rasch kleiner, der Anleger leert sich.

Ich werde wiederkommen, das weiß ich. Ganz sicher.

Im ersten Anlauf hat mir Karpathos’ Norden gefallen.

Im zweiten hat er mein Herz getroffen.