Tilos zu Fuß

Für den Sonntag haben wir uns wenig vorgenommen. Der Wind hat nachgelassen, und Michalis, unser Wirt, meinte, es würde jetzt wieder deutlich wärmer und windstiller werden (und bleiben).

Früh um halb acht ist die Katamaranfähre „Sea Star“ nach Rhodos abgedampft, einige Leute sind an Bord gegangen, Zimmer sind frei geworden. Auch in unserem Haus.

Gegen elf Uhr kommt die „Diagoras“ auf ihrem Weg von Piräus via Astypalea, Kalymnos, Kos und Nisyros nach Rhodos hier vorbei. Und mit ihr soll Theo kommen. Eine echte Premiere für uns: beide gleichzeitig auf derselben griechischen Insel, und das nicht nur für eine, zwei Stunden, sondern für zwei Tage. Allerdings musste der Ärmste nachts um halb vier in Astypalea auf das Schiff und kommt nach schlafloser Nacht entsprechend verwettert an.

Ich mache den Fehler, ihn an unseren Wirt Michalis zu empfehlen, in dem Irrglauben, dass der Zimmerpreis vor Ort günstiger wäre als bei vorheriger Anfrage. Er ist es nicht – 40 Euro die Nacht für das Einzelzimmer, wie vorher angefragt. Dafür kriegt er das Zimmer mit dem großen Balkon, was aber auch nicht auf Gegenliebe stößt. Ok, war ne blöde Idee. Man lernt immer dazu.

 

Ein Kaffee reicht nicht damit Theo seine Lebensgeister zurückgewinnt, so gehen wir auf eine Kleinigkeit ins „Omonia“. Gefällt ihm auch nicht so, wobei sich die Notwendigkeit, zu Keftedes noch Dosengemüse zu servieren, auch mir nicht so recht erschließt. Immerhin schmecken die Fleischbällchen aber gut, und sind auch umfangreicher als auf Rhodos. Theo soll erst mal eine Mütze Schlaf nehmen, dann sehen die Welt und Tilos wieder freundlicher aus. Wir verabreden uns zum Abendessen.

Und die Mutter und ich nehmen um 16 Uhr den Bus Richtung Megalo Chorio. Wobei wir schon auf halber Strecke bei Mikro Chorio aussteigen wollen um das verlassene „kleine Dorf“ zu besichtigen. Der Busfahrer lässt uns auf Rückfrage nicht an der Abzweigung der Straße, sondern erst etwas weiter vorne hinaus, dort wo ein Wegweiser den Fußweg zum Mikro Chorio anzeigt. Ein breites, schön angelegtes Monopati führt fünf-, sechshundert Meter hinauf bis zum Rand des Ruinendorfes. Bis in die sechziger Jahre war das letzte der Häuser bewohnt, schnell hat der Verfall eingesetzt.

 

Außer uns huschen nur misstrauische Ziegen durch die Gemäuer, allzeit fluchtbereit – das kennen wir vom letzten Besuch. Hier hat sich nichts geändert. Ein Hauch Dornröschenschloss. Die Ansammlung verschiedener Schornsteinformen gefällt uns, die winkenden Meerzwiebeln, die Ruhe, allenfalls vom Krächzen der Chukarhühner unterbrochen. Terebinthen und Steineichen überschatten die Ruinen. Wir gehen ziellos durch die Gassen, übersteigen Steinhaufen, blicken auf die umliegenden, nicht mehr bewirtschafteten Felderterrassen. Nähern uns der Hauptkirche, die als eines von wenigen Gebäuden gut erhalten, geweißelt und ziegelgedeckt ist. Leider ist der Hof abgeschlossen, der Schlüssel nicht auffindbar. Da bleibt nur ein Blick über die Mauer in den Hof mit floral-beschwingtem Kieselsteinmosaik.

Nach Westen hin schließt ein turmähnliches Gemäuer das Dorf zu einem Steilabfall hin ab. Ich suche mir den Weg dorthin durch und blicke auf die Umgebung. Immer noch diese Ruhe, dieses Verwunschene, das schräge Licht des Nachmittags. Nein, es hat hier nicht Morbides im „Kleinen Dorf“. Und tatsächlich werden erste Häuser wieder aufgebaut: vorne am Parkplatz, wo die Bestuhlung auf den Terrassen darauf hindeutet dass hier nächtens in der Bar/Disco doch immer noch etwas los sein könnte, gibt es auch ein oder zwei neue Häuser. Sicher nur Ferienwohnsitze, aber ein Anfang. Wer die Natur liebt kann hier Habichtsadler und Steinhühner beobachten. Wir haben Glück und sehen welche.

 

Wenn wir etwas früher am Tag dran wären, würden wir nun über Agios Ioannis zum Lethra-Strand gehen und von dort die Küste entlang nach Livadia wandern. Aber es ist schon fast 18 Uhr, und so nehmen wir den direkten Weg nach Livadia hinab. Das heißt: die Abzweigung zum direkten Fußweg im Ruinendorf verpassen wir und nehmen deshalb die Schotterpiste bergab, von der kurz darauf gut bezeichnet der Wanderweg abzweigt. Ja, man hat hier wirklich etwas für wanderfreudige Touristen getan, erfreulich!

Zweihundert Meter weiter überquert der Fußweg die Hauptstraße und führt direkt und die weiten Kurven der Straße abkürzend hinab nach Livadia. Eine gute halbe Stunde brauchen wir für den ganzen Weg.

Noch vor dem Ortseingang von Livadia nehmen wir die nach links abzweigende Straße zum Ilidi-Rock-Hotel, die oberhalb des Ortes an den Seva’s Studios und den Giannis-Marina-Studios und auch vor unserer Pension vorbeiführt. Livadia liegt schon im Schatten, nur die Berge im Osten der Bucht sind noch von der Sonne bestrahlt. Im Hafen sind zahlreiche Anlegerplätze belegt, ein knappes Dutzend weiterer Segelyachten ankert in der Bucht. Ja, heute ist Flaute, das Meer liegt träge grau-braun, da ist der Motor gefragt. Und die „Sea Star“ bringt eine halbe Stunde später weitere Gäste von Rhodos. Der Fahrplan ist für den Quartierwechsel der Pauschalreisenden, die sonntags per Flieger nach Rhodos an- und abreisen, sehr praktisch eingerichtet.

Theo hat inzwischen ausgeschlafen, zu dritt begeben wir uns gegen acht Uhr auf Restaurantsuche. Bei „Sofia“ ist alles belegt oder reserviert, aber im weiter östlich gelegenen „To Armenon“ bekommen wir noch einen freien Tisch – den letzten. Einheimische Gäste sucht man auch hier vergebens, aber das Essen zu normalen Preisen schmeckt sehr gut. Fava, Revithokeftedakia, Schwein überbacken aus dem Tontopf, Fischsuppe für Theo. Danach brauchen Theo und ich noch was zur Verdauung – in der Bar an der Platia bekommen wir zwar keinen Tzipurro, aber immerhin Ouzo. Der coole Machotyp von vor acht Jahren ist immer noch der Chef, aber die Jahre sind auch an ihm nicht spurlos vorübergegangen – grau ist er geworden, und fülliger. Er strahlt aber immer noch diese Ruhe aus, und seinen bezwingenden Blick hat er auch nicht verloren.

Irgendwann vor Mitternacht will er seinen Laden aber auch schließen. Morgen ist ja auch noch ein Tag. Ob wir die Wanderung von Agios Panteleimonas nach Eristos machen sollen?

 

*

 

Montag früh – das Wetter ist immer noch bestens bis sehr warm, wer hätte es gedacht... Im Hafen liegt die „Harmony G.“, ein kleines (53 Meter langes) Kreuzfahrtschiff mit Platz für 46 Passagiere (Wir werden auf Kos noch die dreimal so lange Privatyacht „Eclipse“ von Roman Abramowitsch sehen – alles ist relativ). Selbst auf Tilos ist kein Entkommen vor Kreuzfahrern. Ein Bus steht bereit für einen Ausflug (die werden doch nicht zum Kloster wollen?) Aber an Bord schläft man noch, oder frühstückt allenfalls – niemand auf Deck zu sehen.

 

Ich telefoniere mit A. und C. – sie haben für dreiviertel zehn ein Taxi zum Plaka-Strand bestellt und würden es mit uns teilen. Plaka liegt ja am Weg zum Panteleimonas-Kloster. Ich scheuche Theo hoch (die Mutter bleibt zuhause – die Tour nach Eristos ist definitiv nichts für sie) und kurz nach dreiviertel zehn sind wir an den Seva’s Studios von C. und A. Das Taxi fehlt noch, es erscheint erst nach einem Telefonat weil der Fahrer dachte, er wäre auf Viertel nach zehn bestellt. A. erklärt unsere Wünsche und wir fahren los. A. und C. steigen am Plaka-Strand aus und fragen was es kostet. Sie bezahlen 15 Euro, und wir fahren weiter zum Kloster, wo Theo und ich mit 17 Euro zur Kasse gebeten werden. Dafür gibt es auch (unverlangt) eine schöne, halbmeterlange (unverständliche) Quittung (über die 15 Euro gab es übrigens keine….). Und bei uns das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben. Oder hätten A. und C. nicht bezahlen sollen? Wir werden es nie erfahren, und uns später alle irgendwie ärgern. Taxifahren in Griechenland – immer noch ein Mysterium.*

Vor dem Kloster ist heute ein junger Mann, der an einem Tisch Honig verkauft. Da haben sich wohl Besucher vom Kreuzfahrtschiff angesagt, wir werden den Bus später fahren sehen. Theo und ich sehen uns das Kloster an, das ich ja schon kenne. In der Kirche sind Brote aufgebaut, Artos. Gibt es einen Gottesdienst für die Kreuzfahrer, oder ist sonst ein Anlass? Von der oberen Klostermauer sehen wir uns dann den Weg nach Eristos an, den wir eigentlich nehmen wollten. Wie schon vor zwei Tagen sieht er nicht wirklich vertrauenserweckend aus: man sieht den Weg kaum, er geht erst mal 200 Meter rauf, und gestern hat A. dort Leute gesehen, die sich auf ihm ziemlich entlanggetastet haben. Wollen wir uns das wirklich antun?

 

Ein Beratungskaffee wäre gut, aber das Kafenion ist geschlossen. Der Papas ist vor der Kirche, er spricht überraschenderweise gut Deutsch da er lange in Köln gelebt hat (da gibt es auch eine Kirche Agios Panteleimonas, fällt mir da ein). Als er auf unsere Frage nach dem Wanderweg eine Gehzeit von vier Stunden (für laut Wegweiser 5,7 Kilometer) prognostiziert (und wir sollten sehr vorsichtig sein), ist unsere Lust vollends vergangen.

Dann nehmen wir eben den Wanderweg nach Agios Antonios, der ist auch sehr nett, und ich kenne die Tour nur auf der Straße (das ist länger, und weiter unten. Dafür kommt man auf der Straße am Plaka-Strand vorbei und auf dem Weg nicht, aber Baden muss heute nicht unbedingt sein).

Auf der Straße muss man nur wenige Meter gehen, dann zweigt der Weg rechts ab. Laut der Beschilderung am Ende des Weges bei der Kamariani-Kapelle sind es 2,8 Kilometer, reine Gehzeit ohne Stopp eine Stunde fünfzehn Minuten (in der Gegenrichtung, da geht es mehr bergauf).

Wir lassen uns aber richtig Zeit, weil der gepflegte Weg total schön ist und wunderbare Aussichten auf die Küste, das blaue Meer und nach Nisyros hinüber offeriert. Das schöne Dorf Nikia dort ist gut zu sehen – keinenfalls aber Mandraki oder Emborio wie im Fettnäpfchenführer Griechenland erwähnt. (Sonst aber ein sehr empfehlenswertes Buch! Und hätte ich nicht vorher darin das Kapitel über das Taxifahren gelesen, das - welch Zufall! - auf Tilos spielt - ich hätte vermutlich mit dem Fahrer herumgestritten... :-( )

Sogar Bänke für eine Rast hat man an einigen Stellen installiert, und dass die Wegweiser wegen Unleserlichkeit inzwischen individuell beschriftet sind tut der Sache auch keinen Abbruch – Verirren ist unmöglich.

Schade, dass die Mutter nicht dabei ist, der Weg hätte ihr auch gefallen!

Irgendwann kommen wir zu der mit „Paradisi“ bezeichneten grünen Oase – einem baumbestandene Abschnitt mit einem Brunnen und einer schattigen Holzbank. Ein Dutzend Ziegen lungert herum, aus gutem Grund: sie haben Durst. Ich probiere ob aus dem niedrig angebrachten Wasserhahn Wasser kommt, und es kommt. Und schmeckt gut. Ich fülle das Becken bis zum Ablauf – da geht nur wenig rein. Ein Stück zurück muss ich schon: die Ziegen sind ausgesprochen misstrauisch, fliehen bei jeder schnellen Bewegung. Wieso eigentlich? Ich überlege ob die verwilderten Tiere hier – angesichts des Jagdverbotes auf Wildtiere – möglicherweise geschossen werden um sie überhaupt zu nutzen. Denn melken lassen sie sich sicher nicht….

Bis es sich bei allen Ziegen herumgesprochen hat, dass da jemand für Wassernachschub sorgt muss ich das kleine Becken mehrmals nachfüllen, die zögernden Tiere stehen vorsichtig Schlange, müssen zum Saufen aber in die Kniebeuge (oder eher die Ellenbogenbeuge?). Bevor der Ziegenbestand der ganzen Insel hier zusammenläuft gehen wir lieber weiter.

Bis zur Kapelle (oder sogar Kloster?) Panagia Kamariani, wo der Wanderweg auf die Straße trifft, ist es nun nicht mehr weit. Eine großzügige und schattige Gartenanlage mit einer sehr kleinen und nicht alt wirkenden Kapelle darin. Niemand ist da außer einer Katzenschar, mit der ich mein Vesper teile (wir kriegen ja hoffentlich bald in Agios Antonis etwas besseres zu essen). Schön hier zu sitzen! Tilos ist doch auch schön sowie man Livadia mit seiner Geschäftstüchtigkeit hinter sich lässt.

(Wie Theo die Wanderung erlebt hat kann man übrigens hier nachlesen.)

 

Als wir in Agios Antonios in der Taverne Delphini eintrudeln sitzen A. und C. schon dort. Der Plaka-Strand war nicht ganz so schön wie vom Reiseführer vorgeschwärmt, aber wir sind jetzt zufrieden. Im Schatten der Bäume und direkt am Hafen sitzt es sich schön, und die Bedienung preist den Oktopus-Salat als frisch und gut. Das ist er tatsächlich, allerdings mit neun Euro nicht ganz preiswert. Überrascht mich jetzt nicht wirklich mehr. Vom Nachbartisch kommen plötzlich M. und S., die wir im Vorjahr auf Sikinos getroffen haben. Wir sind uns einig: gegen Sikinos hat Tilos schlechte Karten. Aber ich empfehle den Beiden trotzdem, sich Mikro Chorio und das Kloster Panteleimonas anzusehen, das sind Plätze mit Ausstrahlung (wenn nicht gerade eine Busladung Kreuzfahrer sich dort herumtreiben).

 

Wir lassen den nächsten Bus noch aus, und sind dann irgendwann alleine in der Taverne. Noch ein Ouzo zur Verdauung. Das Meer ist heute ganz ruhig, kein Vergleich zu vorgestern. Der Strand westlich des Ortes ist dennoch sehr unattraktiv und felsig.

Gegen Viertel nach vier sollte eigentlich der Bus kommen. Tatsächlich wird es dreiviertel fünf bis er da ist. Wie gestern ist er vermutlich erst mit Verspätung in Livadia abgefahren (da wartete er noch gut fünfzehn Minuten auf zwei Mädels vom Ilidi-Rock-Hotel). Über den Inselbus von Tilos hat übrigens die Filmemacherin Sibylle Meder 2011 eine Dokumentation gedreht, Näheres dazu hier: http://islandbus.wordpress.com/ Vielleicht mal im Fernsehen zu sehen?

 

Der Bus fährt über Eristos und wird dort ziemlich voll. Durch die Bäume sehe ich ein merkwürdiges Schiff in der Bucht, wie ein zu heiß gewaschener und deshalb eingelaufener Dampfer. Es ist die auf den Cayman-Inseln registrierte „Hasabi II“, die wir später in Livadia ankern sehen werden.

Beim Zwischenhalt in Megalo Chorio sehen wir den Papas vom Kloster Panteleimonas wieder. Demnach gelten dort doch schon die Winteröffnungszeiten (geöffnet am Nachmittag bis 16 Uhr), denn sonst müsste er noch bis 19 Uhr dort sein.

 

Die Mutter hat den Tag in Livadia auch schön verbracht, mit einem Spaziergang entlang der Küste Richtung Lethra-Strand.

In der Bucht und im Hafen unter uns herrscht jetzt Hochbetrieb, im Hafen liegt man zweireihig, und viele Boote ankern in der Bucht. Ich zähle etwa 40 Segelyachten, später noch die „Hasabi II“, immerhin hundert Meter lang und anscheinend ein Kreuzfahrtschiff. Sie muss aber weit draußen ankern. Dann kommt auch noch die „Diagoras“, sie bringt aber – von Rhodos kommend – nicht so viele Leute mit.

Es ist unser Abschiedsabend auf Tilos. Morgen wollen wir nach Lipsi weiter. Die Fährverbindungen sind in dieser Jahreszeit nicht mehr so üppig, wir könnten noch bis Donnerstag bleiben, haben aber nicht so richtig Lust. Auch A. und C. werden morgen nach Rhodos zurückfahren, nur Theo muss noch zwei Tage bleiben (der Arme ;-) ). So verabreden wir uns alle um halb acht Uhr an der Platia. Ich wäre gerne ins „Faros“, aber das ist den Anderen zu weit.

Im „Omonia“ ist es voll, dito bei „Irina“. Bei „Sofia“ hat es zwar noch freie Tische, aber die sind alle reserviert, und die Reservierungen sind ernstgemeint. Im „Armenon“ sieht es nicht besser aus, dabei ist das kein kleines Lokal. Was ist hier denn los? Es ist ein ganz normaler Montagabend am 24. September – Nachsaison und tote Hose auf so ziemlich allen griechischen Inseln die ich kenne. Und überall liest und hört man von der Krise, die sich auch im Tourismus niederschlagen würde. Hier findet sie definitiv nicht statt!

 

Wir kriegen dann einen (den letzten) freien Tisch im „Michalis“ in zweiter Reihe der Uferpromenade. A. und C. waren da vor ein paar Tagen schon essen, das war ok, und es gab nette Inselmusik von CD. Die Kellner sprechen zwar eher Russisch als Griechisch, aber Griechisch braucht man hier auch nicht wirklich. Das Essen ist sehr gut, alle sind zufrieden, und die Preise sind absolut im griechischen Preisrahmen. Bloß die Musik fehlt heute, was A. irgendwann beim Wirt moniert. Der steht da wie der Kapo und achtet darauf, dass die Kellner zügig funktionieren. Dem Musikwunsch kommt er aber umgehend nach. Am Eingang der Tavernenterrasse ist ein Tisch, an dem die Frauen aus den umliegenden Geschäften sitzen (dort ist jetzt nichts los, alle potentiellen Kunden sind ja gerade beim Essen). Als entsprechende Musik erklingt fangen sie an, durch das Lokal zu tanzen. Erst etwas, das ich nicht kenne (Inseltypisches sicher), klingt nach Sousta. Dann auch panhellenisches: Kalamatianos, Chassaposervikos. Da tanz ich doch mit! Und ein paar der anderen Gäste (überwiegend weibliche) auch. Schmerzhafte Schulterfassung durch Newbies, aua! Ein Einheimischer kommt auf seinem Fahrrad vorbei, sieht die Tanzenden – zack, steht das Fahrrad samt einem Sixpack Wasserflaschen am Rande und er führt den Reigen an. Sogar der Wirt macht jetzt mit, fast huscht ein Lächeln über sein Gesicht.

 

Nun wieder eine Sousta, die trau ich mir jetzt auch zu, ist gar nicht so schwer. Oopa! Danach kommt ein Pentozali (ein schneller Tanz von Kreta), auch nicht schlecht. Bloß stehe ich plötzlich alleine da, der Wirt versucht sich zwar daran, gibt aber schnell auf. Zum Glück springt aber eine der einheimischen Frauen auf, und zu zweit tanzen wir einen endlosen Pentozali durch das Lokal. Schweißtreibend, aber vorher aufgeben gilt nicht! Nach einer gefühlten Ewigkeit ist die Musik zu Ende. Lob von der Mittänzerin, aber ich brauche erst mal ne Pause. Es geht aber noch eine Weile weiter mit den Tänzen, jetzt auch Zeibekiko, den einer der Kellner ausgezeichnet beherrscht. Lange darf er sich aber nicht frei nehmen von seinem Dienst, sonst gibt es böse Blicke vom Chef. Und die Frauen von einem der Tische tanzen auch nicht schlecht. Keine Griechinnen, vielleicht Türkinnen, oder Israelinnen.

Der Tanz lockt tatsächlich noch späte Gäste an, nach zehn Uhr sind Tische frei geworden. Und A. fängt dann irgendwann noch an zu griechische Volkslieder zu singen (gegen die Musik vom Band), ja ja, der leichte Sommerwein hat es in sich… ;-)

 

Wir sind die letzten Gäste, die gegen Mitternacht das Lokal verlassen. Der Wirt macht schnell die Lichter aus und entlässt die letzten ausharrenden Kellner bevor wir es uns womöglich anders überlegen und umkehren. Schade, dass er vor allem sein Geschäftssinn und weniger gastfreundliche Herzlichkeit ist, die ihn antreibt. Und man das auch merkt. Aber ein schöner Abend war es trotzdem, der mich etwas mit Tilos versöhnt.

Trotzdem: morgen reisen wir ab!

 

* Ergänzung Februar 2013:

laut www.tilos-greece hat der einzige Taxifahrer von Tilos seinen Dienst eingestellt weil er sich nicht mehr gelohnt hat. Das ist blöd!

(Hat das doppelte Kassieren auch nix geholfen...)