Grüne Täler - prassina Kythira

Mit Märkten haben wir in Griechenland keine Erfahrung - ich kann mich an keinen Wochenmarkt auf einer griechischen Insel erinnern. Wir haben so Vorstellungen von Südfrankreich: Apt, Barcelonnette, Aups. Ganz so groß wird der von Potamos wohl kaum sein, aber unsere Erwartungen sind gewaltig.  Nach dem Frühstück bei bestem Wetter auf der Balkonterrasse (wir brauchen schon gegen die morgendliche Sonne den Schirm) fahren wir los, wieder die Hauptverkehrsachse gen Norden. 25 Kilometer sind es von Chora nach Potamos, dem zweitgrößten Ort auf Kythira. Der Ortseingang ist zugeparkt, wir fahren weiter rein und vertrauen einem Parkplatzhinweisschild, das uns im Ort nach rechts lenkt. Mit etwas Glück finden wir dort einen freien Parkplatz – wirklich südfranzösische Marktverhältnisse! Nun zur Platia, wo der Markt beginnt.

Und, ähm, auch wieder aufhört.

Er besteht nämlich nur aus 15 bis 20 kleinen Ständen. Die meisten der sich auf dem Platz befindlichen Menschen (und das sind viele!) halten sich in den angrenzenden Tavernen bei einem Kafedaki oder einer Limo auf. Der Markt ist in erster Linie ein Anlass zum sich treffen, schwätzen, sehen und gesehen zu werden. Eine echte Agora also.

An den Ständen wird in kleinen Mengen verkauft was der Garten und die Felder so hergeben: Honig (der Honig von Kythira gilt als der beste Griechenlands…), Wein in Plastikflaschen, Essig, Öl, Oliven, Pistazien, Käse, Marmelade, Gebäck (wir erstehen eine Dose mit einer Art Schneckennudeln, lecker!), Sträuße, gebunden aus den kleinen gelben Trockenblumen (Immortellen), Trauben, Melonen, Kräuter. An einem Stand werden Musik-CDs verkauft, leider nicht mit typischer Musik von Kythira, die hätte mich interessiert (Klingt sie mehr nach ionischen Inseln? Nach Peloponnes? Nach Kreta? Oder ganz eigen?). Daneben schöner und preiswerter Schmuck – es ist Schlussverkauf. Eine Frau verkauft selbstgemachten Schmuck aus Kieselsteinen von Kythira – das Einfache ist oft besonders schön!

Nachdem wir uns mit Vorräten für die nächsten Tage eingedeckt haben und auch in der benachbarten Bäckerei Brot und Koulourakia gekauft haben, lassen wir uns in einer Taverne nieder und beobachten das Markttreiben. Es scheint doch mehr Touristen auf der Insel zu haben als zuerst gedacht. Holländer vor allem, wie wir im Laufe des Tages noch merken werden. Komisch, warum ist Kythira gerade bei Holländern bekannt und beliebt? Die Wege des Tourismus sind unergründlich….

Vor uns unterhält sich ein sympathisch zerzauster Pappás mit einem der Händler, hinter uns diskutieren die Männer eher entspannt, am Nachbartisch eine Familie mit Kleinkind und größerem Mädchen mit ungewohntem Kurzhaarschnitt in einem weißen, engelsähnlichen Kleid – war eine Taufe? Wie lange der Markt noch geht – keine Ahnung. Wir verlassen Potamos schließlich auf der Straße nach Norden, wollen zum nördlichen Kap und eventuell zum Leuchtturm am Kap Spathi. Außerdem nach Platia Ammos, zum Baden.

 

Am Straßenrand liegt eine größere und schönere der zahlreichen Kapellen, wir halten an, sie ist leider zu. Wir sehen uns den danebenliegenden Friedhof an: auf Kythira kann man alt werden, ein Grab weist das Alter einer Verstorbenen mit 107 Jahren aus! Was sie wohl erlebt hat in so langer Zeit?

Weiter geht die Fahrt nach Karavas. Es ist schön grün hier, wieder mehr Provence-Gefühle als griechische, und die Kirche von Karavas lässt irgendwie an die Toskana denken. Hinter Karavas dann links ein Schild, das auf die Quellen von Amir Ali und Portokalias hinweist. Erneuter Halt, Auto im Schatten parken und links die schmale Straße hinunter in ein grünes Tal in dessen Grund eine steinerne Brücke ein Flüsschen überquert. Am anderen Flussufer hat es eine, nein, sogar zwei grünüberwachsene Cafés, und rechts unter einem Dach einen steinernen Löwenkopf, der Wasser speit – die Quelle von Amir Ali. Das Wasser ist kühl und schmeckt gut, leider haben wir keine Wasserflasche dabei.

Entlang des Flusses und auch mal darüber führt ein Weg abwärts in wenigen Minuten zur Portokalia-Quelle – es ist so schön schattig hier unter dem Blätterdach, das Wasser spiegelt den blauen Himmel wieder, und Libellen tanzen am Ufer. Reste eines Gebäudes links – bestimmt eine Mühle. Auch die Orangen-Quelle sprudelt aus einem Löwenkopf, vielmehr darunter heraus. Hier kann man es bestimmt auch im Hochsommer aushalten.

Wieder auf dem gleichen Weg zurück. Schade eigentlich, dass wir noch nicht hungrig und schon gar nicht durstig sind, sonst könnten wir im Café Amir Ali einkehren. So fahren wir weiter nach Platia Ammos. Warum der MM-Führer den Strand dort als „nicht besonders attraktiv“ einstuft können wir nicht nachvollziehen: er ist breit und feinkiesig mit Sand, nur wenige Leute sind dort. Allerdings hat er kaum Schatten und er ist gut warm, um nicht zu sagen: heiß! Zum Glück habe ich nach den Seeigelerfahrungen vom Frühjahr in diesem Urlaub auf die Badeschuhe nicht verzichtet und kann gemütlich ist lauwarme Wasser steigen. Das Meer ist so warm wie ich es noch nie erlebt hab – das Badethermometer zeigt 28°C! Da traut sich doch glatt auch die Mutter rein.

 

Jenseits des Meeres ist die Peloponnes recht nah, und die vorgelagerte Insel Elafonissos noch näher, zehn Kilometer vielleicht. Durchgeknalltere Inselsammler als wir würden für eine Stunde auf Elafonisos bestimmt einen Tag Kythira opfern, wir haben keine Lust dazu, Qualität geht uns vor Quantität. Außerdem ist es mit der Fähre unmöglich, und das Glasbodenboot fährt in der Nachsaison selten (Sonntags - da sind wir lieber auf dem Markt) und ist teuer (35 Euro pro Person habe ich irgendwo gelesen).

Ein großes Passagierschiff fährt vorbei, ein Kreuzfahrer vermutlich, denn nur sehr wenige Fährrouten verlaufen hier.

 

Im Schatten einer Mini-Tamariske essen wir von unseren eingekauften Vorräten. Der Käse hat durch die Wärme im Auto allerdings einen eher flüssigen Aggregatszustand angenommen, und der Weißwein ist auch nicht richtig temperiert. Schmecken tut es uns trotzdem. Noch ein wenig abliegen, aber Vorsicht: die Sonne sind wir nach dem mäßigen Sommer in Deutschland nicht mehr gewohnt.

 

In der Skaï-Karte sind alle Straßen eingezeichnet, und auch ob sie asphaltiert sind oder nicht. Die Straße von Platia Ammos  zum Leuchtturm ist weiß eingezeichnet, was als „befahrbarer Feldweg“ gedeutet werden darf. Wir werden das mal ausprobieren, allerdings ohne unsere fehlende Vollkaskoversicherung aus den Augen zu verlieren. Nach 100 Metern sind wir belehrt: nicht ohne mehr Bodenfreiheit, Unterbodenschutz und Allradantrieb. Natürlich könnten wir auch zu Fuß zum Leuchtturm, es werden drei, vier Kilometer sein. Bloß Auto fahren macht bequem und faul, und es ist schon etwas spät. Zu warm sowieso.

An der Küste entlang beginnt ein Weg, der aber laut Karte nach wenigen Metern endet. Wir gehen dennoch ein Stück, sehen den Turm nicht mal, denn die Küste ist hier felsig und zerklüftet. Der Weg endet kartengemäß. Dhen pirasi, wir streichen den Leuchtturm vom Programm, haben schon genug Leuchttürme gesehen, und der Blick auf die Peloponnes ist von hier aus auch nicht schlecht. Unten auf dem Meer kommt das Glasbodenboot von Elafonisos, nach einer Runde im Hafen von Platia Ammos fährt es weiter nach Agia Pelagia.

Wir folgen ihm auf dem Landweg.

 

Agia Pelagia ist der touristische Hauptort der Insel. Eines dieser zum Meer und Strand ausgerichteten und schnell gewachsenen Dörfer wie man sie in Griechenland zig-fach sieht und das mir kein Übersichtsfoto wert ist. Früher war hier der Haupthafen, und bei Marinetraffic sah ich neulich, dass die „Porfyrousa“ dort hielt – außerplanmäßig vermutlich, bei gtp kommt der Hafen nicht vor. Wir parken, schlendern die Uferstraße entlang durch den Ort: Tavernen, Cafés, Souvenirgeschäfte, der Strand grau und feinkiesig wie in Platia Ammos, nur nicht so breit. Sonnenschirme und -liegen.

Die Saison ist auch hier fast zu Ende, eine riesige Menge gestapelter Holzstühle, sollen wohl schon für den Winter eingemottet werden. Die verbliebenen Touristen sprechen holländisch. Anscheinend gibt es sogar Direktflüge von Amsterdam nach Kythira, wieso das, und ob dauerhaft würde mich wirklich interessieren. Wir trinken ein Elleniko, beobachten einen Surfer bei seinen Versuchen, auf dem Brett zu bleiben. Geruhsam ist es hier schon.

Die Straße kurvt von hier ziemlich hinauf auf die zweihundert Meter höher gelegene Hochebene. Immerhin gut ausgebaut. Südlich sollen die Ruinen des alten Hauptortes Paleochora liegen, den werden wir in den nächsten Tagen besuchen. Von der Straße aus nur undurchdringlich erscheinender Wald. Ab Potamos wieder nach Süden auf der Hauptverkehrsstraße. Weit im Süden Bergschemen – kann das Kreta sein? Warum nicht, die Weißen Berge sollten hoch genug sein…

Zurück in Chora zeigen sich die Burg und Kapsali im Abendlicht. Eine Ansammlung von Kapellen befindet sich im Schatten des Burgfelsen. Dass Kythira es mit der Zahl der Kapellen locker mit Kykladen wie Sifnos aufnehmen kann, werden wir die nächsten Tage noch merken.

Abendessen in der Pizzeria „Belvedere“ mit tollem Burgblick. Zum Glück gibt es nicht nur Pizza, sondern auch Pasta und Gegrilltes. Für Lust auf Pizza sind wir noch nicht lange genug in Griechenland. Die Pizza ist übrigens recht teuer, aber das Teil, das am Nachbartisch serviert wird, ist riesig und sollte für zwei reichen. Die gegrillten und mit Käse gefüllten Paprika sind sehr gut, ebenso der Nudelauflauf und die gefüllten Biftekia. Wir zahlen, wie gestern, 24 Euro und sind zufrieden.

Es ist heiß.

Nach dem Frühstück im Schatten des Sonnenschirmes auf der Balkonterrasse bummel ich ein wenig durch Chora. Mal sehen ob sich nicht doch noch ein Restaurant irgendwo versteckt. Nein, an der schattigen und schönen Platia Dimitriou Stai sind nur Cafés. Bäcker gibt es auch keinen, Brot bekommt man aber in den Mini-Märkten, später. Das imposante Gebäude dort ist übrigens nicht das archäologische Museum, das es hier auch geben soll, sondern eine Bank. Kirchen hat es in Chora reichlich, am auffälligsten ist der durchbrochene Glockenturm der Agia Anna, der uns den Blick auf einen Teil der Burg versperrt. Die Burg ist geöffnet von 8 bis 20 Uhr, das wäre doch was für den Sonnenuntergang?

Wir beschließen nach Milopotamos zu fahren. Milopotamos gilt als eines der schönsten Inseldörfer und liegt – nomen est omen - an einem Flüsschen mit einst 22 Wassermühlen (erinnert an Andros…) und einem Wasserfall. Ok, von Wasserfällen versprechen wir uns in Griechenland nicht viel, noch dazu im Herbst. Aber einen Blick wollen wir natürlich darauf werfen, und ein Stück das Tal entlang wandern, sollte ja schattig und damit nicht zu heiß sein.

 

Wir fahren wieder auf der Hauptverkehrsstraße nach Norden, durch Livadi, wo heute mehr los ist als  gestern am Sonntag. Scheint mir eher der Hauptort des Inselsüdens zu sein als Chora. Hinter Karvounades weist uns ein Schild nach links, auf eine schmale „gelbe“ Straße (asphaltiere Nebenstraße). Eng wird es als uns ein Jeep entgegenkommt – der Fahrer hält an und fragt uns wohin die Straße führen würde, er hätte sich verfahren.  Tja, mit Skaï kann das nicht passieren…. Der Inselwesten ist wenig bewohnt, links von uns ist der höchste Inselberg, der Mermigaris (506 Meter) mit einer Satellitenanlage darauf. Wir parken am Ortseingang von Milopotamos, an einer Taverne, die sieht aber geschlossen aus.

 

Der Weg zum Wasserfall von Fonisa (Φόνισσα = Mörderin) ist ausgeschildert, „Neraïda“ heißt der hier. Nereïden, das waren doch Nymphen, und Begleiterinnen des Poseidon, eine gewisse Wasseraffinität ist also vorhanden. Natürlich kann man, für griechische Ansprüche, fast bis zum Wasserfall mit dem PKW hinfahren. Noch über eine flussüberspannende Brücke und zehn Meter am Fluss entlang, dann stehen wir vor einem grünen Wasserbecken am Ende eines Tales, in das sich plätschernd ein schmaler Wasserfall ergießt. Die Wassermengen sind überschaubar, aber der schattige Ort hat zweifelsohne etwas Verwunschenes, erst recht für nicht so von Wasser und grüner Natur verwöhnte Griechen. (Auf vielen Abbildungen und Postkarten hat man das Grün aber noch etwas künstlich verstärkt und aufgehübscht). Außer uns hat sich nur noch ein Touristenpärchen eingefunden, im Sommer ist das aber bestimmt ein beliebter Picknickplatz, ein paar Bänke laden dazu ein. Eine schmale Steinbrücke ist inzwischen stillgelegt, zu fragil sieht sie aus.

Wieder ein Stück die Straße hinauf zweigt ein Weg zur Mühle von Filippas ab, ab hier kann man ein Stück den Fluss entlang wandern, kommt an mehreren Mühlenruinen vorbei. Ganz das Tal hinab soll man laut Kartenempfehlung nur als erfahrener Schluchtler – Canyoning auf Kythira, wer hätte es gedacht.

 

Die Filipi-Mühle steht in einem blumenbewachsenen Dschungel, Schwertlilien, Amaranth, Bananenbäume und ist gut erhalten. Nur Wasserrad sehe ich keines. Ein älterer Herr zeigt uns das Innere der Mühle und erklärt, dass das Wasser in einer offenen Leitung von oben in die Mühle geleitet wurde (also nicht vom Fluss) und in einem Fallrohr eine Art Schraube oder Turbine angetrieben hat. Die Zuleitung kann man von oben noch sehen, aber das „Mühlrad“ innen ist abgebaut. Schade.

Das Flüsschen abwärts führt der Weg zuerst durch dschungelähnlichen Bewuchs. Immer wieder stauen Felsen das Wasser zu kleinen Seen, plätschern Minikaskaden, führt der Weg über den Fluss. Obwohl im Schatten, ist es doch heiß und unangenehm schwül. Zur Abkühlung ins Wasser hüpfen wäre vielleicht was… eine griechische Familie, die wir treffen, macht genau das. Haben allerdings auch Badeklamotten dabei, im Gegensatz zu uns.

Oben über dem Tal mal wieder eine Kapelle, sehr nett guckt sie auf uns runter. Der Weg führt nun wieder etwas hinauf, das Tal macht einen Knick, schön ist der Blick hinunter. Irgendwo muss da auch ein Ausstieg sein, wir wollen und können ja nicht bis ganz hinunter ans Schluchtende. Also wieder hinab, der Weg führt durch eine Mühlenruine (Petros Stratigos) durch, in einem Tunnel. Hier staut sich das Wasser zu einem größeren Teich, und es plätschert überall. Schöne Ecke!

Auf der anderen Talseite führt ein Weg wieder hinauf nach Milopotamos, wir folgen ihm, gehen das Tal nicht weiter hinab. Obwohl das alles keine Entfernungen und Höhen sind, sind wir total verschwitzt, es ist so warm heute. An einer Kapelle (geöffnet - Kerze anzünden!) erreichen wir die Straße und sind schnell wieder in Milopotamos. Ein älterer Mann räumt am Ortseingang seinen Laden aus – Saisonende. Er hat neben Souvenirs auch nette Wandbildchen, Keramik, halbantike Dinge. Ein buntes Sammelsurium. Eine verzierte alte Gürtelschnalle gefällt, ist auch gar nicht teuer. Wir kommen ins Gespräch: am Wochenende schließt er und geht nach Athen, hier ist nicht mehr los. Woher wir kommen? Deutschland? Sein Bruder lebte lange in Bremerhaven, hat eine Deutsche geheiratet. Er selbst geht jeden Morgen schwimmen, in Limnionas. Ob das weit weg ist? (Ich hab die Inselgeografie noch nicht so im Kopf) Nein, nur ein paar Kilometer, nett wäre es da, wir sollten da hin. Mal sehen…. Da fällt ihm was ein: er hat da doch ein deutsches Buch, er sucht und findet es: Die Abenteuer des Herakles, noch originalverpackt, hat es auch diese Saison in seinem Laden nicht verkauft und will es wohl nicht für den Winter einmotten. Er schenkt es mir, ich bedanke mich. Nett, bloss das Reisegepäck wächst..

 

Ein paar Meter weiter ist die wunderschöne Platia von Milopotamos. Große Platanen überschatten sie, die waagerechten Äste sind zum Teil abgestützt. Daneben und darunter führt das Bächlein durch (es bildet wohl den Fonissa-Wasserfall), ein Waschhaus, ein bewachsener Brunnen, Wasserspeier in Löwenform ohne Wasser. Etwas vernachlässigt, aber trotzdem schön. Am besten gefällt uns die Taverne unter den Platanen, sie heißt natürlich „O Platanos“ und wird im Geo-Heft von 2002 empfohlen. Geradezu bilderbuchmäßig stehen die typischen Tavernenstühle und -tische vor der Hauswand aufgereiht (passenderweise in Grün, nicht in Blau). Leider gibt es aber nichts zu essen, nur Getränke, ein kühles Radler erfrischt uns. Kleines Nickerchen wäre nicht schlecht, wir träumen aber nur vor uns hin und sehen dem fliegenden Händler zu, der mit Grünpflanzen – wie passend – vorbeikommt und auf ein Getränk einkehrt.

 

Irgendwann raffen wir uns auf, gehen am vierstöckigen Glockenturm Richtung Auto. Da ist doch noch eine Taverne, To Perivoli (der Garten), vielleicht ist sie geöffnet, wir haben immer noch Hunger. Sie ist, und man kann sehr nett im Garten sitzen. Man pflegt hier etwas höhere Ansprüche, die Karte ist eher exklusiv als typisch. Wir bestellen eine Art griechischen Salat mit Rucola, Minioliven (elende Puhlerei der Steine!), Kapern und geraspeltem Hartkäse für acht Euro, außerdem einen „gemischten Brotkorb“ für 2,50 Euro dazu, Wasser gibt es gratis. Der Brotkorb besteht aus zwei  Sorten leckerem Paximadia und zwei Scheiben Brot, nicht gerade üppig. Wir werden satt, ziehen aber normale griechische Salate vor, die fallen auch mengenmäßig meist umfangreicher aus.

Wohin nun? Westlich von Milopotamos, nur ein paar Kilometer entfernt liegt die Tropfsteinhöhle Agia Sofia samt Höhlenkapelle mit Wandmalereien. Klingt hochinteressant!

 

Auf dem Weg liegt der Ort Kato Chora, von dem der 1992-er-Schroeder-Reiseführer behauptete, er würde demnächst verlassen sein. Nun, der Bär steppt gerade nicht dort, aber bewohnt ist der Ort noch (irgendwo wird er sogar als einer der malerischsten Orte der Insel bezeichnet), und man sollte schon wegen der Ruinen der venezianischen Festung dort halten. Die befindet sich zu Beginn eines Felsenplateaus, ausgeschnitten von zwei Flusstälern, und über dem Portal grüßt der Markuslöwe, flankiert von zwei gut erhaltenen Wappenreliefs. Dahinter ein Dutzend Kapellen – alle steinfarben, also unverputzt, und mehr oder weniger gut erhalten. Schilder mit ihren Namen stehen aber überall. Erinnert mehr an Südfrankreich (Les Baux vielleicht?) als an Griechenland. Aber es gefällt uns. Die Ruinen hier werden ansonsten nicht die einzigen auf Kythira bleiben – es gibt reichlich. Wer allerdings antike Ruinen sucht, der wird eher enttäuscht: es sind die Venezianer, die hier überall ihre Spuren hinterlassen haben (kein Wunder gefällt uns das, Venedig-Fans die wir sind). Schön ist der Blick vom Plateau auf eine in den gegenüberliegenden Hang gebaute Kapelle, Agia Marina. Dahinter liegt noch irgendwo die Höhlenkirche Panagia tis Orfanis, aber wir wollen es kirchenmäßig auch nicht übertreiben (und außerdem macht Mietauto-Fahren faul, ich schrieb es schon…).

Die Höhle und Kapelle der Heiligen Sofia liegt an der Westküste, im MM-Führer (Ausgabe von 2009!) steht, der Weg wäre schwierig zu finden und ab einer Abzweigung ein Feldweg. Dem ist nicht so: die Straße ist breit, asphaltiert und gut beschildert. 2007 hat es hier einen größeren Waldbrand (na ja, Macchiabrand) gegeben, danach hat man die Straße neu angelegt, und auch den Weg vom Parkplatz zur Höhle.

Die steile und karge Westküste, noch mit geschwärztem Hauch darüber, gefällt mir, unten das wilde Meer, unerreichbar. Oben auf dem Hochplateau fehlten mir irgendwie die Ausblicke, überall ist der Horizont begrenzt. Wir stellen das Auto also ab, sind die Einzigen hier. Sogar ein Holzgeländer hat der geplasterte Fußweg zum Höhleneingang, den wir nach drei Minuten erreichen: überdacht und mit einem Sitzplatz. Und geschlossen. So ein Mist! Die Höhle samt freskenausgestatteter Kapelle hat ein Tor und Öffnungszeiten – im Sommer. Bis 18. September dienstags, donnerstags und samstags von 13 bis 16 Uhr. Heute ist der 20. September, es ist Montag und die Höhle ist zu. Wir hätten es nun eigentlich denken können, hatten aber so am Ende der Insel nicht mit einer derart verrammelten Kapelle gerechnet. Nochmals herkommen? Irgendwo den Schlüssel erfragen? Wo? Es ist niemand da. Fluch der Nachsaison.

Zum Glück hat sie auch jede Menge Segen.

Und nun? Ich will noch nach Limnionas zum Baden, es sind nur ein paar Kilometer. Die Asphaltpiste hoch bis zu Kreuzung, dort nach rechts. Die Straße führt durch ödes und unbewohntes Land, schlängelt sich auf uns ab - die Nordwestflanke des Mermigari – hier soll irgendwie ein Ort oder wenigstens eine Badestelle sein? Ich kann es mir kaum vorstellen, bin gespannt wo wir da rauskommen. Plötzlich vor uns ein Jeep mit Bootsanhänger (ohne Boot) – doch Zeichen von Zivilisation. Und dann sehen wir unten eine kleine Bucht, von zwei Handvoll weißen und grauen Häuschen gesäumt, ein schmaler Sandstrand, ein paar Bäume, drei, vier Autos darunter geparkt. Als wir uns dazu gesellt haben sehen wir: es gibt sogar eine kleine Taverne, ganz gut besucht. Ich ziehe mir fix die Badeklamotten an und werfe mich ins Meer, wunderbar!

 

Vier, fünf Häuschen mit bunten Türen stehen aneinander gelehnt am linken Ufer. Weil sie so kleine Kamine haben, dachte ich zuerst, es wären Kapellen. Es sind aber Sommerhäuschen, oder  Fischerunterkünfte, mit dem für Kythira typischen Tonnengewölbe und breiten Holztüren. „Kamara“ wird das hier genannt. Gefällt mir ausgesprochen gut, so ein Häuschen am Meer. Bloß ohne Strom? Die Taverne hat einen eigenen, brummenden Generator.

Einstweilen sind einige Männer mit vereinten Kräften dabei, ein Boot auf den Anhänger zu verladen. Es wird Winter…

Und spät. Das Wetter hat sich etwas zugezogen, Wind kommt auf. Wir fahren nach Chora zurück, über Arei dieses Mal, und die Hauptstraße.

 

Ouzobewehrt sind wir wenig später auf der Festung in Chora. Die ist viel größer als sie aussieht, vor allem viel tiefer. Die Kirche der Panagia Myrtidiotissa und die flankierend an sie hingekuschelte ältere Panagia Orfani liegen so weit hinten auf dem Plateau, dass man sie von der Chora aus gar nicht sieht. Unzählige weitere Kapellen und Reste davon sind auf dem Gelände, mit denen an der Flanke hat Chora alleine am Burgberg bestimmt zwei Dutzend Kapellen gehabt. Kanonenrohre liegen dekorativ verteilt auf dem Gelände.

 

Schön der Blick auf die Chora und dahinter die Erhebung Agia Elesa, da wollen wir dann morgen hin, oder übermorgen. Im Osten die Doppelbucht von Kapsali mit dem Fast-Vollmond darüber, im Süden das „Ei“, das offiziell Chitra heißt (Χύτρα ist übrigens der (Dampf-)Kochtopf…).

Von Kreta nix zu sehen heute. Dafür verglüht die Sonne bilderbuchmäßig am westlichen Horizont, die Wölkchen am Himmel in zartrosa versprechen für morgen schönes Wetter – hoffen wir zumindest.

Beschwingt geht es wieder nach Chora, vorbei an einem volkskundlichen Museum, dessen aushängende Öffnungszeiten uns einen Besuch für morgen ins Auge fassen lassen.

Wir wollen bei „Zorbas“ essen, aber das Lokal hat geschlossen. Es wird doch nicht schon dicht sein für den Winter? Wir gehen folglich ins „Belvedere“, wo wir die griechische Parea von vorgestern wiedertreffen – bei zwei Lokalitäten läuft man sich immer wieder über den Weg. Das Spezial-Huhn à la Belvedere ist nicht so ganz nach dem Geschmack der Mutter, aber meine Nudeln schmecken gut. Hoffentlich muss ich nicht die nächsten Tage immer Nudeln essen, das entspricht nur wenig meinen Vorstellungen von griechischem Essen.

 

In der Nacht kommt Wind auf.

Und wie….