Am Freitag ist das Wetter wunderbar - nicht zu heiß, kein drohender Regen. Der Berg ruft.
Gegen zehn Uhr marschiere ich los, ausgerüstet mit eineinhalb Litern Wasser, etwas Proviant und meinem Wanderstock. Der wird sich heute sehr bewähren (wenn ich daran denke, wie ich vor vier Jahren ohne Stock auf Salina auf halsbrecherischen Wegen unterwegs war - es hätte so viel leichter sein können!). Ich habe die Wanderbeschreibung aus Rother "Sizilien. Mit Liparischen Inseln": viereinhalb Stunden, 774 Meter, wobei die Tour dort unten in Porto beginnt und eine Schleife übers Capo Graziano macht. Ich beginne in Rocca Ciauli, spare mir also hundert Höhenmeter, den Umweg und etwas Wanderzeit. Ich werde insgesamt etwa viereinhalb Stunden unterwegs sein.
Es gibt zwei Routen auf den 774 Meter hohen Monte Fossa delle Felci, kurz Fossa Felci, die beide in/bei Valdichiesa (auch Valle Chiesa) beginnen und auf einem Bergrücken östlich des Gipfel zusammentreffen. Die Beschreibung in Peter Amanns älterem Wanderführer "Liparische Inseln" (von 2010, eine neuere gibt es leider nicht) kann man komplett vergessen - ersten ist die Routenführung sehr konfus, zweitens geht die Route so nicht mehr (was diskret im Aktualisierungsteil steht).
Ich habe die westliche Aufstiegs- und die östliche Abstiegsroute gewählt und kann das so nur empfehlen. Denn der Aufstieg ist sehr steil, und dort auch wieder hinunterzugehen, kann schwierig und rutschig sein. Bei der östlichen Route ist dagegen der Einstieg im Valdichiesa schwer zu finden, und der Weg macht einen weiten Bogen. Aber dazu später mehr.
Meine Route führt also vom Haus weg durch die Gassen von Rocca di Ciauli südwestlich unterhalb des Hügels Monte Terrione Richtung Pecorini, biegt einmal rechts ab (nicht zu früh!) und erreicht den Parkplatz im südwestliche Valdichiesa. Dort nehme ich den zu Anfang gepflasterten Weg rechts der kleinen Kapelle nach Westen. Der Ausblick auf Pecorini und Pecorini a Mare ist toll, ein Wasserschiff liegt gerade dort.
Der Weg wird schlechter, und etwa am letzten Haus zweigt rechts der schmale Anstieg zum Gipfel ab. Er ist nicht beschildert, und so trifft es sich gut, dass ein Mann auf einem Esel vorbeikommt, den ich fragen kann ob das der Weg zum Monte Fossa Felci ist. "Si" sagt er, und reitet weiter.
Nun beginnt ein fünfzigminütiger, knackiger Aufstieg. Der Weg ist in schlechtem Zustand, am Anfang hat es noch ein paar gemauerte Stufen, aber schnell wird er zu einem Fels- und Erdweg, einer ausgespülten Rinne von beachtlicher Steilheit, nur etwas im Zickzack führt er entlang eines Grates. An einer Stelle versteige ich mich, muss etwas klettern. Ohne Stock wäre es schlecht hier, das dritte Bein hilft enorm. Trotzdem aufpassen, schließlich bin ich weit und breit alleine unterwegs. Ich schwitze, habe binnen kurzem keinen trockenen Faden mehr am Leib. Wann kommt denn endlich der Querweg?
Der Blick wird weiter, Pecorini ist ganz klein, das abgeflachte Plateau des Monte Terrione ist weit unter mir zurückgeblieben, dahinter das Capo Graziano. Seitlich vor mir schwebt der Bergkegel von Alicudi im ruhigen Meer. Die Stengel verblühter Meerzwiebeln ragen mit ihren grünen Früchten aus der nackten Erde. Aber immer noch nicht der Querweg, immer noch geht es aufwärts, aber glücklicherweise nicht mehr so steil. Nun kann ich den Gipfel des Monte Fossa Felci sehen. Kein steiler, kahler Kegel, sondern eine eher sanfte, grüne Kuppe. Zumindest von hier aus. Und da kommt endlich der Querweg. Das Härteste ist geschafft, 560 Meter über Meer sind erreicht. Zeit für eine kurze Rast, die mangels anderer Sitzmöglichkeiten mitten auf dem Erdweg stattfinden muss. Eineinhalb Stunden bin ich unterwegs, das Wasser schmeckt und erfrischt - ich bin sparsam damit, wenn die Flüssigkeit so schnell durch den Körper läuft.
Büsche versperren die Aussicht, Erdbeerbäume und mir unbekannte Sträucher mit kleinen roten Beeren. Und wacholderähnliches. Nur kein namensgebender Farn (= Felci).
Eine halbe Stunde benötige ich noch für das letzte, flachere Wegstück über den langgezogenen Bergrücken von Riberosse. Eigentlich wäre es jetzt einfacher, aber der Weg ist mit feinem Geröll übersät. Da heißt es aufpassen, damit man darauf nicht ins Rutschen kommt undsich auf den Hintern setzt. Vor allem abwärts wird das sehr häßlich werden, und erinnert mich zum wiederholten Mal an Salina, das mit vergleichbares Wegqualität aufwarten kann. Da habe ich vor Jahren schon ein leichtes Trauma davongetragen.
Die Büsche werden höher, kann man die reifen rot-orangenen Früchte des Erdbeerbaums eigentlich roh essen?
Der Weg ist jetzt breit und ausgespült, vom gestrigen Regen stehen noch Pfützen darauf. Um fünf nach zwölf haben ich dann das kleine Steinmännchen auf einem Felsen erreicht, das den Gipfel markiert. Geschafft! Ich bin echt stolz auf mich.
Der Wanderführer empfiehlt, noch ein Stück auf dem Grat nach Westen zu gehen, weil man von dort aus erst einen Blick auf die 71 Meter hohe Felsennadel "La Canna" (= Rohr, Stock) hat, die westlich von Filicudi aus dem Meer ragt. Und tatsächlich kann man den imposanten Felsen von dort aus sehen, er wird gerade von Ausflugsbooten umkurvt, die den Größenvergleich möglich machen. Mann, da muss ich unbedingt auch mit dem Boot hin!
Über Alicudi schwebt eine weiße Wolke, verstärkt das Vulkanhafte. Nein, der Vulkan von Alicudi ist nicht mehr aktiv.
Zurück beim Rucksack, den ich am Gipfelmännchen gelassen habe. Ein Telefonat hinab ins Quartier - ich bin oben, es war anstrengend und etwas schwierig, aber alles ist gutgegangen. Die Gipfel-SMS vergesse ich glatt - ist ja kein Profitis Ilias und zu ungriechisch das Umfeld.
Kurz vor ein Uhr mache ich mich dann wieder an den Abstieg. Ganz vorsichtig und konzentriert auf den Geröllstrecken, an der Wegkreuzung nehme ich nun den anderen Weg als ich heraufgekommen bin, der in einem weiten Bogen oberhalb des Talkessels von Valdichiesa entlang führt. Zunächst geht es nur sanft bergab, nach ein paar Minuten zweigt links ein Weg nach Seccagni ab, einem Flurstück oder Hof im äußeren Nordwesten, nahe einer früheren Lavarutsche. Ich bleibe aber auf dem Hauptweg oberhalb der Kirche von Santo Stefano in Validichiesa.
Der Weg wird hier jetzt auch steiler und das bekannte Geröllproblem tritt wieder verstärkt auf. Was gäbe ich für die gepflegten alicudischen Stufen! Kein Wunder gibt es auf Filicudi keine Stufenkarte - alles erodiert, in Auflösung begriffen. Aber immerhin klar auszumachen, ich will ja gar nicht so sehr meckern (wenn ich an das Frühjahr auf Ios denke.).
Das letzte Stück entlang eines felsigen Talkessels ist sogar mit einem - teilweise abgestürzten - Geländer gesäumt. Dann geht es flach auf einer Piste durch einen lichten Wald mir unbekannter Bäume (können das Essigbäume sein?) und schließlich lande ich westlich der Kirche auf der Straße.
Jetzt ein Café oder eine Taverne, das wäre genial. Aber es gibt nichts dergleichen, und auch die breite, dreischiffige Kirche Santo Stefano ist abgeschlossen. Auf dem weiten Platz davor sitzt es sich aber gut bei einem letzten Päuschen.
Da sind auch direkt mal wieder andere Touristen: ein deutsches Paar ist mit einem Auto gekommen, hat auch kein Glück mit der Kirchenbesichtigung. Seit dem Eselsreiter zu Beginn des Anstieges die ersten Menschen, die ich treffe. Filicudis Westen ist einsam.
Auf schönen Pflaster- und Stufenwegen durch Valdichiesa erreiche ich dann die Straße östlich des Ortes, wo ich gestern am Spätnachmittag unterwegs war. Der Boden liegt voller toter Flugameisen - weit sind sie nicht mehr gekommen. Um halb drei erreiche ich Rocca di Ciauli, biege direkt in die Bar der Villa la Rosa ein, um uns eine köstliche Erdbeer-Granita zu holen, die ich anschließend auf unserer Terrasse genieße.
Die hab ich mir verdient!
Wandern auf den Äolen ist nicht ohne und weit entfernt von Spaziergängen. Aber auch sehr befriedigend.
Zum Tagesabschluss werden wir noch von einem imposanten Sonnenuntergang verwöhnt.