Frühstück haben wir so etwa ab neun Uhr bestellt, wir bekommen es auf der schönen benachbarten Dachterrasse mit dem Stromboli-Blick serviert. Typisch italienisch besteht es nur aus süßen Komponenten – Marmelade, Nutella, etwas (wenig) Weißbrot, süße und mit Schokolade gefüllte Hörnchen, abgepackten Zwieback, etwas Obst, Cappuccino. Butter fehlt zunächst - was heißt nun wieder Butter auf Italienisch? Gianfranco kann mit meinen englischen Ausdruck „butter“ nicht viel anfangen. Ah, „burro“ – wieder was gelernt. Saft hat es auch, und ein inseltypisches Gebäck, zunächst etwas trocken (zu gut abgelagert), später wird es frischer sein. Mit etwas Pecorino werden wir das Frühstück an den nächsten Tagen erweitern.
Auf dem Tagesprogramm steht heute die Fahrt nach Lingua, einem Ort am Südostende der Insel. Von dort aus soll es einen netten „Spaziergang“ (laut Amann-Führer, Tour 21, 250 Meter Höhenunterschied) ins Vallone d’Ogliastro geben, den wir zur Akklimatisierung in Angriff nehmen wollen. Um 11.20 Uhr nehmen wir den Bus nach Lingua (€ 2,20 für Fahrten über 10 Kilometer – die übersteigt die Entfernung von Malfa nach Lingua gerade so).
Die Fahrt führt aus der uns schon bekannten Strecke über Santa Marina Salina, und weil die ziemlich kurvig ist und die Luft im Bus nicht so toll, wird mir schlecht. Puh, erst mal Frischluft schnappen am Ziel nach einer knappen halben Stunde Fahrt. Hat es hier reichlich.
Lingua ist ein überschaubarer Ort. Entlang der Uferpromenade („Lungomare“) hat es einige gastronomische Betriebe, jetzt sind nur wenige geöffnet. Ein Muss ist laut beiden Reiseführern (die sich bei der Beurteilung von Unterkünften und Gastronomie derart ähneln, dass ich mich ständig fragen muss, wer eigentlich bei wem abgeschrieben hat) eine Granita beim König der Granita, Alfredo. Das sparen wir uns aber für nach der Wanderung auf. Und das kleine volkskundliche Museum hat sogar geöffnet, aber wir jetzt keine Lust darauf.
Hinter dem Ort liegt eine kleine Lagune mit Leuchtturm, die früher zum Gewinn von Meersalz gedient hat und der ganzen Insel ihren Namen gab. Salz wird hier nicht mehr gewonnen, aber Zugvögel rasten je nach Jahreszeit gerne dort. Jetzt scheinen keine da. Hinter einem Meeresarm liegt dann schon die Insel Lipari, nur vier Kilometer entfernt, und noch näher wirkend.
Wir gehen entlang der Lagune nach Süden, zuerst an einer unbewohnt wirkenden Hotelanlage vorbei, die Liegestühle auf der Uferbegrenzung, Abstürze vorprogrammiert. Dann vorbei einem Kieselstrand (Riesenkiesel!) nach Westen, wo die Wanderung an einem Platz beginnt: es geht (mal wieder) Stufen hinauf.
Die Sonne brutzelt ganz schön erbarmungslos herunter, es ist schon Viertel nach zwölf. An einigen Häusern vorbei geht es aufwärts. Ein aus dem Nest gefallener Jungvogel sitzt auf den Stufen, piepst jämmerlich. Die Eltern ziehen ein Ablenkungsmanöver ab, das bei uns nicht funktioniert und auch nicht nötig ist – wir tun ihm nichts. Aber wenn eine Katze vorbeikommt… auf dem Rückweg wird er nicht mehr zu sehen sein.
Aufwärts, aufwärts, noch vorbei an einem sehr gepflegten Haus mit wunderbarem Blick von der schattigen Terrasse. Ein Gecko hinter dem Holzstapel. Wenn ich hier wohnen würde, müsste ich mir einen Esel als Lasttier zulegen. Oder einen Aufzug bauen.
Der Blick auf die Lagune wird frei. Der Ginster, der hier überall den Weg begrenzt, duftet unvergleichlich. Ein einsamer Kapernstrauch wächst aus der nackten Erde. Nun sind wir definitiv aus dem Ort draußen, es kommen wieder diese hohen Stufen („äolische Stufen“ haben wir sie getauft), die der Mutter sehr zusetzen. Steil sind diese Inseln, entweder geht es bergauf, oder es geht bergab. Nur nichts Ebenes. Hier geht es sogar sehr bergauf. Und die Sonne brennt.
Die Mutter schimpft über den vermeintlichen Spaziergang, und bleibt zurück. Ich gehe weiter: endlich mal ein ebenes Stück, das ein grünes und blühendes Tal ausläuft. Vorn ein kleines weißes Häuschen mit hellblauen Rändern in einem schönen Olivenhain. Ferienhaus oder Unterkunft für Helfer der Olivenernte? Der Weg führt dort nicht direkt vorbei, bleibt oberhalb. Wir setzen ins in den minimalen Schatten eines Busches für eine Vesperpause. Mhm, der gekaufte Pecorino ist gut, schön rezent. Und die Brötchen vom Bäcker aus Malfa auch. In der Meerenge zwischen Salina und Lipari kreuzt ein Tragflügelboot.
Etwas weiter vorne sieht man dann auch die Insel Vulcano gut, und die Kegel von Filicudi und Alicudi ragen blau aus dem Meer.
Die Vegetation wird höher, sind das die Perückensträucher, von denen der Reiseführer schreibt? Das Vallone d’Ogliastro müssen wir schon erreicht haben. Ogliastro heißt die Wildform des Olivenbaumes, und davon hat es hier reichlich. Die Mutter hat beim nächsten Aufstieg endgültig die Nase voll, und da der Weg sich weiter vorne sowieso irgendwo verliert und wir den gleichen Weg zurückmüssen, bleibt sie an einem Aussichtspunkt und wartet auf mich. Viel weiter komme ich auch nicht, muss mir den Weg verstärkt durch Büsche und unter Bäumen bahnen – er ist zwar definitiv noch als solcher erkennbar, aber das ändert sich nach ein paar Minuten. Ein vereinsamter Pfosten lässt darauf schließen, dass hier einmal ein Schild war, aber das ist jetzt weg. Was wohl darauf gestanden hat?
Ich kehre um, sammle die Mutter ein und gemütlich gehen wir zurück nach Lingua, das wir eine Dreiviertelstunde später erreichen. Die Granita bei Alfredo haben wir uns nun redlich verdient!
Ein Ausflugsboot liegt in Lingua, dreißig, vierzig Tagesausflügler, überwiegend Italiener, durchschwärmen den Ort. Das heißt, die meisten von ihnen sitzen, und zwar natürlich bei Alfredo und Granita oder Pane Cunzato – einem mit Tomaten, Kapern oder anderen leckeren Dingen belegten und dann überbackenen Brotfladen. Die Granita ist ok, allerdings waren ob des Schwärmens davon überall unsere Erwartungen anscheinend etwas übersteigert – es ist eine ganz normale Granita, nicht größer als anderswo, und die auf Panarea hat uns besser geschmeckt. Scusi, Alfredo!
Ein Pane Cunzato müssen wir dann natürlich auch noch probieren, eine Ladung „Eoliano“ con pomodori, capperi, olive, cipolla, acciughe e peperoncino (10 Euro) reicht locker für zwei und schmeckt wirklich gut!
Die Ausflugsgesellschaft schwärmt wieder dem Boot zu, und auf einmal ist es ziemlich ruhig hier.
Jetzt könnten wir entweder um Viertel nach vier mit dem Bus direkt nach Malfa zurückfahren, oder aber zu Fuß die zwei, drei Kilometer nach Santa Marina gehen, auf der Straße, dort etwas bummeln und den späteren Bus nehmen. Wir entscheiden uns für Zweiteres. Auf der Straße ist kaum Verkehr, sie führt etwas oberhalb der Küste entlang, läuft eine paar kleiner Täler aus, und führt an einer netten alten Brücke vorbei, die jetzt baumbewachsen ist – war früher die Verbindung von Santa Marina nach Lingua. In einer halben Stunde sind wir in Santa Marina, gleichzeitig mit der Fähre „Pietro Novelli“, die uns auch schon wieder über den Weg läuft. Wird Zeit, dass wir mal mit ihr fahren!
Santa Marina ist ein nettes Städtchen, das aber noch im nachmittäglichen Schlummer liegt. Am Hafen arbeitet eine Handvoll Fischer, es liegen viele kleine Boote dort. Nett das Dreirad mit den Korbwaren darauf. Die Läden in der Straße hinter der Paralia (ähm, Lungomare) öffnen erst allmählich wieder, einer mit einheimischen Spezialitäten hat immerhin geöffnet, wir haben Durst und brauche etwas Flüssiges (nein, kein Malvasia, Cola genügt). Doch, ist ganz nett hier, aber jetzt nicht so dass ich es schöner finde als Malfa. Und so ein richtiges Hafengefühl wie auf einer griechischen Insel kommt hier eh nicht auf, was auch an den stillosen Aliscafi liegen mag.
Der Bus zurück um 17.25 Uhr passt, und wenig später sind wir wieder in Malfa. Mit der Erkenntnis, dass diese Inseln für meine Mutter nicht das wahre Wandervergnügen sind, und sie leider auch nicht jünger wird. Hmm, da werde ich zukünftige Touren etwas anpassen müssen wenn das geht. Und das, wo ich eben etwas Gipfellust geschnuppert habe und eigentlich auch hier auf den Profitis Ilias wollte (der auf Salina aber Monte Fossa delle Felci heißt und immerhin 962 Meter hoch ist).
Wieder sitzen wir lange in der Abendsonne auf der Frühstücksterrasse. Es sind noch Gäste angekommen, ein großgewachsenes blondes Paar, Skandinavier vermutlich. Immerhin sind jetzt schon zwei Zimmer belegt.
Zum Cena gehen wir heute in die andere Lokalität namens „U Cucunciu“, an der Straße etwas oberhalb der Piazza gelegen, und nicht ganz so schön wie das „A’Lumeredda“. Pizza gibt es nur samstags und sonntags, heute ist Freitag, und wir essen – zur Abwechslung mal wieder – Pasta. Gemischte Antipasti vorab, die eher norditalienisch als eine Art Vesperplatte mit Wurst und Salami daherkommen. Zuhause wären wir jetzt schon satt, hier hat es nicht nur noch genug Platz für die Nudeln, sondern auch noch für einen Tartufo hinterher. Saugut! Der halbe Liter (kalte) Rotwein kostet nur vier Euro, das sind dann doch wieder fast griechische Preise. Die nötige Bettschwere haben wir dann auch.
*
Den Gipfelsturm auf den Monte Fossa delle Felci trete ich am Samstag dann alleine an. Das Wetter ist immer noch bestens, und um es mir nicht unnötig schwer zu machen, nehme ich um dreiviertel zehn den Bus Richtung Leni bis Valdichiesa. Das ist das malvasiaweinüberwachsene Tal (na, eigentlich eher ein Pass) zwischen den beiden Zwillingsgipfeln, das auf einer Höhe von etwa 300 Meter über dem Meer liegt. Der Bus schraubt sich aufwärts, der Fahrer ist gut drauf, spielt laute Musik, und ich freu mich. Vom Bus aus sehen wir eine schwarze Schlange am Wegrand, erfreulicherweise quicklebendig und nicht ihrer dritten Dimension beraubt wie viele ihre griechischen Kollegen.
„Prossima stazione Valdichiesa“ ruft der Fahrer, und außer mir steigen noch zwei Wanderer aus – ein französisches Paar. Viele Franzosen hat es auch hier. Sie streben sofort bergwärts ohne sich am Santuario della Madonna del Terzito aufzuhalten.
Ich hab es nicht eilig, und da die Wallfahrtskirche geöffnet ist - ein großes Gebäude mit zwei Glockentürmen, gehe ich auch hinein. Das Gebäude ist aus dem siebzehnten Jahrhundert, aber schon zu römischer Zeit soll ein Eremit hier gelebt und eine kleine Kapelle zur Anbetung der Muttergottes errichtet haben, die auch Wunder bewirkt haben soll. Womit der Ort einer der ältesten der Marienverehrung im Mittelmeerraum sein soll. Die Kapelle wurde später vergessen und verfiel, die Insel wurde zeitweise verlassen. 1622 hörten Leute hier bei Arbeiten im Wald den Klang einer Glocke, dem sie folgten und dann die Ruine der Kapelle mit einem Marienbild fanden. So wurde hier eine neue Kirche gebaut. Mhh, die Geschichte könnte auch in Griechenland stattgefunden haben, nur wäre es dort eine Ikone gewesen, und der Evangelist Lukas hätte sie gemalt… Apropos griechisch – in der Nähe haben Archäologen antike Votivfiguren gefunden – Demeter und Persephone.
Mit gefallen vor allem die (neuen) Glasfenster, die die Kirchen schmücken. In den großen angrenzenden Gebäuden befindet sich jetzt ein Alten- und Pflegeheim.
Nun orientiere ich mich bergwärts, umrunde die Kirche und nehme den unmittelbar beginnenden steilen Anstieg in Angriff. Auf äolischen Stufen geht es erst durch Weinberge und dann schnell in einen dichten Wald. Der Weg verläuft fast in der Falllinie, weiter oben kreuzt immer wieder eine Forststraße, die man nehmen kann wenn man die äolischen Stufen leid ist und dafür lieber etwas weitere Wege geht (was bei mir der Fall ist. Wobei ich ein Mal schlicht den Einstieg in den schmalen Weg verpasse nachdem dieser die die Forstpiste gekreuzt hat). Nach einer Viertelstunde hat man einen schönen Blick hinunter auf die Wallfahrtskirche und den dahinter liegenden, kahleren Kegel des Monte dei Porri. Später, weiter oben, tauchen dahinter in einer Reihe weitere Kegel auf – die Inseln Filicudi und Alicudi.
Der Weg ist problemlos zu finden und an einigen Kreuzungsstellen beschildert. Trotz der schattenspendenden Vegetation schwitze ich ordentlich. Wieder sehe ich eine schwarze Schlange, es muss sich um die hier schwarzgefärbte Variante der gelbgrünen Zornnatter handeln. Ungiftig zum Glück, und außerdem so scheu dass sie sich im hohen Gras versteckt ehe ich den Fotoapparat zücken kann.
Nach vielleicht anderthalb Stunden erreiche ich das Rifugio Monte Rivi, eine (geschlossene) Forsthütte, die sich unterhalb eines Vorgipfels auf ungefähr achthundert Höhenmetern befindet. Die Holzbank davor lädt zur Rast ein. Begegnet bin ich bisher genau niemand – die vorauseilenden Franzosen von unten müssen schon über alle Berge sein.
Bis zum Gipfel des Monte Fossa delle Felci ist es nun nicht mehr soo weit, und auch nicht mehr so steil. Immer noch versperren Bäume die Aussicht, und so angenehm das wandertechnisch ist, so sehr nervt es doch, keinen Überblick zu haben! So rein vegetationstechnisch fühlt sich das hier auch nicht groß anders an als der Schönbuch. Da lob ich mir Stromboli oder andere, eher kahle Inseln (Vulcano wird bestens geeignet sein).
Nun ist der Monte Fossa kein Kegel mit einer Spitze, sondern eher einer mit einer Delle. Was man auf Google Earth gut sieht, denn der Weg führt entlang des „Randes“ der Delle. Mein Weg mündet auf diesem Weg, und ich weiß nicht so recht wo denn nun der Gipfel ist. Wende mich dann nach links, und komme vorbei an einem Mast an eine weitere Forsthütte mit Solarpaneelen davor. Im Schatten des Vordaches sitzt ein blondes Paar, die verschwitzen Klamotten über zwei Holzbänke gebreitet. Ich frage „Summit?“ und sie bejahen. Toller Gipfel ohne Sicht. L Man kann aber über einige Stufen auf einen Felsen und weiter auf ein exponiertes Plateau steigen, was ich dann auch gleich mache. Und nun hat man immerhin einen sehr guten Ausblick nach Südosten, hinab nach Lingua mit der Lagune, hinüber nach Lipari und dahinter Vulcano. Schöner Platz! Leider sieht man aber nicht nach Südwesten, Richtung Leni und Rinella hinab – zu hohe Bäume.
Es ist zwölf Uhr mittags, von Santa Marina herauf (das man nicht sieht) ertönt ein Glockenspiel. Das blonde Paar ist nachgekommen, sind das nicht die beiden von unserer „Villa Gelso“? Sie fragen wo ich hergekommen bin, und wie lange ich gebraucht habe. Knapp zwei Stunden inklusive Rast. Sie sind von Santa Marina heraufgekommen, was wesentlich länger ist, schon um halb neun Uhr sind sie dort aufgebrochen und jetzt ziemlich fertig. Von Santa Marina – dann sind sie wohl doch nicht aus unserem „Il Gelso“. Ich erkläre ihnen, dass das Valdichiesa gut ausgeschildert ist, und man auch gut den Forstweg nehmen kann wenn man nicht ständig darauf achten möchte wohin man tritt. Sie gehen weiter.
Ich sitze noch ein wenig vor der Hütte, telefoniere mit der Mutter (sie soll doch beim Bäcker eine Pizza holen bevor der schließt) und lasse mich von der Sonne trocknen. Dann gehe ich auf dem gleichen Weg zurück und merke dann bei einer Kreuzung, dass das eben doch nicht der Gipfel war! Den finde ich nun weiter nördlich. Und wie es sich gehört hat der auch ein anständiges Gipfelkreuz auf einem Steinhaufen, und wenigstens halbwegs freiem Blick auf den Monte dei Porri. Unter dem Steinhaufen ist eine Tafel angebracht: „Isola Salina“, „K2 freedom 2007“ und „affinché tutti siano una cosa sola“ steht darauf. „Auf dass sie alles eins seien“ – aus der Bibel, Johannesevangelium. Der Stein wurde 2011 von dem Bergsteiger Daniele Nardi aufgestellt, der im Februar 2007 vor seiner Expedition auf den K2 schon auf dem Monte Fossa war. Einer seiner Kameraden ging beim Abstieg vom K2 im Schneesturm verloren (siehe italienische wikipedia). Es gibt einen RAI-Dokumentation über diese K2-Tour, „K2: Il sogno, l'incubo“ (ich hoffe, ich hab mir das jetzt aus dem Internet richtig zusammengesucht und übersetzt). Was nun der Monte Fossa mit dem K2 zu tun hat, erschließt sich mir nicht so richtig.
Kurz vor ein Uhr mache ich mich an den Abstieg. Zunächst auf dem gleichen Weg zurück bis zum Rifugio Monte Rivi. Von hier aus möchte ich auf einer relativ neuen Route direkt nach Malfa absteigen, vorhin habe ich einen Wegweiser dorthin gesehen, und Peter Amann nimmt diese Route in seiner Tour 18 als Aufstieg. Ist allerdings ziemlich steil. Und irgendwie habe ich übersehen, dass im MM-Führer auf Seite 185 vom Abstieg auf dieser Route abgeraten wird, da der Untergrund sehr rutschig ist. Wie recht diese Aussage hat werde ich in den folgenden anderthalb Stunden nur zu sehr erfahren!
Zunächst verpasse ich aber irgendwie die Abzweigung, gehe stattdessen eine Forststraße hinab. Bin ich hier auch heraufgekommen? Sieht so anders aus… In einem Knick dann doch das Schild nach Malfa, Hinweis auf einen schmalem Waldweg, der hier nach rechts abzweigt und zunächst noch ganz zivil verläuft, nur sanft bergab. Der Weg wird immer gut zu erkennen sein, aber nach zehn Minuten ist das dann auch schon das einzig Positive, was über ihn zu sagen ist. Und dass er im Schatten der hohen Bäume liegt. Eukalyptusbäume sind es, und ihr trockenes Laub haben sie großzügig auf dem Weg verteilt. Was dem Weg zu seiner Steilheit und dem losen Staubsandgeröll noch eine weitere Rutschkomponente verleiht. Und mir den Angstschweiß aus den Poren treibt: denn hier geht es direkt steil bergab – wenn man hier ins Rutschen kommt, dann hält einen nichts. Außer mit Glück ein Baum, zehn, zwanzig Meter weiter unten. Und ob man dort dann irgendwann von irgendjemand gefunden wird? Man sollte hier besser nicht alleine wandern….
Ich gehe also sehr, sehr, sehr vorsichtig, prüfe jeden Schritt. Rechts jenseits eines Taleinschnittes ragen einige rote Felsenzacken aus dem Wald in die Höhe, unter mir, gar nicht so weit weg, liegt Malfa. Aber wenn jeder Schritt kontrolliert sein will, dann dauert das trotzdem. Gelegentlich hilft ein beherzter Griff in das Grün am Wegrand, Farne (die namensgebenden felci), Sträucher, Kiefern, Kastanien. Später hat es Holzgeländer und Stufen, nicht alle in solidem und vertrauenserweckendem Zustand. Und der Schatten wird weniger, die Vegetation niedriger. Links kommt wieder der Kegel des Monte die Porri heraus. Auf dem Meer jenseits von Malfa kein Schiff zu sehen, in einem dunstigen Streifen aber das Festland.
Irgendwann dann eine kleine Hütte links des Weges, Platz für eine letzte Rast mit schönem Blick auf Malfa, das im samstagnachmittäglicher Ruhe still da liegt… Die Nase läuft mir ohne Ende, irgendetwas Allergisches? Oder einfach eine Überreaktion auf den Weg?
Auch beim weiteren Weg gilt es nicht zu überstürzen selbst wenn jetzt der nahe Ort lockt. Ein Stolperer bremst mich schnell. Siga siga, piano piano.
Das letzte Wegstück führt dann durch hohes Gras und Farne – von unten kommend hätte ich starke Zweifel, dass es hier weitergeht. Über einen Hinterhof und eine schmale Zufahrt lande ich an der Straße bei der oberen Kirche. Ächz, geschafft! Nicht nur der Abstieg, ich auch. Eine Stunde vierzig Minuten habe ich ab dem Gipfel gebraucht, und noch viel länger ist es mir vorgekommen. Der Aufstieg war deutlich harmloser!
Auf den asphaltieren Wegen spüre ich jetzt meine weichen Knie. Die angespannten Waden. Hatte eigentlich gedacht in der Bar an der Piazza noch auf eine Granita einzukehren, aber ich fühle mich nicht zivilisationstauglich. Auf dem schnellsten Weg runter ins „Gelso“. Von 962 auf etwa 50 Meter über Meer hinab, das hinterlässt auch bei Wandererprobten Spuren. Gegen halb drei sinke ich auf einen Liegestuhl auf unserer Terrasse und bin dann erst mal eine Weile unfähig mich zu rühren. Nach einer Dusche und einem Stück Foccacia geht es mir wieder besser. Aber Salina ist kein leichtes Brot für Wanderer, trotz der gut beschilderten und schattigen Wege. Das werden wir drei Tage später nochmals merken.
Einige Stunden später bummeln wir durch den Ort noch hinab zum Strand, der nur in guter Wurfweite unserer Unterkunft entfernt liegt. Kein bequemer Strand, er besteht aus fußball- bis polstergroßen Kieselsteinen, nur ganz vorne am Ufersaum wird es feiner und hat auch ein bisschen Sand. Ein bizarrer Felsen steht am linken Rand. Eine Felsenwand schließt den Strand zur Insel hin ab, davor wird auf einer Holzplattform für eine Strandtaverne gehämmert und gesägt. Baden wollten wir sowieso nicht, wir sitzen nur auf den Steinen und genießen den Blick aufs Meer. Stromboli und Panarea sind zu sehen. Stromboli hat eine Halskrause aus Wolken, Panarea einen Hut. Klar, Panarea ist auch nur halb so hoch über dem Meer wie Stromboli.
Den Weg wieder hinauf und ein Stück nach Osten kommt man – vorbei am Hotel Punta Scario - zum Hafen von Malfa. Da halten aber keine Ausflugsschiffe von anderen Inseln und schon gar keine Fähren, was man aber gerne ändern möchte. Weshalb dort jetzt (aus-)gebaut wird. Wir schauen nur von oben hinab, ich bin zu müde, dort noch hinabzusteigen. Wir sind ja noch ein paar Tage da.
Zu Abend essen wir wieder im „A’Lumeredda“. Es ist einfach schön, dort auf der Terrasse zu sitzen, die Caponatina ist wieder soo lecker. Der Salat vorab ist aus Kapazitätsgründen gestrichen, die Pastaportionen lassen keine Wünsche offen.
Malfa – finden wir gut!
Aber morgen möchten wir einen Abstecher auf die Nachbarinsel Filicudi machen.