Abreise von Kreta

Am Donnerstag schlafe ich länger - ich darf bis 11 Uhr auf dem Zimmer bleiben. Beim Frühstück merke ich: der Wind ist weg. Wäre jetzt schön zum draußen Sitzen und zum Baden, aber um 11 Uhr fährt auch mein Bus, und ich muss noch packen und bezahlen. Und für einen kurzen Strandspaziergang reicht die Zeit noch. Das Nautilos Bay Hotel kann ich empfehlen - schön gelegen, gut ausgestattet und geräumig, sehr nette Wirtsleute und Personal.

 

Statt in den Ort hinein gehe ich mit meinen Trolley direkt zur Busstation, das ist näher. Kaufe gleich beide Bustickets, von Kissamos nach Chania um 11 Uhr (5 Euro zehn), und von Chania nach Iraklio um halb eins (16 Euro). Ich schätze, dass ich dann um halb vier, vier in Iraklio bin. Einen Zwischenstopp mit Überraschungsbesuch in Georgioupoli verwerfe ich - es ist Gründonnerstag und ich erwarte einigen Reiseverkehr und gut gebuchte Busse. Und mit dem Gepäck durch den Ort - nein, das will ich heute auch nicht.

Der Bus fährt pünktlich ab, und der erste Teil der Fahrt geht schnell. Aber je mehr wir uns Chania näher, desto häufiger muss er halten, weil Fahrgäste - meist internationale Touristen der Strandorte zwischen Tavronitis und Chania - zusteigen. Schon ganz schön viel los für einen 2. Mai. Und vor Chania steht der Bus im Stau. Heute will alles in die Stadt. Als der Bus um zwölf Uhr zwanzig endlich in die Busstation von Chania einfährt, muss ich gleich umsteigen und kann mir keine köstlichen Lichnarakia mehr im nahen Laden kaufen. Schade. Am Busbahnhof von Chania sind viele Leute am Warten, Umsteigen, Pakete versenden. Karwoche. Gründonnerstag ist Großkampftag für Reisende.

 

Die Weißen Berge verhüllen sich heute mit Wolken, aber an der Küste ist das Wetter schön. Im nächsten Bus fallen mir hinter Souda - der Bus hält dort am Fähr- und Kreuzfahrthafen - die Augen zu, und die weitere Fahrt krieg ich nur stückweise mit. Erst kurz vor Iraklio bin ich ausgeschlafen. Fast drei Stunden dauert die Fahrt, um 15 Uhr zwanzig sind wir in Iraklio. Den neuen Busbahnhof kenne ich noch nicht, er ist etwas weiter hinter dem Hafen.

 

Bis zur Abfahrt meines Schiffes habe ich jetzt noch gut über fünf Stunden Zeit. Am Busbahnhof gibt es eine Gepäckaufbewahrung. Da diese allerdings auch als Verteiler für den innerkretischen Versand von Paketen und Sendungen fungiert, ist dort die Hölle los. Alle wollen vor Ostern noch Sachen verschicken oder abholen, und die Schlange geht bis vors Gebäude. Als ich glücklich zur Theke drinnen vordringen, bezahle ich drei Euro und bekomme ein Barcodeetikett fürs Gepäck und einen Abholschein. Aber niemand ist dafür zuständig, das Gepäck an der zweiten Theke in Empfang zu nehmen und kontrolliert zu verstauen. Dafür schiebt sich eine breite Gepäckkarre ihren Weg frei, und ungeduldige Kreter drücken sich vorbei zu den Regalen auf der Suche nach erwarteten Sendungen. Gut, da muss ich selber tätig werde und bugsiere meinen Trolley ganz nach hinten. Dort werde ich ihn genauso später wieder holen, unbehelligt von aufpassendem Personal. Wir sind ja auf Kreta, und da wird nicht gestohlen.

 

So, und nun? Ich bummle durch die Innenstadt, ziellos. Es ist echt viel los an diesem sonnigen Nachmittag, und keineswegs nur ausländische Touristen. Ist der Megali Pempti eigentlich Feiertag in Griechenland? Ich esse ein Eis am Morosini-Brunnen, zottele durch die Marktgasse und brauche dann noch einen Kaffee um wieder halbwegs wach zu werden. Ein paar Lichnarakia als Proviant können auch nicht schaden, die gibt es hier ja auch.

 

Schließlich noch ein Spaziergang hinauf zur Martinego-Bastion um das Grab von Nikos Kazantzakis mit dem legendären Grabspruch zu besuchen: Ich erhoffe nichts, ich befürchte nichts, ich bin frei. Darüber habe ich schon manchmal gegrübelt. Ein Leben völlig in der Gegenwart? Ohne Ängste ist ja schön, aber ohne Hoffnung? Mhh, es ist vor allem ein Grabspruch. Wer tot ist, hat weder Ängste noch Hoffnung.

 

Das Grab ist in einem wesentlich besseren Zustand als ich es von meinem letzten Besuch in Erinnerung habe. Wie lange ist das her - 15, 20 Jahre? Ein anderer Besucher macht mich darauf aufmerksam, dass einige Meter entfernt, umrahmt von einer Hecke, das Grab von Kazantzakis' Frau Eleni liegt, die 2004 mit fast hundert Jahren starb.

 

Von der Martinego-Bastion hat man einen gute Blick über die nördliche Stadt. Gleich vorne drängt ein moderner Neubau eine Backsteinkapelle an den Rand: das Städtische Kultur- und Kongresszentrum, durchaus imposant, und mit Steg auf die Bastion. Weil der aber verschlossen ist, überquere ich die Straße ebenerdig, und entdecke dahinter ein interessantes Viertel mit Graffiti an vielen Wänden.

Irgendwann bin ich dann wieder im gepflasterten Bereich der Fußgängerzone und am Morosini-Brunnen. Da ist es noch voller geworden. Sechs Uhr ist es inzwischen, eigentlich etwas früh für ein Abendessen, aber hungrig wäre ich schon. Und um acht will ich aufs Schiff.

 

Ich strebe also dem Historischen Museum am westlichen Rand der Altstadt zu, und meinem präferierten Restaurant dort, "I Avli tou Defkaliona". Es hat schon geöffnet, und auch wenn es im Schatten etwas frisch ist, sitze ich draußen mit Blick auf einen kleinen Platz und den endlosen Abluftkamin des benachbarten Lokales, der beinahe wie ein riesiger Weihnachtsbaum aussieht. Mit entsprechender Beleuchtung könnte man da saisonal sicher etwas draus machen.

Die Preise sind hier sehr zivil. Ich bestelle Moussakas und dazu ein Glas Raki, Wasser bekommt man kostenlos und automatisch in einer Glasflasche hingestellt, Brot brauche ich nicht. Schmeckt ausgezeichnet, und als Zugabe gibt es noch ein Tellerchen Loukoumades. Gerade mal 13 Euro bezahle ich, und ziehe gestärkt hinüber zum Busbahnhof, wo das Getümmel etwas nachgelassen hat und ich meinen Trolley unkontrolliert herausbugsiere.

Zum Hafen ist es nicht weit. Eine lange Schlange wartet auf Einlass in die "Festos Palace", aber es geht zügig voran.

Ein echter Glücksfall für mich, dass Minoan Lines seit zwei Monaten fast jede Nacht auf ihrer Fahrt von Iraklio nach Piräus in Milos stoppt. Nicht uneigennützig allerdings, denn damit werden EU-Umweltabgaben gespart, die sonst anfallen würden. Außerdem kostet die Passage nach Milos gleich viel wie die nach Piräus, womit manche Plätze doppelt verkauft werden.

 

Da ich wegen des Osterreiseverkehrs mit einem vollen Schiff rechne, habe ich mein Ticket schon vor Wochen online gekauft, und zwar einen sogenannten VIP-Sitz. Der kostet mit 57 Euro 15 Euro mehr als ein normaler Deckplatz, aber das gönne ich mir. Schließlich muss ich mir die zweite Nachthälfte unbehaust um die Ohren schlagen. Mit der Buchungsbestätigung kann ich direkt an Bord.

 

Das Gepäck lasse ich wie immer unten im Schiff, nur meine Tasche mit Wanderstiefeln (passten nicht mehr in den Trolley) und Proviant (ein Fläschchen Rotwein für besseren Schlaf) nehme ich außer meinm Rucksack mit nach oben, wo mich eine Stewardess in Empfang nimmt und mir meinen Platz zeigt - einen komfortablen Sitz mit kleinem Bildschirm im Vordersitz und reichlich Platz und Abstand. Viel besser als die Air Seats bei Blue Star Ferries. Ich bekomme auch eine Chipkarte, mit der ich die Toilette und den VIP-Raum aufschließen kann und muss, so dass diese für Deckpassagiere nicht zugänglich sind. Finde ich gut.

Nicht alle VIP-Seats sind ausgebucht, obwohl mir die Buchungsmaschine das zwischenzeitlich angezeigt und mit einen Schrecken verpasst hatte. So hatte ich schnell eine Deckpassage gebucht, konnte dann aber noch upgraden.

 

Entgegen meinen sonstigen Gewohnheiten gehe ich zur Abfahrt nicht auf Deck. Draußen ist es dunkel geworden, drinnen flimmert irgendwann Fußball über zahlreiche Bildschirme: Olympiakos Piräus gegen Aston Villa, Halbfinal-Hinspiel der Conference League, und Piräus gewinnt. Bei jedem Tor der griechischen Mannschaft geht verhaltener Jubel durch den Raum, ein Stöhnen bei Gegentoren. Bei vier zu zwei einiges an Geräusch, aber ich bin müde genug um trotzdem schlafen zu können.

 

Nach zwei Uhr kommt dann der Weckruf: Passagiere nach Milos bitte fertig machen zum Aussteigen.

Teil zwei meines Urlaubes beginnt.