Der Dienstag empfängt uns mit schönstem Erstem-Mai-Wetter - der Feiertag wird ja heute nachgeholt. Vermutlich hat der Bäcker deshalb geschlossen. Gut, dass wir noch reichlich Tzoureki haben.
Gegen zehn Uhr wandern wir los, hinauf Richtung Minoa. Unser Ziel ist das Kloster Agios Georgios Valsamitis, das man vom Marmara-Sattel bei Minoa aus über ein Monopati erreicht. Eine schöne und wenig anstrengende Wanderung, die wir vor 16 Jahren schon mal gemacht haben. Wir verlassen Katapola dazu auf dem Weg, der am Café "Meli & Kanella" abzweigt und zu den zahlreichen oberhalb gelegenen Quartieren führt. Der Fußweg mündet nach wenigen Metern in einer weniger schönen Betonpiste, die sich auf 150 Meter hinauf schlängelt. Der Ginster am Wegrand beginnt eben zu blühen, und ein Pferd steht auf dem Weg und guckt uns neugierig an. War das nicht schon beim letzten Mal so? (Ja, nur weiter oben.)
Plötzlich kommt uns ein Taxi-Corso entgegen - gleich vier vollbelegte Taxis. Das sind wohl die Passagiere der beiden Zweimaster (Gulet) "Aegean Clipper" und "Irgendwas-Wings" eines englischen Reiseveranstalters , die seit gestern unten im Hafen liegen. Zweiwöchige Edel-Cruises für 3.775 Pfund, maximal 18 Gäste pro Yacht - wer's hat. Nein, wir sind jetzt auch gar nicht neidisch. :-)
Nach gemütlichen 45 Minuten sind wir auf dem Sattel (an der Kapelle zieht der Wind beträchtlich - keinen Ort für eine kurze Pause), lassen Minoa rechts liegen, wenden uns nach links und suchen den Einstieg in das Monopati. Hinter bzw. etwas oberhalb des linken Hauses zweigt er ab, er ist sogar markiert.
Ein schöner Weg, nur am Anfang etwas zugewachsen. Er verläuft mehr oder weniger auf einer Höhe unterhalb eines Felsenkammes. Die terrassierten Hänge unter uns sind grün, nach Nordosten hat man einen guten Blick auf die breitgestreckte Chora mit dem Kastrofelsen links und den Windmühlen rechts. Nur unser Ziel, das Valsamitis-Kloster, versteckt sich noch hinter dem Bergrücken - natürlich ist es von der Küste aus nirgends einsehbar. Es duftet nach Thymian, die grünen Strauchkissen sind violett durchsetzt.
Wir passieren eine Kapelle und einen wasserführenden oleanderbewachsenen Bachlauf. Weiter vorne ist ein Haus, von dort führt ein Alternativweg nach Katapola hinab. Ob er gut zu finden ist? Wir sehen von der Ferne vier Wanderer dort heraufkommen, zwei Männer und zwei Frauen, ich glaube, es sind unsere Norweger. Wenn wir sie treffen werde ich sie fragen wie der Weg ist.
Hinter dem Haus macht der Weg eine Biegung nach rechts, und plötzlich sehe ich, dass uns auf dem schmalen Weg Menschen entgegenkommen. Viele Menschen im Gänsemarsch, und der erste trägt einen Bilderrahmen, ein weiterer etwas Größeres. Auch ein Papas zu erkennen - es ist eine Prozession! Man trägt eine Ikone des heiligen Georg vom Valsamitis-Kloster hinab nach Katapola. Wir räumen den Weg und lassen die Prozession passieren. Die große Ikone scheint schwer zu sein, ein kräftiger Mann hat sie geschultert und mit einem Tuch fixiert. Der Pappas trägt auch eine Ikone, eine kleine mit der Panagia, ihm folgen vierzig, fünfzig Menschen - Männer, Kinder, Frauen. Letztere haben teilweise Schuhwerk an, das ich für diese Gelände nicht unbedingt als geeignet bezeichnen würde...
Wir sind perplex, denn der Weg bis Katapola ist weit, und wir haben ja mit manchem gerechnet, aber nicht mit dieser Begegnung. Ehrfürchtig wünschen wir den Prozessanten "chronia polla" und werden von der Frau, die den Schluss des Zuges bildet, mit einem großen Stück geweihten Brot, Artos belohnt. Erst möcht sie das Brot teilen, mangels Messer gibt sie uns aber das ganze Stück. Prima, es gab ja keines zum Frühstück.
Kalo dromo!
Zum Kloster ist es nun nicht mehr weit, nach wenigen Minuten sehen wir es liegen, an der Straße sind die Autos der weniger Gehfreudigen und -fähigen geparkt, die ebenfalls gerade abziehen. Da kommen wir wohl etwas spät. Noch durch ein Tor, dann mündet das Monopati oberhalb des Klosters in die Straße.
Das Kloster wird offenbar von einer Blumenfreundin gepflegt und sieht wie aus dem Ei gepellt aus. Im schattigen Hof vor der Kirche sitzen die vier Norweger, eine Nonne und zwei, drei Frauen räumen gerade auf. Wir kommen ins Gespräch mit den Norwegern (der Alternativweg ist wohl nicht so gut zu finden und steinig), und weil wir der Klosterkirche nicht die nötige Aufmerksamkeit zukommen lassen, schließt eine der Griechinnen demonstrativ die Kirchenpforte. Upps.
Na, egal, wir vespern jetzt erst mal, teilen unser Artos mit den Norwegern (die ich heute früh auch erfolglos den Bäcker habe aufsuchen sehen).
Das ist schon ein wirklich schöner Ort hier, so geschützt zwischen den Bergen und mit einer Quelle und den vielen Blumen. Und es lebt auch inzwischen eine Nonne hier, die ich aber nur kurz in der Küche haben verschwinden sehen.
Die Norweger gehen wieder, sie werden jetzt unseren Weg nehmen, und wir werden ihnen später folgen. Aber vorher würde ich schon gerne einen Blick in die Kirche und auf das Wasserorakel werfen. Ich frage freundlich die in der Küche beschäftigten Frauen, und widerwillig wird die Türe von innen geöffnet und wir dürfen eintreten.
Rechts befindet sich eine kleine Kabine mit einer Ikone und einer Rinne - hier lief das Quellwasser durch, aus dem geschöpft und dann das Orakel gelesen wurde. Ich stelle mir das so ähnlich vor wie das in Griechenland noch weit verbreitetet Kaffeessatzlesen. Seit byzantinischer Zeit soll dieser Brauch bis in die Neuzeit gepflegt worden sein. In der Achtzigern ließ der Bischof von Naxos das Orakel zuschütten, aber man hat es später wieder freigelegt. Ob man heute darauf noch die Zukunft erfahren kann?
Die Georgs-Ikone ist übrigens da, und nicht me ta podia auf dem Weg nach Katapola. Das muss eine andere sein. Als Nichtorthodoxe haben wir ihr nicht die obligatorische Küss-Prozedur zukommen lassen, und so komplementiert uns die Frau, die die Pforte geöffnet hat, schnell wieder hinaus. Nicht ohne uns einen weiteren Monsterbrocken Artos zu schenken. Draußen bekommen von einer anderen Frau auch noch zwei rote Eier. Das finden wir echt nett, wir hatten ja noch keine.
Der Abt des Kloster Chozoviotissa, Spiridon, erscheint dann auch noch, zeigt griechischen Besuchern die Kirche.
Zeit für uns, sich auf den Rückweg zu machen.
Der Weg ist nun gut geräumt, nach einer Stunde sind wir wieder am Marmara-Sattel. Ich möchte noch auf den Minoa-Hügel hinauf um ein paar Panorama-Fotos zu machen.
Irgendwie hatten wir vergessen, dass es vom Sattel bis zum Eingang auf das Grabungsgelände noch ein Stück ist. Ich marschiere voraus, passiere das Törchen und wende mich gleich nach rechts um dort an den Nordrand des Hügels zu gelangen.
Das Gelände samt Beschilderung sieht vernachlässig aus, und wo ich hochklettere, ist auch kein Weg zu erkennen. Aber ich komme an den Rand des Plateaus und genieße die Aussicht auf Katapola vor mir, und auch den Blick ins Land. Außer mir halten sich nur ein paar Ziegen auf dem Gelände auf, vermutlich galten ihnen auch die Zäune, von denen nur noch Fragmente übrig sind.
Diese tiefe Bucht von Katapola ist schon schön, mit ihren drei weißen Ortsteilen am Ufer. Wenn der Wind nicht so böig wehen würde, das Fotografieren wird verwackelt.
Eigentlich ist der Weg durch die Ruinen und Mauerfundamente mit Pfeilen beschildert. Um wieder hinab zu kommen, folge ich diesen bis nach oben, allerdings weist der letzte Pfeil auf keinen erkennbaren Weg, sondern über steile und lose Hänge (ja, irgendwo dort bin ich raufgekommen, aber runter ist nicht so einfach). Ich gehe also in Gegenrichtung der Pfeile gegen den Uhrzeigersinn um den ganzen Hügel herum und komme so noch in den Genuss des Anblickes der Westseite der Insel.
Dann schnell zur Mutter hinab, die am Eingang gewartet hat, und auf der Betonpiste wandern wir knieunfreundlich wieder nach Katapola hinab, wo wir uns im "Meli & Kanella" eine (nicht ganz preiswerte) Erfrischung und Kuchen gönnen. Wenn man im Schatten sitzt, friert man schnell, leider belegen die Norweger den einzigen Sonnentisch.
Danach unternehme ich einen letzten Amorgos-Badeversuch am Weststrand von Katapola bei der Pension "Eleni", aber selbst in der Sonne ist der Wind kalt, und eine Badeversuch verbietet sich völlig. Was hatten wir am ersten Tag noch ein Glück mit dem Wetter! Schade, dass es nicht angehalten hat.
Ich nutze eine Strandliege wenigstens für ein Sonnenbad, bis ich durchgefroren bin.
Frühjahrsurlaub auf Amorgos - nichts für Warmduscher.
Am Abend kaufen wir die Tickets für die "Blue Star Paros" morgen früh um sechs Uhr nach Naxos, bummeln etwas durch die Läden und gehen schließlich im "Corner" essen. Während wir Lamm mit Kartoffeln aus dem Ofen und Fischfilet mit Gemüse verzehren (das Lamm konveniert der Mutter nicht so recht, während mir der Fisch gut schmeckt), geht schon wieder ein Regenschauer nieder. Wir sitzen draußen, aber das Verandadach ist zum Glück dicht.
Weil Maria, unsere Wirtin, oben in Chora ist und heute nicht mehr kommen kann, vereinbaren wir telefonisch, dass ich die restliche Zimmermiete dort bar liegen lasse. Der Aufenthalt in der "Pension Amorgos" war wirklich sehr schön und ist zu empfehlen.
Nachts gegen drei Uhr kommt die "Blue Star Paros". Sie legt an und wird entladen - und legt wieder ab. Was mich schnell zu unseren Tickets hechten lässt: doch, da steht sechs Uhr drauf. Wo kann die Fähre denn hin wollen?
Sie dreht nur einen Runde in der Bucht und legt dann wieder an. Warum auch immer.
*
Kurz vor sechs Uhr sind wir auf der Fähre, und wir sind die letzten - noch während wir unser Gepäck verstauen, geht die Klappe schon vor sechs Uhr hoch. Was mir die Gelegenheit für die Aufzeichnung eines musikalischen Kurzgrußes für Elise gibt:
Das Schiff ist gut belegt: der nachösterliche Rückreiseverkehr.
Ein schöner Sonnenaufgang verwöhnt uns auf See zwischen Katapola und Koufonissi.
Dort wird das Schiff richtig voll und der zipfelmützige Papas am Ufer segnet die Abfahrenden. Per Durchsage werden die Passagiere gebeten, mit ihrem Gepäck nicht die Sitze zu blockieren oder sich zu breit zu machen. Das habe ich auch noch nie erlebt.
Der Stopp in Schinoussa dauert keine drei Minuten, der in Iraklia ist nur unwesentlich länger. Auch hier wird fleißig zugestiegen, die "Blue Star Paros" ist die schnellste Verbindung nach Piräus. Das Deck ist jetzt voll, unser Tisch wird von einer freundlichen griechischen Familie mit Kampffisch ("Gladiator") im Glas okkupiert. Kein Problem, wir reisen ja nicht so weit, nur bis Naxos. Sowohl in Schinoussa als auch in Iraklia geht ein Müllauto an Bord - offenbar wird der dortige Inselmüll auf Naxos deponiert (oder was auch immer).
Nach neun Uhr verlassen wir in Naxos das Schiff. Unsere Anschlussfähre, die "Blue Star Delos" geht erst um zehn vor eins. Wir deponieren für happige sieben Euro unsere Trolleys in der hervorragend organisierten Gepäckaufbewahrung neben dem KTEL-Büro und frühstücken im Lotto-Café (kleine Gedenkminute an Arion, aber uns reicht eine Tasse Kaffee - an Bord wurde uns der überteure große Becher Nescafé verkauft).
Danach ein Stadtbummel: es ist noch Vormittag und -saison und kaum was los, die Saisonvorbereitungen sind heftig im Gange. So kann mir Naxos gefallen, das ich zuletzt im September schrecklich überfüllt fand.
Und diese Menge an Läden mit hübschen Dingen, die man zwar nicht braucht, aber die wenigstens originell und teilweise unverwechselbar sind. Vor allem in der Tsepi/Pocket Gallery Naxos könnte ich mein Geld ausgeben: Keramik und Schmuck unter anderem aus Kreta werden hier angeboten. Nicht billig, aber hochwertig.
Noch vor Richtung Portara, der Blick auf die dunkle Küste mit den weißen Häusern, das blaue Meer davor, schon wieder regendräuende Wolken darüber. Dramatische Stimmung.
Vielleicht sollte ich doch mal wieder ein paar Tage Naxos in Angriff nehmen....
Um halb eins kommt dann unsere Fähre, die wohlbekannte "Blue Star Delos", die laut den ursprünglichen Plänen in der Woche vor und nach Ostern Ios hätte gar nicht anlaufen sollen. Heute aber doch, was uns eine kostspieligere Überfahrt mit einer Schnellfähre erspart.
Schnell hinauf aufs Deck, das mit selfiestickbewehrten Asiaten bevölkert ist. Sie filmen sich ununterbrochen und in allen Positionen, verhalten sich dabei lautstark und ausgelassen wie Kinder auf Schulausflug und sind völlig distanzlos. Nervt. Wollte ich nicht mal wieder nach Santorin? Lieber doch nicht, wenn alle diese Menschen die "Trauminsel" zum Ziel haben.
Sie werden doch sicher nicht nach Ios wollen, dem wir uns nun schnell nähern.