Als gegen sieben Uhr die Sonne aufgeht, bin ich auf dem Balkon:
Wow – was eine Aussicht! Über Langada und das Tal nach Tholária gegenüber hinüber, und über das Hoteldorf des Aegialis Hotel & Spa hinab bis zu einer Ecke von Egiali. Und da links schwebt die Insel Nikouria, während man rechts auf gleicher Höhe die Kirche der Panagia Epanochoriani sehen kann. Die Amaranto-Studios sind wirklich eine gute Wahl!
Wir wollen ja nur drei Tage bleiben, und da lohnt es nicht, sich mit Frühstücksfressalien zu belasten. Also schaun wir mal wo wir hier ein Frühstück finden, und werden im Lokal „Machós“ an der Platia fündig, wo wir zum Nescafé einen Toast mit Käse, Schinken und Ei serviert bekommen, der satt macht. Das Lokal ist nach dem Windmühlenhügel oberhalb von Langada benannt.
Nettes Plätzchen ist das hier, man kann das Kommen und Gehen in Mini-Markt gegenüber beobachten, und was an Besuchern durch Langada flaniert kommt zwangsläufig auch hier vorbei. Die Bushaltestelle ist um die Ecke, noch gibt es drei Verbindungen täglich zwischen Egiali (Chora – Katapola) und Langada, ab Dienstag dann nur noch zwei (den Fahrplan gibt es hier).
Mit dem Bus ist Thomas gekommen, der plötzlich um die Ecke biegt. Wir kennen uns noch nicht persönlich, nur virtuell aus diversen Kretaforen. Aber er ist schon seit ein paar Wochen auf Amorgos, in Katapola, und will sich in Langada etwas angucken. Wir verabreden uns für kurz darauf, und tauschen dann bei einem Kaffee und O-Saft bei „Nikos“ Erfahrungen aus – er war schon auf dem Krikelos, wo ich gerne hin möchte, und auch sonst fast überall auf der Insel. Zu seinem nächsten Inselziel Anafi kann ich ihm dann ein paar Tipps geben. Und er rät mir von Naxos ab – hier wäre es doch viel schöner, und überhaupt wäre Langada das netteste Dorf auf Amorgos. Mhh, da könnte er recht haben.
Es ist nicht mehr so windig wie gestern, und die Sonne heizt ein. Wegen der wenigen Tage auf Amorgos habe ich mir ein straffes Programm zurechtgelegt, das für den Nachmittag die Besteigung des Windmühlenhügel Machós vorsieht. Das ist nicht weit, aber recht steil, Dieter Graf veranschlagt in seinem Wanderführer für hin und rück eine Stunde 35 Minuten reine Gehzeit.
Der Weg geht direkt hinter unserem Quartier aufwärts, der Esel unseres Vermieters steht dort und erschreckt die unten bleibende Mutter mit seinem knarrenden Geschrei fast zu Tode. Ein Kollege von ihm beäugt mich nur weniger Meter weiter neugierig. Wir werden in den nächsten Tagen merken, dass die Grautiere hier in der Landwirtschaft noch unentbehrlich sind.
Der Weg ist teilweise steinig, aber klar zu sehen. Er steigt zunächst an, dann muss man ein Tor öffnen, und sich später rechts halten, denn Dieter Graf nimmt nicht die Direttissima, sondern unwandert den Hügel und schleicht sich von hinten an die Mühlen an. Es ist eine steinige Gegend, Mauern und Phrygana überall, grüne Ecken und Felder bleiben unten zurück. Kristalle im Boden.
Die Mühlen kann ich schon sehen, und auch der Blick auf das unbewohnten Nikouria und ein paar Häuser von Potamos wird frei, während die Nachbarinseln im Dunst liegen. In einer Senke entlang einer Steinmauer scheuche ich zwei Schafe auf, wechsle kurz danach auf die andere Inselseite hinüber. Kein Blick auf Anafi oder Astypalea, es ist zu dunstig. Schade!
Da sind wieder diese kleinen merkwürdigen Puppen, oder sind es Schnecken, die haufenweise an einem Stein im Schatten kleben. Würde mich interessieren was das ist.*
Das letzte Stück geht weglos in der Falllinie zu den Mühlen hinauf. Steinige Sache, aber nicht so steil wie befürchtet.
Juhu, der erste Urlaubsgipfel wäre geschafft!
Sieben Mühlen in unterschiedlichen Zerfallszuständen ziehen sich über den Bergkamm. Von hier aus soll man auch auf den höchsten Inselberg, den Krikelos, kommen. Weglos, und entlang des Grates der steil abfallenden Südküste. Nein, kein Ehrgeiz in dieser Richtung heute, ist auch schon viel zu spät.
Kahl-karg verbrannte Landschaft soweit man guckt, mit weißen Flecken drin: Tholaria, und im Osten sehe ich das Kloster Agios Ioannis Theologos leuchten, etwa auf gleicher Höhe.
Die Mühlen hat man nicht aufgepeppt wie die bei der Chora, wozu auch. Sie sind schon lange nicht mehr in Betrieb, eine besteht fast nur noch aus einem Steinhaufen. Vermutlich waren die Mühlen hier auch nicht der einzige Rückzugsort für liebende Paare wie auf Karpathos (Roger Jinkinson schreibt darüber) – wenn man hier oben war, war die Energie für Liebesspiele weg. ;-).
Ich sitze am Fuß einer der Mühlen, und finde es herrlich, hier zu sein.
Dieser weite Blick, diese karge und doch so spannende Landschaft - wir sollten länger bleiben! Schöner kann es auf Naxos nicht sein! (Leerer sowieso nicht.) Allerdings hab ich nur den Fahrplan der Skopelitis im Kopf, nach Mittwoch fährt sie erst am Samstag wieder ab Egiali nach Naxos. Drei Tage länger auf Amorgos, drei Tage weniger für Naxos?
Naxos hatte bei mir noch nie eine Chance gegen Amorgos...
Eine Gipfel-SMS an Richi muss sein, die Antwort kommt postwendend, verbunden mit der Klage über die lange Autorückreise aus dem nichtgriechischen Urlaubsziel. Na, was sollen wir da sagen: wir haben zwei Tage bis Langada gebraucht. Aber was tut man nicht alles für die Nissomanie im Allgemeinen, und Amorgos im Speziellen? Mit der Antwort-SMS verbunden schicke ich die Bitte nach den Fährverbindungen ab Egiali. Offline sein ist zweifelsohne schön, hat aber auch Nachteile. (Eigentlich tun mir Leute leid, die in ihrem Urlaub ständig online sind und Statusmeldungen abgeben. Aber vielleicht ändert sich das wenn ich auch mal wieder solo unterwegs bin. Ich hoffe nicht…).
Der Abstieg vom Hügel erfolgt auf der direkten Linie ab der zweitwestlichsten Mühle, der Weg ist mit ein paar Steinmännchen markiert und gut zu finden. Dass es da oben auch eine Kapelle (Stavros) gibt, sehe ich später von unten, von oben ist sie mir entgangen.
Zweieinhalb Stunden nachdem ich Langada verlassen habe, bin ich wieder zurück, verschwitzt und glücklich. Bei der Mutter laufe ich mit meinem Vorschlag, länger zu bleiben, offene Türen ein. Gut, bis heute Abend können wir im „Anixis“ noch kostenlos stornieren oder umbuchen – das werden wir dann später tun.
Bei unserem Plan, uns später unten in Egiali für morgen ein Mietauto zu holen, belassen wir es aber. Gegen halb sechs gehen wir den breiten Fußweg hinab, entdecken dabei im unteren Ortsteil Langadas noch eine Taverne namens „Barys“.
Der Weg liegt in der prallen Spätnachmittagssonne, da wird uns sogar bergab gut warm. Und obwohl der Weg breit ist, empfehlen sich wegen der unbequemen Wegbeschaffenheit Wanderschuhe. Weil ich nachher das Auto steuern will hab ich die nicht an – nicht optimal. Etwa 35 Minuten brauchen wir bis wir in Egiali sind.
Wir nutzen die Gelegenheit gleich zum Einkauf – da gibt es im Mini-Markt doch leckeren Rakomelo und auch Raki pur, die unetikettierte Halbliterplastikflasche für jeweils vier Euro. Jeweils eine Flasche wandert über die Theke – man muss ja nicht den überteuerten Marken-Rakomelo kaufen. (Beide Alkoholika erweisen sich als sehr trinkbar.) Und weil wir ja doch länger hier bleiben wollen, kaufen wir gleich noch Käse, Oliven und beim Bäcker ein Tzoureki.
Ansonsten kann Egiali erneut nicht unsere Herzen gewinnen – einfach zu rummelig, zu strandbetont. Für Amorgos.
Nun weiter zu Thomas, dem Autoverleiher. Für 25 Euro mieten wir einen Suzuki Alto ohne Zusatzversicherung. Ein Rundgang mit Thomas um das Auto – ein Macken hinten links ist schon da. Und weil nur noch wenig Benzin im Tank ist, fahren wir gleich zur Tankstelle am anderen Ende der Egiali-Bucht und tanken Benzin für 8 Euro – wird natürlich morgen wieder nicht reichen - aber es gibt, oh Staunen, eine Quittung (der Liter unleaded95 kostet € 1,88).
Unweit der Tankstelle ist das Hotel und Restaurant "Askas", dort kehren wir ein. Strandnähe ist hier relativ – zwischen dem Hotel und der Ufer liegt noch ein breiter Streifen undurchdringbares Brachland. Die angebotenen Tagesessen stoßen nicht so auf unserer Gegenliebe – viele Auberginen-Gerichte, Okra ist auch nicht so unser Ding, und sonst Fisch und Fleisch vom Grill. Aber es gibt Skordalja, Tsatsiki und einen abgewandelten griechischen Salat mit pikantem lokalem Mizithra, Kapern und Paximadi. Ja, kann man nicht meckern. Schnell noch im „Anixis“ anrufen und die Ankunft auf Samstag umbuchen. Geht klar. Ob er uns am Hafen abholt? Wir sollen Bescheid geben wann wir kommen. Zu spät kommt Richis SMS mit der Info, dass die „Blue Star Naxos“ schon donnerstags und freitags um 7 Uhr von Egiali nach Naxos fährt. Drei Tage länger hier – passt schon!
Im Dunklen fahren wir bergwärts – Mist, in der in einer Gartenterrasse liegenden Taverne haben wir den Sonnenuntergang verpasst!
Später ziehen wir nochmals los: ab 21.15 Uhr würde es in der Taverne „Loukaki“ Live-Musik geben, und zwar Rembetiko. Stand auf einem Hinweiszettel im Dorf. Wir sind gegen halb zehn Uhr dort in der Seitengasse, und die Ängste der Mutter, dass es keinen Platz mehr geben könnte, erweisen sich als unbegründet: Noch keine Handvoll Zuhörer verliert sich an den sieben, acht Tischen. Zwei junge Männer mit Bouzouki und Gitarre und eine junge Frau mit Fingerzimbeln fangen gerade an, sich warmzuspielen. Sie gehören wohl zur Familie der Taverne, denn der Umgangston ist leger. Eine weitere Frau, die vorher noch geschwätzt hat, setzt sich irgendwann dazu, zieht ein Akkordeon aus der Hülle und spielt mit. Es dauert noch etwas bis sich die Tische füllen – ein griechisches Paar, das auch zu Essen bestellt (die Portionen mit Fleisch und Pommes sehen üppig aus, aber wir sind satt), eine Gruppe Engländer, die wie wir nur etwas trinken, noch ein paar Einheimische, die sich zu anderen setzen.
Zwei niedliche Kätzchen samt Mama – noch echter Typ Inselkatze: großohrig, schlank und hochbeinig - toben auf dem Boden herum, halten aber schüchtern Abstand zu Streichelwilligen.
Die Musik ist ganz ordentlich, mehr Laika als klassisches Rembetiko, und ohne Lautsprecher auch angenehm in der Lautstärke. Und so wird das ein richtig netter Abend bis sich spät noch zwei Deutsche, Mann und Frau, an den Tisch neben mich setzen. Die Frau quatscht ohne Punkt und Komma. Die Beiden kennen sich wohl noch nicht lange, und wie ich nicht vermeiden kann zu hören sind sie Teil einer Segelcrew. Der Mann ist höchst einsilbig, vermutlich ist er genervt wie ich, denn für mich ist der Abend jetzt gelaufen: ich erfahre Dinge, die ich nie wissen wollte und die mich nicht interessieren - über Vaterbeziehungen, Katzen, musikalisches Empfinden, Griechenland und vieles mehr. In einer Lautstärke, die die Musik übertönt. Zumindest an meinem Sitzplatz. Die Musik scheint die Frau auch nicht zu interessieren, und ich hab Unterhaltung jetzt stereo.
So treten wir irgendwann gegen halb zwölf die Flucht an – morgen wollen wir nicht zu spät aufstehen, denn es soll ja mit dem Auto westwärts gehen.
* Von Astrid Scharlau (http://azalas.de/blog) habe ich erfahren, dass es sich um Clausilien oder auch Schließmundschnecken handelt. Die Schnecken besitzen einen kleinen Deckel, mit dem sie das
Gehäuse verschließen, um sich vor Trockenheit zu schützen. Sie sitzen sehr gern in größeren Gruppen an schattigen Stellen, wo sie dann sehr hübsch aussehen. Danke!