Von der Chora zum Kloster

Frühmorgens höre ich das Kommen und Gehen der "Prevelis". Und kurz nach sieben Uhr legt dann die "Olympus" an. Man kann sich fragen, warum die beiden Fähren, die Anafi mit Piräus verbinden, so kurz nacheinander verkehren, während es dann wieder tagelang keine Fährverbindung gibt. Allerdings verkehrt die "Olympus" (von SeaSpeed Ferries - euphemistischer Name für eine Fährgesellschaft, deren einziges Schiff Baujahr 1976 ist) nur wenige Male bis Anafi, nämlich alle vierzehn Tage in der Vorsaison, sozusagen als Appendix an die planmäßige Route von Piräus über Sifnos und Milos nach Santorin. Und sie kommt dann am Samstagfrüh an und bleibt bis Sonntagnachmittag. So ermöglicht sie einen Wochenendbesuch auf Anafi von Santorin, Milos oder Sifnos aus. Offenbar eine Maßnahme zur Belebung des Tourismus auf der abgelegenen Insel.

 

Als ich entdeckte, dass ich in einem Rutsch von Anafi nach Sifnos fahren kann, war trotz der nachtschlafenden Zeit der Ankunft auf Sifnos mein Entschluss gefasst: diese Verbindung würde ich nehmen. Mit der "Olympus", (früher "Elli T"), die im Jahr 2019 bei der Premierenfahrt der Route Piräus-Rethymno via Milos und Santorin vor Santorin auf ein (allseits bekanntes) Riff gefahren war. Zum Glück war niemand zu Schaden gekommen, aber die Route wurde dann reparaturbedingt erst wesentlich später im Jahr aufgenommen, als die Saison schon beendet war. Und 2021 war das Schiff also mit neue Route auf den Kykladen unterwegs.

Weil ich von meinem Balkon nicht zum Hafen hinunter sehen kann, gehe ich etwas die Gassen vor und beobachte das Anlegemanöver der "Olympus". Sie lässt sich Zeit, dümpelt, dreht, dümpelt, kriecht rückwärts. Bis sich die Klappe öffnet, dauert es endlos. Aber es gibt auch keinen Grund, in Hektik zu verfallen: auf Anafi hat man schliesslich Zeit.

 

Ich bin nicht der einzige Beobachter: Zu mir hat sich ein Mann gesellt, seine Mundart outet in ihn als Berliner, und er wohnt hier. Offenbar handelt es sich um Stefan, den Partner von Karsta, der Schöpferin ziemlich genialer Anafi-Fotos und eines interessanten Blogs. Leider habe ich sie bisher nicht gesehen und ich bin auch zu schüchtern, mich nun an Stefan zu wenden. Mein Besuch auf Anafi wird ein flüchtiger bleiben, und irgendwie habe ich noch nicht die Verbundenheit gespürt, die mich bald wieder hierher ziehen würde. Aber vielleicht ändert sich das ja noch.

Um Viertel vor zehn treffe ich mich mit Jörg beim Bäcker. Wir werden heute nachholen was wir gestern versäumt haben und auf Wanderweg Nr. 6 und 2 zum Kloster wandern. Wir verlassen die Chora dazu auf der Straße nach Osten, biegen dann nach Norden ins Inselinnere ab, wo es auch zum Hubschrauberlandeplatz geht, den wir aber links liegenlassen. Nach einem Kilometer zweigt dann bei Milies rechts der Fußweg ab, der uns zunächst durch eine gleichförmig vertrocknete Hügellandschaft führt.

 

Auch hier ist der Weg wunderbar freigeräumt, was ein Verirren fast unmöglich macht. Ich verlasse mich da auch ganz auf Jörgs Führung, der den Weg schon gewandert ist. Die trockenen Einöde wird sehr gelegentlich durch kleine Oaseninseln mit Olivbäumen, Kakteen und einer himmelstrebenden Palme unterbrochen, und ich erinnere mich, dass Effi gesagt hatte, dass Anafi ausreichend Quellen hat. Offenbar gibt es hier eine davon.

Aber schon wenig später ist alles wieder trockengrau wie vorher. Die Struktur weichgespülter terrassierter Hänge kundet noch von früherer Bewirtschaftung und jede Piste, jeder Weg kerben eine Linie wie eine Narbe hinein. Wir begegnen niemandem.

 

Auch nicht an einem in einer grünen Senke in einem Tal liegenden Gehöft (Kallistas), dass sich mit Stahldraht und Wildwuchs gegen die Durchquerung wehrt. Hier ist der Wanderer nicht willkommen. Wäre ich alleine, hätte ich hier vermutlich gezweifelt, auf dem richtigen Weg zu sein, aber Jörg kennt das und arbeitet sich unermüdlich durch, ich in seinem Schlepptau. Da müssen Wege viel zugewachsener und abweisender sein bis er sich zum Umkehr zwingen lässt. Und jenseits der Talsenke ist der Weg dann auch wieder tipptopp wie vorher.

110 Minuten nachdem wir Chora verlassen haben, erreichen wir die Kapelle Panagia sto Dokari. Das schlichte Gebäude mit Tonnengewölbe liegt auf einem Plateau etwa 150 Meter über Meereshöhe und wird von violetten Thymianbüschen eingerahmt. Vor dem Kapelle steht ein römischer Marmorsarkophag mit dickem Deckel und einem Relief, das Figuren der Mythologie zeigt. Man kann nur erahnen was sie darstellen, denn sie sind vom Wetter und der Zeit ziemlich abgelutscht, der Sarkophag hat auch zahlreiche Risse. Hier haben wir ungefähr die Hälfte des Weges absolviert, und der Sockel des Sarkophags eignet sich gut als Sitzbank für eine Rast. Vorher wird die Kapelle besichtigt - sie ist geöffnet, die niedrige Türe nötigt aber zu demütiger Haltung beim Eintreten, vor allem wenn man so langegewachsen ist wie Jörg.

Ein schöner Platz ist das hier.

Direkt hinter der Kapelle beginnt nun ein kurzer, aber kräftiger Anstieg hinauf nach Kastelli (327 m). Auf dem Hügel wurde im 7. Jahrhundert vor Christus von dorischen Siedlern eine Stadt errichtet. Davon zeugen noch zahlreiche Mauern und ein paar antike Artefakte. Tatsächlich sollen sich Funde von hier in der Eremitage von St. Petersburg befinden - 1770 während einer kurzen russischen Episode mitgenommen.

 

Für uns Laien sind die antiken Steinanhäufungen und Mauern nur schwer von zeitgenössischen zu unterscheiden. Etwas irritiert macht sich meine Auge auf die Suche nach etwas besonderem, wird aber nicht fündig. Allenfalls ein einem zur Tränke (wenn denn da Wasser wäre) umfunktionierten, runden Becken bleibt der Blick hängen.

Aber gut, der Weg ist das Ziel, und wenn wir am Kloster den Bus erreichen wollen, dann sollten wir uns nicht mehr allzu lange aufhalten - der fährt in zwei Stunden.

 

Von Kastelli führt der Weg nach Norden bis zu Kapelle des Agios Mamas, die an einer Schotterpiste liegt. Agios Mamas, das ist ja quasi "mein" Heiliger, und so bin ich erfreut, dass die Kapelle des Hirtenheiligen erstens sehr hübsch ist (interessant, diese gemauerte Lebkuchenoptik mit nur akzentuierendem Weiß), und zweitens auch geöffnet. Zwei schüttere Tamarisken kämpfen davor um ihr Dasein. Das kleine Gotteshaus durchbricht optisch die vertrocknete Einöde, durch die uns nun auch der weitere Weg führt, der ab hier auf einer Höhe mit geringen Schwankungen an Südhang des Berges Chalepa ostwärts führt. Auch hier ist der Weg geradezu vorbildlich freigeräumt und gepflegt. Danke an die Macher!

Vielleicht sollten wir den Busfahrer darauf hinweisen, dass wir sein Gefährt um halb drei am Kloster erwarten? Nicht dass der, in Ignoranz von uns Wanderern, auf der Mittagstour in Roukounas umdreht. Aber wir haben hier keinen Empfang und müssen es später wieder probieren. Tatsächlich werden wir erst kurz vor dem Kloster Netz und Erfolg haben und den Fahrer erreichen. Natürlich würde er kommen. Na, dann ist ja gut.

Wir wandern nun mit Blickrichtung Kalamos-Felsen (soll der zweithöchste Felsen Europas nach Gibraltar sein), und auch das Kloster auf dem Isthmus können wir ausmachen. Aber es rückt nur langsam näher. Von Agios Mamas wandern wir etwa eine Stunde bis wir die Straße vor dem Kloster erreichen. Die schroffe und wilde Küste auf der linken Seite kontrastiert mit dem sanft geschwungenen Strand rechts.

 

Das Kloster hat nun schon Mittagspause. Schade, ich hätte mir gerne an dem Trinkbrunnen im Klosterhof etwas Wasser gezapft. So ruhen wir im Schatten der Bäume aus und planen den restliche Nachmittag. Jörg schlägt vor, noch zum Baden zum Strand von Klissidi zu gehen. Klissidi würde ich mir auch gerne noch ansehen, und so stimme ich zu, obwohl dies bedeutet, dass wir danach noch zu Fuß rauf nach Chora müssen. Mich lockt auch die Taverne am Klissidi-Strand, und zur äußerlichen noch die innerliche Erfrischung.

Der Bus kommt pünktlich, hat eine Gruppe junger Griechinnen an Bord, von denen einige am Kloster aussteigen (sie wollen zuerst zum Strand und dann ins Kloster) und andere die Bustour nur für eine kleine Inselrundfahrt genutzt haben und später aussteigen.

 

Wir verlassen den Bus an der Haltestelle Mikros Roukounas und gehen zuerst auf einer Piste und dann auf einem Fußweg nach Westen Richtung Katsouni. Hier wird die Weg schmaler und loser, und als ich beim Fotografieren einmal nicht auf ihn achte, macht sich ein loser Stein unter meinem Fuß selbständig und ich finde mich mit dem Hintern auf dem Boden wieder. Autsch! Nichts getan zum Glück, nur ein paar Kratzer. Derart gebremst gehe ich nur vorsichtig weiter, spüre auch die Wärme des beginnenden Nachmittags, die jetzt weniger durch Wind abgekühlt wird.

Wir erreichen die rein touristische Siedlung von Klissidi mit der Taverne "Margarita's". Erst Taverne, dann Strand? Nein, zuerst Strand.

 

Der Strand von Klissidi kann mit feinem Sand aufwarten, und spärlichem Schatten durch einigen größere Tamarisken, die am Rand stehen. Die Badegäste verteilen sich ganz gut. Sonne geht gar nicht, also in den Baumschatten. Bis ich mich aus meinen feuchtgeschwitzten Klamotten und Wanderschuhen gepellt und in den Badeanzug gequält habe, ist Jörg länger im Wasser. Der Sand ist brüllend heiß und lässt mich mangels Badeschuhen in zunehmend schnelleren Schritten dem Meer zu hüpfen: Hot feet. Rein in die Fluten - frisch, aber gut.

Nach der Abkühlung so schnell wie möglich wieder in den Schatten des Baumes. Der ist unbequem durch stacheliges Zeugs, das darunter liegt, und durch Ameisenattacken. Außerdem wird mir im nassen Badeanzug schnell kalt, denn der Wind hat wieder zugelegt. In der Sonne zu heiß, im Schatten zu kühl, dazu überall mit Sand paniert - Sandstände sind überbewertet. Äußere ich auch, und scheine damit Jörg persönlich zu getroffen zu haben. Der hat es sich lesenderweise bequem gemacht, während mir das Ganze schnell zu unbequem ist. Ich quäle mich wieder in die immer noch feuchten Wanderklamotten und verabschiede mich in die Taverne. Wenn Jörg genug vom Strand hat, soll er nachkommen.

 

Irgendjemand hatte gesagt, dass bei "Margarita's", dem Restaurant oberhalb des Strandes, inzwischen gehoben gekocht würde, und das klang in meinen Ohren irgendwie negativ konnotiert. Vielleicht ist es auf Anafi ein Frevel wenn man sich vom Bodenständigen entfernt. Weil mir die preiswerte griechische Küche - ölig, lauwarm, heftig frittiert und mäßig phantasievoll - immer öfters widersteht, bin ich für Änderungen aber sehr empfänglich. Als ich die Speisekarte bei "Margarita" sehe, scheint sich das Gehobene aber vor allem im Preis auszudrücken. Ich lasse mich aber zum Thunfisch-Carpaccio von der Tageskarte verführen, das eher überschaubar daherkommt, aber gut schmeckt. Dazu ein selbstgemischtes Radler, und die Lebensgeister kehren zurück. Die meisten Gäste kenne ich inzwischen vom Sehen, auch das deutsche Paar vom ersten Tag ist da. Gelegenheit für ein Schwätzchen und den Austausch von Informationen über Flughafen, Fähren und Corona.

Jörg kommt nicht. Schön für ihn, wenn er es so lange am Strand aushält, aber ich hatte eigentlich mal etwas früher ins Quartier kommen wollen und dort noch den Nachmittag auf meinem Balkon genießen. Und da steht ja noch den Anstieg nach Chora davor. Blöd, dass der Bus in der Vorsaison noch nicht vom Hafen fährt. Taxi? Nein, das geht schon noch.

 

Ich bezahle also und verabschiede mich in der falschen Richtung, nämlich der, aus der wir gekommen sind. Etliches Gestrüpp und ein überwundenes Tor später merke ich, dass ich hier völlig falsch bin - an einer steilen Felsenwand wäre das Weitergehen zu waghalsig. Also zurück, und weiter nach unten probieren, wo ich auf die Straße treffe, von der wenig später der Fußweg zum Hafen abzweigt. Dort muss ich hin. Jörg ist noch immer nirgends zu sehen.

Der Hafenort Agios Nikolaos hat auch auf den zweiten Blick nichts an Attraktivität gewonnen, aber es gibt hier sogar vier Sonnenschirme am Strand. Oder gehören sie zu einem Café?

 

Egal, ich möchte hier nicht verweilen, sondern nehme den gepflasterten Fußweg, der am Ortseingang links gen Chora zickzackt. Kopf ausschalten, nach vorne konzentrieren, gleichmäßige Schritte - fast mechanisch wandere ich aufwärts, bleibe im Rhythmus. Und bin recht weit oben, als ich Jörg zwei Kehren unterhalb sehe. Er winkt. Ich mag meinen Rhythmus nicht unterbrechen, bleibe im Flow, wandere weiter. Und er wundert sich wohl über mich. Aber gut, wir sind hier ja nicht in der Wildnis, und ich muss eh weiter hinauf als er, dessen Quartier am unteren Ortseingang liegt wo ich schon fast bin.

 

Um Viertel nach sechs bin ich dann wieder in meinem Domizil. Es waren zehn Kilometer und 400 Meter hinauf sowie 500 hinab von der Chora bis zum Kloster, und nochmals drei Kilometer und 240 Höhenmeter von der Taverne nach Chora, das Stück von der Bushaltestelle nach Klissidi nicht gemessen. Reicht mir für heute, und für Anafi.

Zum Sonnenuntergang bin ich heute oben auf dem Kastro und genieße die einzigartige Stimmung und Aussicht. Den Blick über das Dorf, da auch jetzt noch ausgestorben wirkt. Der westliche Platz unbelebt - verstecken sich die Anafioten noch in ihren Häusern aus Angst vor den Touristen, die womöglich das Virus einschleppen? Man könnt den Eindruck gewinnen. Immerhin ist heute am Samstagabend auch die Grillbude "Petrino" geöffnet, und die Griechen sind ja eh erst später am Abend munter.

 

Als die Sonne rechts von Santorin im Meer versunken ist, steige ich vom Burgberg und eile zum "Liotrivi", wo Jörg mit dem Paar aus Wuppertal sitzt, mit dem er von Karpathos gekommen ist und das unten am Klissidi-Strand wohnt. Ich hab auch noch Platz am Tisch, aber wenig Hunger. Ein Choriatiki reicht mir heute als Abendessen.

 

*

 

Die "Olympus" wird erst am Sonntagnachmittag um 16 Uhr Anafi verlassen. Ich habe also noch fast den ganzen Tag Zeit um zu Packen und noch etwas in der Chora herumzubummeln. Effi wird mich um 15 Uhr zum Hafen bringen.

 

Heute ist der Tag, der mir die Freiheit verspricht. "Eleftheria" heißt die Impfkampagne in Griechenland, vermutlich nicht ganz zufällig im Jahr der 200. Wiederkehr des Beginnes des Aufstandes gegen die osmanische Besatzung, die in Griechenland noch viel größer gefeiert würde, wenn nicht dieses elenden Virus dazwischengekommen wäre. Freiheit oder Tod? Wer an Covid stirbt, erleidet keinen Heldentod.

Ab heute habe ich vollen Impfschutz, denn gestern vor zwei Wochen war meine zweite Impfung. Ob ich mal noch irgendwo meinen gelben, nur deutschsprachigen Impfausweis vorzeigen muss? Für einen internationalen Ausweis oder das digitale Impfzertifikat hat es mir nicht mehr gereicht, den gibt es in Deutschland erst ab nächster Woche. Damit die dringend benötigten Touristen dennoch kommen können, akzeptiert Griechenland jetzt in Juni so ziemlich alle Impfausweise. Oder PCR-Tests.

 

Nach dem Frühstück - köstliche frische Tiropitta vom Bäcker - merke ich, dass ich gestern meinen Fotoapparat im "Liotrivi" habe hängen lassen. Was anderswo ein Grund zur Panik wäre, ist es hier nicht, denn auf Anafi kommt nichts weg. Die Wirtin bringt mir den Foto, den ihr wiederum ein aufmerksamer Gast gegeben hat. Sonst hinge er wohl noch am Stuhl. Erleichtert kann ich nun Einkaufen gehen: Käsestängel beim Bäcker, ein wunderschönes Tuch und ein bemalter Stein im einzigen Mitbringsel-Laden "Kombos".

 

Dann statte ich dem Friedhof einen Besuch ab. Zurückhaltend, denn zwei Frauen sind dort gerade mit Grabpflege beschäftigt. Typisch für Anafi sind die Beinhäuser, die kleinen weißen Häuschen mit den gekreuzten Tonnengewölben, in denen die Gebeine der Verstorbenen aufbewahrt werden. Der Friedhof besteht aus einem Dutzend dieser Ossarien, dazwischen normale Gräber der erst in den letzten Jahren Verstorbenen, die nach drei, vier Jahren exhumiert werden. Die Knochen werden dann nach Familien in den Beinhäusern bestattet. Ich erinnere mich auch, dass ich vor vielen Jahre die Zuschrift einer Deutschen bekommen hatte, deren auf Anafi verstorbene Cousine dort irgendwo unwürdig bestattet wurde, beziehungsweise wurden die exhumierten Gebeine inzwischen in einer Plastiktüte irgendwo auf dem Friedhof gelagert. Was die Frau damals sehr empört hatte, aber vielleicht der normale Gang der Dinge ist wenn Angehörigen oder Freunde sich nicht vor Ort darum kümmern.

 

Nach dem Friedhofsbesuch umrunde ich die Chora auf dem südlich verlaufenden Parallelstraße. Da ist das Pensionsviertel im Osten, das nur unwesentlich gewachsen ist. Mehr Neubauten und auch ein Rohbau in Arbeit befinden sich weiter westlich oberhalb der Straße: Touristen wohnen eben lieber Richtung Sonnenunter- als Richtung Sonnenaufgang.

Im "To Steki" esse ich noch einen gebackenen Fetakäse ehe ich meine restlichen Sachen zusammenpacke und auf meiner Terrasse auf Effi warte. Mit meinem Zimmer war ich sehr zufrieden, sowohl innen als auch außen. Mit etwas Verspätung tauche die atemlose Effi auf und fährt mich dieses Mal mit ihrem neueren Auto hinab zum Hafen.

Jörg wollte zu Fuß hinab zum Schiff gehen, er hat ja seine Siebensachen im Rucksack.

 

Beim Ticketkauf - 25 Euro bezahle ich bis Sifnos - in dem Häuschen am Hafen möchte man weder einen Negativtest noch den Impfpass sehen. Noch nicht mal ein Fahrgastformular muss ich ausfüllen: Das sei hier nicht nötig. Einen Monat später sieht das anders aus: auf der Website anafi.gr wird deutlich darauf hingewiesen, dass es auf Anafi keine Testmöglichkeit und auch keine Apotheke gibt, in der man einen Schnelltest kaufen könnte. Man muss ihn sich also mitbringen wenn man die Insel wieder mit der Fähre verlassen möchte.

Dann taucht Jörg auf, der den Vormittag zur Ersteigung der Vigla genutzt hat. Nun hat er lange Wanderungen auf Sikinos vor, und fährt auch mit der "Olympus". Allerdings nur bis Santorin, von wo aus der dann nach zwei Übernachtungen nach Sikinos übersetzen wird.

Wir können schon an Bord gehen, und pünktlich um 16 Uhr legt die "Olympus" sparsam belegt ab. Nur um nach wenigen Meter abzubremsen und zwanzig Minuten in Ufernähe herumzudümpeln. Sie wird doch keinen Motorschaden haben? Im Geiste überlege ich schon einen Plan B - mit der "Prevelis" heute Nacht nach Milos, und dann? - als das Schiff schließlich doch Fahrt aufnimmt und westwärts fährt. Weil es in Santorin sowieso zwei Stunden Aufenthalt hat, wird das Manöver praktischerweise noch nicht mal eine Verspätung für mich nach sich ziehen.

Kurz nach 18 Uhr legen wir in Santorin an, und Jörg geht von Bord. Es steht kein Bus da, und auch Taxi ist keines zu sehen. Jörg steuert eine der groß beschilderten Transferagenturen an und wird für zehn Euro - heruntergehandelt von zwanzig - nach Fira gebracht. Eine gute Zeit dir auf Santorin und Sikinos. Und Hals- und Beinbruch beim Wandern. Das wird auf Sikinos sicher nicht auf so gepflegten Wegen erfolgen wie auf Anafi oder Sifnos.

 

Anafi also. Die Tage dort waren schnell vorbei. Jetzt zieht es mich weiter. Ob ich so bald wieder dort aufschlagen werde? Eher nicht. Zum Anafisten tauge ich nicht. Dann doch eher zur Wiedergängerin auf Sifnos und Milos.