Am Montag hat der Wind weiter nachgelassen, es ist fast etwas schwül, aber ich kann wieder auf dem Balkon frühstücken. Vorher hat mich ein silberner Sonnenaufgang hinter der Chora erfreut.
Um zehn Uhr gehe ich hinein in die Stadt, kaufe noch etwas Proviant und besteige um halb elf den Bus nach Ormos Korthiou. Ich will aber nur bis zur Straßenkreuzung bei Stavropeda, hoch über der Südwestküste, wo die Straße nach Gavrio abzweigt. Drei Euro werden dafür fällig. Um zehn vor elf ist der Bus dort, ich steige als einzige aus, aber der Bus wartet auf den Verbindungsbus von Gavrio, ehe er mich wenig später überholt.
Ich will heute die Wanderung Nr. 7 zum Kloster Panachrandou begehen. Für die sechs Kilometer sind bei den Andros Routes zwei bis drei Stunden angesetzt, allerdings inklusive dem Abstecher hinab nach Zagora, den ich mir sparen werde.
Zuerst gehe ich ein Stück auf der Straße ostwärts und habe den Blick auf die Inseln Gyaros und Kea. Nach wenigen Minuten, bei der Kapelle Agia Triada, zweigt rechts der Weg nach Zagora und links der rot-weiß markierte Fußweg zum Kloster ab. Es ist elf Uhr. Da sollte ich um ein, halb zwei Uhr am Kloster sein. Hoffentlich macht es keine Mittagspause.
Der Weg beginnt gepflastert und verläuft zwischen zwei niedrigen Mauern. Schnell sind es aber nur noch große Steine, die ihn bedecken. Offenbar wird er wenig begangen, denn er ist immer wieder mal mehr, mal weniger überwachsen. Wenn die Trockenmauern (Xirolithes) rechts und links höher werden, spannen sich immer wieder dicke Spinnenfäden und -netze über den Monopati, hängen robust an Armen, Schultern und im Gesicht. Ich bringe meinen Wanderstock zum Einsatz, teile die Luft vor mir wie ein Bekloppter beim Scheingefecht, kann aber nicht verhindern, dass immer mal wieder ein klebriger Faden samt Besitzer an mir hängen bleibt. Brr! Das erinnert an frühere Wanderungen auf Karpathos und Hydra.
Es geht zunächst leicht abwärts bis eben, schlängelt sich durch grüne Buschlandschaft voller Zistrosen und umgeht steinerne Pferche mit Ställen aus niedrigen Steinplatten. Ähnlich waren wohl die vorgeschichtlichen Häuser in Zagora gebaut.
Es ist warm heute unter bedecktem Himmel, und ich komme auch ohne nennenswerte Steigungen bald ins Schwitzen. Dazu die Spinngewebe - nicht so angenehm zu wandern wie ich mir das vorgestellt hatte. Der Blick reicht über das obere Tal des Megalos Potamos hinüber nach Ano Pitrofos.
Nach etwa einer Stunde quere ich einen kleinen schattigen Taleinschnitt, an dem ein Gänsepaar seine vier Gössel bewacht. Dass ich bei ihnen vorbei muss, missfällt ihnen zutiefst: fauchend drohen sie und sperren den Weg. Ich gehe langsam und beschwichtigend bei ihnen vorbei, immer gewärtig, dass sie mir an die Beine fahren. Aber sie belassen es beim Drohen. Von der Gans gebissen - das fehlte noch.
Ein Blick auf die Karte legt offen, dass ich noch nicht mal bei Aládo bin (oder dieses nicht bemerkt habe), und damit deutlich hinter dem veranschlagten Tempo zurückhänge. Die angegebenen Wegzeiten sind sportlich, zumindest mit den vorhandenen Naturhindernissen. Aber der Tag ist ja noch lange.
Eine halbe Stunde und einen Irrweg durch einen Pferch später sehe ich dann das Dorf Sasá (auch Orino) vor mir liegen.
Ich erreiche die Straße, der ich ein Stück weit folge, bis der Weg rechts bergauf durch Sasa hindurch führt. Die Hoffnung, hier etwas Trinkbares zu finden, erfüllt sich nicht - weder Laden noch Kafenio oder die Kombination von beidem. Dafür geht der Weg nun oberhalb des Dorfes gepflegt bergan, steigt weiter auf eine Kuppe. Ich bin schon über zwei Stunden unterwegs, kann aber das Kloster noch nicht sehen und fühle mich ermattet. Eine kurze Rast im spärlichen Schatten eines Busches auf einem unbequemen Stein am Rande eines Hohlweges gibt mir etwas Kraft zurück. Ich habe zu wenig Wasser dabei für dieses schweißtreibende Wetter.
Aber am Ende des Aufstieges dann die Belohnung: vor mir endlich das Kloster Panachrantou, etwas unterhalb des Höhenkammes auf 500 Metern Höhe am steilen Hang liegend. Es ist nicht mehr weiß, wie ich es in Erinnerung habe, sondern grau. Es dauert dann aber nochmals eine Viertelstunde bis ich entlang eines steilen Kars auf der Straße oberhalb des Kloster stehe. Die offizielle Zufahrt erfolgt über den Kamm von der Südseite, von Ormos Korthiou und Mesa Vouni. So haben wir Panachrantou auch vor Jahren mit dem Auto erreicht.
Es ist Viertel vor zwei, ich habe also beinahe drei Stunden gebraucht.
Der schattige Vorhof mit Brunnen und Platane - erst mal schnell erfrischen! Aber nur kurz, falls das Kloster um 14 Uhr schließen sollte. Ein Paar sitzt dort an einem Steintisch, auch sie wirken erschöpft.
Durch einen dunklen Tunnel mit Brunnen gelange ich in den Innenhof des Klosters. In einem Raum links sind zwei Mönche zugange, sie bemerken mich gar nicht. Die Kirche ist verschlossen, aber ich möchte sowieso zuerst hinauf auf die Panoramaterrasse, von aus ich auch das unverputzte Klostergebäude betrachten kann. Und natürlich das Tal bis zur Chora.
Es ist schön und ruhig hier. Hat sich gelohnt, die Wanderung.
Nachdem ich etwas abgeschwitzt habe, steige ich wieder hinab zur Kirche. Zu den beiden Mönchen hat sich ein dritter gesellt, der mich fragt, ob ich die Kirche sehen möchte. Er schließt sie mir auf, so dass ich das punkvolle Interieur mit den Fresken und die Ikone der Muttergottes - angeblich gemalt vom Evangelisten Lukas - bewundern kann. War ganz schön fleißig, dieser Lukas, denn man überlegt, wie viele Kirchen in Griechenland sich auf von ihm gemalte Ikonen berufen... vielleicht hatte er auch eine Ikonenwerkstatt. Dazu die obligatorische Geschichte von der Ikonenauffindung durch zwei Mönche anhand eines Lichtes und das Beharren der Ikone auf den Fundstandort als Kirchenplatz.
Auch der Schädel (oder sollte ich schreiben ein Schädel?) des heiligen Panteleimonas wird hier aufbewahrt, weshalb nicht nur an Maria Entschlafung, sondern auch am 27. Juli gefeiert wird.
Das Kloster soll schon im Jahre 960 erbaut worden sein. "Panachrantos" bezieht sich auf die die "unbefleckte" Muttergottes.
Die beiden Mönch richten den Klostershop ein, den ich natürlich neugierig inspiziere, soweit die auf dem Boden liegenden Kartons mit Waren es zulassen. Es ist ein kleiner Raum und die beiden sind sich über die Präsentation uneinig. Ob ich fände, dass der Shop zu voll sei, will der eine wissen. Nein, eigentlich nicht. Es entspinnt sich ein neugieriger Dialog nach dem Woher und Wohin, wobei der einen Mönch etwas Deutsch spricht. Mal ein paar echt nette Klosterbrüder. Dann ich bekomme im Saloni noch einen Keks offeriert. Fließendes Wasser hat es ja überall hier genug, Selbstbedienung. Ich schütte mir eine Ladung über den Kopf und fülle meine Trinkflasche.
Erfrischt gehe ich dann wieder in den Vorhof unter den Platanenschatten. Das Paar - es sind Franzosen - geht nun ins Kloster, während ich das massive Gebäude von der Oberseite betrachte, noch etwas ausruhe, die Karte studiere und überlege: Welche Route soll ich nach Chora wählen? 18 über Vrachnos und Livadia? Ist mir zu schwierig, da sind nochmals reichlich Höhenmeter drin. Besser 1 und 17 a? Dann kommen die Franzosen zurück. Sie erzählen, dass sie von Livadia gekommen sind, und es wäre die ganze lange Zeit rauf und runter gegangen. Nicht schön. Auch der Weg 1 bis hierher wäre sehr steil. Sie würden jetzt den Weg auf der nördlichen Serpentinenstraße hinab nehmen, nach Fallikia, und dann über Aladinou oder so. Ich bin schnell überzeugt, ebenfalls auf der Serpentinenstraße abzusteigen, werde unten dann aber bis Mesaria gehen und ab dort die Straße nehmen. Sind vier bis fünf asphaltierte Kilometer auf der Hauptstraße, aber viel Verkehr hat es ja nicht.
Die Franzosen starten vor mir, weil ich noch fotografiere. Die Pfauen im Klostergarten etwa, oder die Kapelle unterhalb des Klosters. Aber dann kann man es auf der steilen Kurvenstraße ordentlich laufen lassen, und ich erreiche die Franzosen bald wieder. Hier rauf ist schon knackig, und ich wundere mich, dass der Höhenunterschied bei den Andros Routes von der Chora zum Kloster nur mit knapp 300 Metern angegeben ist. Kann ja gar nicht sein, wenn das Kloster alleine schon auf 500 Metern liegt. Ich werden den Machern der Andros Routes schreiben, und der Fehler wird auch umgehend korrigiert (auf nun 895 Höhenmeter).
Wie viele Orte auf Andros ist Fallika hübsch und gepflegt und wirkt trotz des Mangels an Kafenio oder Laden auch bewohnt, aber niemand ist zu sehen. Etwas tiefer kommen wir an ein Wegkreuzung. Weg 1 geht rechts ab, Weg 18 links. Die Franzosen und ich sind uns nicht einig, welches der einfachere Weg zu Chora ist. Die Franzosen sind vom Auf und Ab ihres heutigen Weges geradezu traumatisiert, wollen das nicht mehr. Dass ich ins Tal runter und auf der anderen Seite wieder (verhalten) hinauf muss, ist mir aber schon klar. Die Unübersichtlichkeit der Andros-Routes-Wanderkarte macht die Sache nicht einfacher.
Schließlich trennen sich unsere Wege. Und ich werde schon unten lange in Nimborio am Strand liegen als die Beiden schließlich auf ihrem Rückweg vorbeikommen. Aber ich habe auch noch ordentlich zu wandern. Zunächst auf einem schönen Monopati bis ins oleanderblühende Tal hinab, und dort über eine kleine Steinbogenbrücke. Da kommt mir doch tatsächlich ein Wanderer (Engländer) entgegen, der mich fragt, ob es hier zur Chora geht. Ähm, da will ich auch hin, aber in der Gegenrichtung. Ein Blick auf die Karte: auf Route Nr. 17a kommt er da tatsächlich hin (und hätte ich auch gehen können), oder über 18 (ganz schön weit, und es ist schon drei Uhr vorbei). Ich wünsche kalo dromo, und sehe ihn nicht wieder.
Es sind doch einige Wanderer auf den Andros Routes unterwegs.
Nach dem Flusstal geht es dann natürlich wieder hinauf. Um 16 Uhr erreiche ich Koumaní und kurz darauf die Hauptstraße, auf der ich nun durch Mesaria nach Nordosten gehe. Das zieht sich, und leider kann ich kein geöffnetes Café oder eine Taverne irgendwo am Straßenrand entdecken, in dem ein Kaltgetränk zu bekommen wäre. Ich bin echt durstig und froh, als ich kurz vor der Chora am rechten Straßenrand einen Market-In-Supermarkt entdecke. Das kalte Radler aus der Dose ist leer ehe ich das Ortsschild der Chora erreiche.
Am Ortseingang werfe ich einen neugierigen Blick auf das "Paradise Art Hotel", das ich auf Empfehlung ursprünglich gebucht hatte. Das früher mal sehr elegante Hotel wird schon in meinem MM-Reiseführer von 1997 als "nicht mehr taufrisch" bezeichnet, was mir aber nichts ausgemacht hätte, da es mit Meerblick und Frühstück noch knapp 50 Euro pro Nacht gekostet hätte und akzeptable Bewertungen hat. Nur die Lage in einer Straßenschleife schien mir dann doch etwas zu "verkehrsgünstig" gelegen. Und zu weit weg vom Strand. Nein, das passt schon mit meinem Vassiliki-Studio.
Gegen 17 Uhr bin ich am Ziel in der Chora. Mit 15,4 Kilometern, 523 Höhenmetern bergauf und 733 abwärts sowie gut vier Stunden reiner Gehzeit war das meine längste Wanderung in diesem Urlaub. Und ich bin ziemlich k.o. Morgen werde ich es ruhiger angehen lassen.
Und jetzt gönne ich mir einen frischgepressten Orangensaft im Café "Tourlitis", der der Treff der jungen Männer aus der Umgebung und Handwerker zum Feierabend zu sein scheint. Der nette Barmann muss die Zutaten für den Saft erst im Mini-Markt nebenan holen. Gefällt mir.
Von meinem Balkon aus beobachte ich später die hübschen Bienenfresser, die auf den Leitungen in der Nähe sitzen. Schon in den letzten Tage war immer mal wieder ihr charakteristischer Ruf zu hören. Und in die Marina läuft eine seltsam altmodische aussehende, aber klassisch-schöne Motoryacht ein. "Maid Marian 2" kann ich auf dem Rumpf erkennen: Die 1932 gebaute Holzyacht gehört dem schwäbischen Landsmann und Regisseur Roland Emmerich, dem "Spielbergle von Sindelfingen", der sie 2007 kaufte und stilvoll restaurieren ließ. Er verchartert sie im Sommer auch, dürfte also eher nicht an Bord sein. Charterpreis auf Anfrage.
Noch ein Bad im Meer, und später das Abendessen im "Archipelagos" bei mir an der Paralia, die heute recht verwaist aussieht. Eine kleine Portion Fasólia und Makaronia me Kimá, mit Hackfleischsauce. Solide Hausmannskost für 15 Euro. Und dann früh ins Bett
*
Heute ist es bewölkt und hat kaum Wind. Wieder ein eher schwüler Tag. Schon um acht Uhr bin ich unten am Minimarkt um Brot zu holen, aber der ist noch nicht geöffnet. Zeit für einen Bummel an der Paralia Richtung Marina, wo die "Maid Marian 2" schon wieder weg ist. Da plötzlich ein Ruf: "Katerine!" Das französische Paar wohnt hier in einem schönen Studio. Allerdings nur noch bis übermorgen, dann ist es Studio belegt. Im "Vassiliki" sind noch Zimmer frei, und sie werden nachher vorbeikommen und mal einen Blick darauf werfen. Sie haben gestern zwanzig Kilometer auf den Tageskilometerzähler bekomme, und sind erst mal bedient. Aber sie erzählen vom hübschen Strand in der nächsten Bucht nach Norden, Giália. Ja, in die Ecke könnte ich heute mal gehen.
Um halb neun hat dann der Mini-Markt endlich offen, aber Brot gibt es erst ab halb zwölf Uhr. Ok, dann heute wieder Toastbrot. Und kleine Tsourekia, vorgestern in der Chora gekauft.
Die Franzosen kommen und gucken sich mein Zimmer an. Ja, wäre schön. Aber die steile Zufahrtsrampe. Hmm, ich dachte, sie wären Wanderer? Es sind doch einige Zimmer im Haus belegt. In einem scheinen Greeko-Amerikanerinnen zu wohnen, die auf der Suche nach einer Immobilie auf Andros sind. Nikolas ist ihnen behilflich. Interessant.
Um halb zwölf ziehe ich dann los, suche mir im Mini-Markt ein dunkles Brot aus, das ich mir zurücklegen lassen. Dann weiter Richtung Marina. Der bleierne Himmel und die Schwüle der Luft lassen mich schnell nach Abkühlung lechzen. An der Marina ist nichts los, die Gebäude wirken verlassen. Nördlich davon gibt es einen kleinen Kiesstrand, der sehr einladend aussieht. Schnell kühle ich mich textilfrei dort ab. Und werde erst viel später merken, dass darüber die örtliche Kläranlage liegt, die vielleicht ihr Abwasser hier einleitet. Egal, das Wasser ist sauber und geruchsfrei.
Darüber gibt es einen Tunnel im Felsen, aber ohne Zufahrt. Was das mal war?
Erfrischt lasse ich mich von der Sonne trocknen. Schön. Dann vor zur Marina und entlang der Kaimauer. Nichts besonderes, aber den Leuchtturm kann man gut sehn. Wie wohl der Job als Leuchtturmwärter dort war? Bei hoher See saß man dort fest.
Wieder ein Stück vor, vorbei am Nautical Club. Dahinter zweigt die Straße nach Steniés ab, der ich folge. Es geht in zwei großen Schleifen aufwärts, und ich bin wieder froh, dort kein Quartier bezogen zu haben. Ein Pfad kürzt die Schleifen ab, aber ich bleibe bequem auf der Straße. Als ich die Höhe zum Nachbartal erreicht habe, bin ich schon wieder nassgeschwitzt. Eine große Wandergruppe kommt mir entgegen, deutsch- beziehungsweise schweizersprachig. Es gibt also doch auch organisierte Wanderferien hier.
Soll ich nun hinab zum Gialia-Strand? Gebadet hab ich ja schon. Also folge ich der unteren Straße Richtung Steniés, das ich schon auf der anderen Talseite sehen kann. In der nächsten Rechtskurve führt ein gepflasterter Fußweg leicht abwärts geradeaus, entlang des üppige grünen Tales. Nach ein paar Minuten erreiche ich die baumüberwachsene Ruinen der fünfstöckigen Embirikos-Mühle, die 1876 von Konstantinos Empirikos erbaut wurde und bis in die 1930er als Getreidemühle - das Getreide wurde aus Rumänien importiert - mit einer Pasta-Fabrik in Betrieb war. Das gigantische Wasserrad an der Hausseite ist gut zu erkennen. 1972 brannte das Dach bei einer Osterfeier ab, seit 1991 steht das Gebäude unter Denkmalschutz, aber das scheint für die wohlhabenden Andrioten kein Grund zu sein, sich der Ruine anzunehmen und sie in einen vorzeigbaren Zustand zu bringen. Man hat sogar in unmittelbarer Nachbarschaft gebaut, ohne Genehmigung. Industrielle Denkmäler haben es auf Andros nicht leicht.
Auch die Ruine des Bistis-Turm auf der Höhe sieht aus der Ferne nicht toll aus.
Etwas weiter vorne quere ich das Tal im wasserführenden Flussbett und steige auf der anderen Seite nach Stenies hinauf. Das gar nicht so kleine Dorf mit großen abweisenden Häusern zieht sich weit den Hang hinauf und ist autofrei. Ich bleibe auf der erreichten Ebene und gehe auf einer Art Hauptgasse nach Osten. An einer Baustelle sind einige Männer zugange, dahinter in einem Taleinschnitt befindet sich ein großes Brunnen- und Waschhaus. Ich erfrische mich äußerlich, und einer der Arbeiter kommt und tut es mir nach. Ob es hier eine Taverne gäbe, frage ich ihn. Ja, weiter vorne, am Parkplatz.
Die Gasse führt horizontal bis zu einem großen Parkplatz mit einem Εντευκτήριο, also einem Aufenthaltsraum namens "O Stathmos". Zwei albanische Arbeiter sitzen an einem Tischchen davor, ich setze mich zwei Tische weiter. Ob es auch etwas zu essen gäbe, frage ich den von ihnen herbeigerufenen Wirt. Ein paar Kleinigkeiten, Salat, Keftedes und so hätte er. Boah bin ich plötzlich hungrig! Dieses Toastbrot zum Frühstück hält nicht lange vor. Und es ist ja auch schon zwei Uhr mittags. Ich bestelle einen kleine griechischen Salat und eine Portion Keftedakia, dazu Pitta-Brot, Wasser (aus dem Brunnen), und eine Limo.
Während ich auf die Keftedakia warte, spielt sich das Dorfleben auf dem Parkplatz ab. Ein Taxi fungiert als Schulbusersatz und bringt zwei Schüler. Einem Auto entsteigt ein älteres Paar, verlädt seine Einkäufe aus dem Kofferraum in einen Einkaufswagen, schiebt diesen durch die Hauptgasse davon. Eine Frau lädt ihre Sachen in einen Einkaufstrolley, zieht von dannen. Wohl dem, der auf dieser Ebene wohnt! Barrierefrei ist anders, und von seniorengerechtem Wohnraum kann man in Stenies nur träumen. Aber sicher kann man nachbarschaftliche Tragehilfe organisieren. Hoffe ich für die Seniorinnen.
Nach dem Essen geht es auf dem gleichen Weg wieder zurück nach Chora. Nur dass ich dieses Mal den Fußweg als Abkürzung nehme. Und weil mir bei der kurzen Wanderung - fünf bis sechs Kilometer - warm geworden ist, springe ich gleich nochmal zur Abkürzung ins Wasser.
Als ich im Mini-Markt mein Brot abholen möchte, hat es schon jemand mitgenommen. Vertauscht. Gezwungenermaßen nehme ich ein andere Brot, das sich als ausgesprochen kätschig erweisen wird und dessen Reste am Freitag bei den Ziegen enden werden. Zum Glück habe ich einen Toaster. Es geht doch nichts über einen Fourno in der Nachbarschaft!
Am späten Nachmittag geht es wieder in die Chora, wo der wolkenschwere Himmel tatsächlich ein paar warme Tropfen herausdrückt. Ich verweigere mir erneut die Übersteigung des Bogens zur Kastroinsel, registriere die vielen Katzen überall, und steige die lange Treppe zum Paraporti-Strand hinab. Er ist ebenfalls sandig, etwas wilder als der Nimborio-Strand, und ohne angrenzende Tavernen oder Gästezimmer. Eine gute Alternative wenn man in der Altstadt wohnt.
Ich treffe die Franzosen wieder. Wir kommen ins Gespräch über die Schwierigkeit, in der Chora ein Leihfahrzeug zu mieten. Ich würde am letzten Tag gerne mit dem Auto etwas herumfahren um den Wagen am Abreisetag in Gavrio zurückzugeben. Offenbar gibt es aber keinen Anbieter in der Chora - die konzentrieren sich alle auf die deutlich touristischere Westküste um Batsí. Ich habe noch eine Anfrage übers Internet laufen, vielleicht klappt das ja.
Alternative könnte ein E-Bike sein, erzählen die Beiden. Für 30 Euro am Tag bekäme man bei Riva/Karaoulanis im Nimborio-Viertel eines. Dort wird auch die Kombination von Zimmer und E-Bike angeboten, wie ich später sehe werde. Vielleicht etwas für den nächsten Andros-Aufenthalt? Man kann seinen Aktionsradius zwar nicht so sehr erweitern wie mit dem Auto, aber als Aufstiegshilfe bis Apikia oder Pitrofos wäre es nicht schlecht.
Zum Abendessen gehe ich dann auf Empfehlung der Franzosen ins "Skalakia", das auf Stufen in einer Seitengasse bei der Hauptkirche liegt und eine nette Atmosphäre hat. Es wirbt mit lokalen Produkten und Bio-Küche. Einige Tischchen sind auf der Gasse und ich habe das Glück, den letzten zu ergattern. Spätere Gäste - es kommen einige - müssen ins Innere. Offenbar ist das Lokal bei ausländischen Touristen sehr gefragt (von denen es dann doch mehr gibt als man tagsüber sieht), denn ich höre Englisch, Französisch und Holländisch, aber kein Griechisch. Die Roten Bete und die Melitsanosalata sind gut und reichlich, das Preisniveau etwas gehoben. Für die Vorspeisen, Wein, Wasser ("Sarisa" in der Glasflasche aus der Quelle in Apikia) und Brot werden 17 Euro fällig.
Und morgen dann nochmal eine lange Wanderung. Von Ormos Korthiou nach Chora.