Der Fährstopp in Kamares ist kurz und der bewölkte Himmel samt dem verlassen wirkenden Strand verhindern, dass mich die Sifnossucht überwältigt und ich von Bord renne. Serifos bleibt da eher distanziert mit der über den Dingen schwebenden Chora. Dann hellt sich plötzlich der Himmel auf und bietet Richtung Westen ein pastellfarbenes Schauspiel während sich rechts der flache Umriss von Kythnos ins Bild schiebt. Baumlos und verbrannt, garniert mit Würfelzuckerhäuschen: die Siedlung Agios Dimitrios an der Südspitze. Ich habe ihn noch vom Wegfahren in Erinnerung, oktoberlich verlassen gab es dort nichts erwähnens- oder bleibenswertes. So wie Kythnos überhaupt keinen Wiederholungsreflex auslöste. Dass ich nun doch dort landen werde, hat drei Gründe: die Fährverbindung nach Kea, der Strand von Kolona und Agios Stefanos. Erstere brauche ich für die Weiterreise, mittleren hatte ich beim Erstbesuch nicht gesehen und an letzterem ist Göran Schildt schuld. Genug Gründe für einen dreitägigen Aufenthalt, und beim Studium der Anavasi-Karte ergaben sich noch weitere Optionen. Offenbar richtige Wanderwege zu abgelegen Burgruinen und Stränden. Mit dem Finger auf der Karte ist gut wandern.
Die Sonne ist schon untergegangen als die Fähre im letzten Tageslicht Merichas erreicht, den Hafen von Kythnos. Die Zahl der Menschen, die das Schiff hier verlassen, ist überschaubar, und außer mir sind es nur noch vier erkennbare ausländische Touristen, zwei ältere französische Paare.
Ich halte Ausschau nach George, dem Besitzer der Kontseta Apartment, der versprochen hat, mich abzuholen. Was vor allem wegen der Lage hoch über dem Hafen und dem Gepäcktransport dorthin verlockend ist. Aber ich sehe niemand, der wie ein Abholer aussieht. Also vor Richtung Strand. Auf der Höhe der Taverne "Ostria" spricht mich dann zaghaft ein hünenhafter junger Mann an: "Kontseta?" Er ist nicht George, dafür aber erleichtert über meine griechische Antwort. Und er muss noch weitere Gäste abholen. Vier an der Zahl müssen es sein, folglich wendet er sich schüchtern an die vier Franzosen, die gerade vorbeiziehen. "Kontseta?" Als hätte er ihnen einen unsittlichen Antrag gemacht, weisen sie ihn brüsk zurück. Er fällt in sich zusammen, guckt sich suchend um. Keine Gäste zu sehen. Dann eben nicht. Schultert meinen Trolley (17 kg beim Hinflug) und geht links treppauf durch einen Durchgang, entfernt ein versperrendes Brett, quert die Straße und erklimmt dann die lange Betontreppe hinauf zu "Kontseta". Ich hinterher. Noch eine Treppe, dann sind wir da. Eine Frau erwartet mich, stellt sich als Zoi und meine Gastgeberin vor.
Das Kontseta-Haus ersteckt sich am Hang oberhalb des Fähranlegers über drei Stockwerke mit insgesamt sechs Zimmern, darunter wohnt Zoi selbst. Ich bekomme das rechte Zimmer im untersten Stockwerk, in den Berg gebaut und daher von hinten nicht zu belüften (Nachteil in warmen Nächten), geschmackvoll eingerichtet mit gemauertem Bett, schönem Bad, kleiner Küchenzeile und wunderbarer Terrasse mit Panoramablick über Merichas. Passt! 50 Euro bezahle ich pro Nacht, kein Schnäppchen, aber den Preis ist das Zimmer wert. Ein bereitliegender Mückenstecker warnt vor nächtlicher Störungen - Mückengitter fehlen leider. Dito der in der Zimmerbeschreibung gelistete Toaster, in dessen Erwartung ich mein restliches Brot von Milos mitgebracht hatte statt es zu irgendwo an hungrige Tiere zu verfüttern. Zoi wird einen besorgen und ich fühle mich prompt als einer dieser ewig unzufriedenen Touristen. Es wäre ja auch ohne gegangen, hätte ich bloß nichts gesagt.
Nebenan ist noch ein Zimmer, hier wohnt ein junges griechisches Paar mit bravem Baby, der Mann wird oft morgens draußen sitzen, die Frau sehe ich selten. Griechen urlauben gerne auf dem nahen und entspannten Kythnos.
Wo denn die anderen Gäste seien, fragt Zoi den Gepäckträger. Aber er zuckt nur mit den Schultern. Sie telefoniert, offenbar mit George. Und etwas später kommt der mit den vier Franzosen im Schlepptau. Gut, die müssen ihr Gepäck halt jetzt selber tragen, Strafe muss sein. Sie beziehen die Etage über mir und wir werden es irgendwie schaffen, ständig im gleichen Restaurant zu essen bis sie noch vor mir abreisen.
Ein erster Ortsbummel ergibt, dass sich Merichas wenig verändert hat seit 2005. Der hässliche Rohbau gegenüber ist immerhin gnädig verputzt und offenbar teilbewohnt. Ein paar Studios haben Lücken gefüllt und eine weihnachtlich anmutende Lichterinstallation über dem Rohbau weist auf eine weitläufige Apartmentanlage oben am Hügel hin. Bei Tageslicht versteckt sich ihre Natursteinoptik mit viel Understatement.
Restaurants sind viele geöffnet und es herrscht auch reger Betrieb. Laut hallt es vom Anleger, wo sich Segelboote und Yachten aneinanderreihen und die Besatzungen auch noch spätnachts Musikbeschallung wünschen. Da kann Theo froh sein, dass er nicht mehr direkt am Hafen wohnen kann. Er hatte sich kurzfristig contra Syros und pro Kythnos entschieden, vielleicht ist das Alleinstellungsmerkmal von Kythnos mit Chauffeur eher zu finden. ;-) Und er wird morgen Vormittag von Lavrio aus ankommen und sich ein möglichst treppenloses Zimmer suchen. Ich gucke gleich mal nach den geprüften Optionen: das "Finikas" in geschmacklich fragwürdiger, bläulich-kühler Neonbeleuchtungsoptik (dass er das von Lavrio schon gewohnt ist, kann ich da noch nicht wissen). Auch die Inneneinrichtung gemäß Online-Fotos ließ Theo Abstand davon nehmen, vorab zu buchen. Eine Straße weiter liegen die "Tzamaros Studios", aber die sind gleich in einer höheren Preisklasse. Meerblick hat man da nirgends. Na, soll Theo selber gucken, ich halte mich da raus.
Und wo gehe ich jetzt essen? Ich entscheide mich fürs "Avra" am Ende des Strandes, jenseits der Brücke, die irgendwie sinnlos in einem trockenen und gepflasterten Bachbett steht. Aber gut, im Winter führt der Bach vermutlich Wasser und dann erfüllt die Brücke ihren Zweck. Dass sie das schon viel früher tun wird, kann ich da noch nicht ahnen.
Das "Avra" bietet griechische Standardküche, Vater und Sohn bedienen freundlich. Ich bestelle Käsesalat und Zucchiniküchlein, beides ist in Ordnung ohne zu kulinarischen Höhenflügen abzuheben. Nach dem dritten Zucchiniküchlein ist mein Urlaubsbedarf an Frittiertem gesättigt - bloß nicht wieder! Und ab morgen muss ich auch nicht mehr solo essen. Schön!
*
Es ist warm in der Nacht, und die Mücken sind auch schwer zu überhören. Fenster zu und Klimaanlage an? Nein, ich hasse die Teile (Klimaanlagen und Mücken). Und irgenwann schlafe ich dann doch.
Um Viertel vor zehn stehe ich nach einem rudimentären Frühstück auf dem Balkon und einem Spaziergang durch den Ort bis zur anderen Seite der Bucht - die Kapelle der Agii Akindini dort fungiert offenbar als Hauptkirche von Merichas, denn es gibt keine andere - unten am Hafen und erwarte die "Marmari Express". Sie kommt fast pünktlich und entlädt eine überraschend große Menge an maskierten Passagieren. Und einen großen neuen Reisebus, dessen Fahrt über die Rampe offenbar Probleme macht, denn es wird unterlegt und geguckt, damit das Gefährt keinen Schaden nimmt. Theo hat einen Platz in ersten Reihe, denn er kommt nicht vorbei an den beiden Männern, die millimetergenau prüfen, ob der Bus unten aufsitzt. Aber kein Problem, wir haben ja Zeit.
Die Passagiere des Busses warten brav draußen, offenbar eine Wochenendtour von Attika nach Kythnos, Wallfahrt und Kuranwendung inklusive?
Für Theo müssen wir nun ein Quartier suchen. Er wird bei Finikas fündig, ein solides Zimmer mit einfacher Ausstattung ohne kitschigen Schnickschnack, mit Aussicht zum Bäcker und Minimarkt, und freundlichem Haushund. Mit 30 Euro die Nacht ausgesprochen preiswert.
Danach ein Frappé am Hafen um das Wiedersehen zu feiern. Und Pläne zu schmieden. Der Autoverleiher nebenan, Halivelakis, wirbt mit Auto ab 25 Euro am Tag, und er hält Wort: für 50 Euro bekommen wir einen blauen Hyundai i10 bis Sonntagabend, das sind gut zweieinhalb Tage. Mit dem Bus kommt man ja hier nicht weit (nur Schulbus in der Nachsaison), und so sind wir unabhängig.
Irgendwie lasse ich mich, beeindruckt von meinem Benzinverbrauch mit dem Jepaki auf Milos, dazu verleiten, für 30 Euro zu tanken. Das wird zu viel sein für diese kleine Insel, auch in knapp drei Tagen. Egal, auch Tankstellen müssen leben.
Unser erstes Ziel ist Chora (Messaria). Schon die Fahrt hinauf zeigt die Natur von Kythnos: von oleanderbestandenen Bachtälern abgesehen dominiert baumlose, sonnengetrocknete Landschaft. Links liegt das Vryokastro, ein mögliches Ziel der nächsten Tage. Dahinter der Strand von Apokrousi und die Halbinsel Agios Loukas mit dem Kolona-Strand. Ein Auto kommt uns entgegen, der Fahrer hält und fragt nach dem Abzweigung nach Kolona. Keine Ahnung, aber wir werden sehen, dass Straße erst oben bei Chora abzweigt. Denn da wollen wir natürlich auch hin.
Zunächst parken wir den Wagen aber in Chora und gehen zu Fuß durch den gepflegt erscheinenden Ort, der aber recht ausgestorben wirkt. Wir suchen eine geöffnete Taverne. Theo hat immer eigene Vorstellungen und Ansprüche, und ich gelernt, nicht schuld zu sein wenn sie nicht erfüllt werden. Spricht: ich überlasse ihm die Auswahl des Lokales. Wir werden an einer verzweigten und sich mit trennenden Kapellen über mehrere Ebenen verzweigten Platia fündig, im "To Kentro". Da sitzen wir wunderbar beschattet - es ist schon wieder warm heute - und genießen Kapernsalat, Fava und Kichererbseneintopf. Schmeckt! Die obligatorischen Katzen sind auch da, aber nicht zu aufdringlich. Sonst bleiben wir die einzigen Gäste. Die Lethargie nach einem sättigen Mittagsmahl macht sich breit, ein Schläfchen wäre nicht schlecht. Vielleicht am Kolona-Strand?
Die Straße dorthin soll nicht besonders gut sein, und so hatte ich unseren Autovermieter gefragt, ob ich mit dem Auto dorthin fahren könne und dürfe. Ja, ich soll aber vorsichtig und langsam fahren, vor allem auf dem letzten Stück.
Bis zum baumbestandenen und offenbar bewirtschafteten Apokrousi-Strand - Musik dringt herüber - ist die Fahrt kein Problem, dann geht es über einen breiten sandigen Parkplatz, und dahinter beginnt eine schmale, aber immerhin befestigte Straße. Die Befestigung ist am linken Rand allerdings ziemlich abgebrochen, dafür sorgt ein fragiles Mäuerchen für allenfalls optischen Halt. Rechts begrenzt eine Mischung aus Mauer und Felsen die Freiheit. In der Mitte reichlich Löcher. Und dann geht es erst mal steil bergauf.
Hoffentlich kommt uns jetzt kein Auto entgegen, sag ich zu Theo. Und hab den Satz noch kaum ausgesprochen, da biegt um die Kurve vor uns ein Auto. Mist. Wir stehen Stoßstange an Stoßstange, wer gibt nach? Ich fahre bergauf, habe also Vorfahrt. Theoretisch, denn das Auto beziehungsweise der Fahrer vor mir gibt breit straßenversperrend keinen Millimeter nach. Bedeutet mir, zurückzufahren. Nö, er soll. Er gibt aber nicht nach. So können wir jetzt auch den Nachmittag verbringen.
Aber die Klügere gibt nach und so setze ich schimpfend endlos scheinende hundert Meter zurück. Aufpassen, dass ich links nicht ins Unbefestigte abrutsche und aufsitze. Aufpassen, dass ich rechts nicht den Felsen touchiere und mir das Blech lädiere. Und immer diese Scheißkarre vor mir, die jeden freigegebenen Zentimeter sofort nachrückt, als könnte ich es mir doch anders überlegen. Schweißgebadet zweige ich unten in einen Weg neben der Straße ab, nicht ohne dem Fahrer noch ein paar erregte Worte zuzuwerfen. Er kontert Unverständliches und sucht das Weite. Sieg auf der ganzen Linie für ihn.
Ich stelle das Auto neben der Piste ab. Erst mal abschwitzen. Ich trau mich da nicht nochmal rauf. Theo, wir können doch zu Fuß nach Kolona gehen? Gut, also Badesachen eingepackt und los. Die steile Piste hinauf ist für Theo eine Herausforderung, ich bin ihm (mal wieder) weit voraus. Oben in der Kurve, wo uns das Auto entgegenkam, hat man einen guten Blick auf den weiteren Weg. Und da wäre auch direkt nach zehn Metern eine Ausweichstelle gewesen. Oder in der Kurve ein Abzweig bei einer Baustelle. Ich werfe dem unnachgiebigen Autofahrer noch ein M-Schimpfwort hinterher. Vor mir liegt ein Tal, das die nun breitere Piste in einem weiten Bogen ausfährt. Kein Problem mit dem Auto. Wir haben da einfach die einzige ungünstige Stelle für Gegenverkehr erwischt.
Ein voll besetzter Kleinwagen kommt herauf, befindet die weitere Straße für zu schlecht, wendet und fährt zurück. Heh, da war doch gar kein Gegenverkehr, da übelste habt ihr doch schon hinter euch!
Auf der Piste weiter zum Strand ist in der Wärme des Nachmittags unschön. Wenn Theo hier oben bleibt und guckt ob die Straße frei ist, mir per Handy Bescheid gibt und ich komme dann mit dem Auto? Telefontest: Theos Mobilfon klingelt nicht. Mist. Theo weiß gar nicht, ob er unbedingt zum Kolona-Strand will. Ich schon, definitiv. No way back. Ich werde das Auto holen und auf mein Glück hoffen. So viel Verkehr, dass mir gleich wieder einer entgegenkommt, wird schon nicht sein.
Und im zweiten Anlauf klappt es. Auf der Kuppe Theo einsammeln und dann schön langsam auf der nun deutlich breiteren Bahn das Tal ausfahren. In der Serpentine ist die Oberfläche nochmal besonders schlecht, aber es geht schon. Kein sich in Staubwolke ankündender Gegenverkehr. Hoffentlich auch auf dem Rückweg!
Ich hätte es wissen könne, werde aber erst am Abend bei Matt Barrett Folgendes lesen:
".... Kolona was a 20 minute drive on a precarious dirt road that if we were unlucky enough to run into someone coming from the opposite direction, one of us would have to drive backwards for a quarter of a mile on a narrow, winding, rocky section on the edge of a cliff above the sea. The whole time driving there I was dreading the trip back and the possibility of this happening, and even while we stood on the hill overlooking Kolona, one of the most beautiful beaches I had ever seen in Greece, the trip back was still hovering in the recesses of my mind."
Ok, er dramatisiert etwas. ;-)
Die Piste endet an einem Strand (Kolofonias) östlich der Landzunge, die Kythnos mit der vorgelagerten Insel Agios Loukas verbindet. Der Boden ist übersät mit Strandlilien. Etwa zwanzig Autos parken hier, man tut also gut, nicht antizyklisch herzufahren. Wir stellen uns dazu, weiter nur zu Fuß. Über eine felsige Kuppe und durch ein Tor gelangen wir nun zur Landseite von Kolona, wo eine erhöht liegende Strandtaverne mit Aussicht sofort für klare Aufgabenteilung sorgt: Theo wird dort ein kühles Getränk zu sich nehmen während ich hinüber zur Kapelle des heiligen Lukas gehen werden um mich anschließend mit einem Bad im Meer zu erfrischen.
Fotos von Kolona (=Säule) sind wohl des größte Werbemittel, das Kythnos hat. Der schmale Sandstreifen mit beidseitigem Strand, der hinüber zur kapellengekrönten Felsen(halb)insel führt, das Blau der beiden tiefen Buchten, die beliebte Ankerplätze der Segler sind - wenn das kein Appetitmacher ist! Und ich hatte das beim Erstbesuch vor 15 Jahren völlig verbummelt.
Wobei eigentlich nur der westliche Strand Kolona heißt, der Name des östlichen ist Fykiada. Aber egal. Auf der Fykiada-Seite stehen zwei Dutzend Sonnenschirme samt paarweisen Sonnenliegen, die zur Strandbar unterhalb der Taverne gehören, aber der Großteil der flachen Landzunge ist Sand pur. Rechts sorgen zwei Tamarisken für natürlichen Schatten. Die jetzt eher spärlichen Badegäste verteilen sich. Was hier wohl im August los ist, wenn auch noch Badeboote fahren? Sicher der entspanntere Weg, hierher zu kommen.
Ich überquere den sandigen Isthmus und strebe der Kapelle zu. Ein Tor sichert, dass die aufgeschreckten Schafe keinen Badeausflug machen. Eine Piste führt in weitem Bogen hinauf zum Gotteshäuschen. Von hier oben ist der Blick auf den von blauen Buchten zusammengeschobenen, hellen Sandriegel genial. Segelboote ankern auf beiden Seiten in der Bläue. Allenfalls das gegenüberliegende Strandlokal stört die Optik etwas. Aber nur ganz wenig.
Weiter rechts sieht man einer Bucht Merichas liegen. Der Hafenort versteckt sich etwas zurückgezogen. Und zum ersten Mal habe ich Gelegenheit, die Trockensteinmauern zu bewundern, die das kahl-ockergraue Gelände durchziehen. Es wird nicht das letzte Mal bleiben. Erstaunlich, dass selbst nahegelegenen Inseln eine so unterschiedliche Natur haben können. Milos ist geradezu ein Feuchtbiotop gegen Kythnos, und Kea dann schon die grüne Hölle.
So, wenn ich jetzt noch baden möchte, dann schnell wieder runter und ab in die Fluten. Die Abkühlung kann ich brauchen, es ist schon ganz schön warm heute. Am Südende des Weststrandes bin ich ganz alleine. Auf Kythnos urlauben (nicht nur dieses Jahr) vor allem Griechen, und die suchen, im Gegensatz zu Mitteleuropäern, nicht die Distanz, sondern die Nähe. Auch am Strand. Vielleicht stehen die Schirme mit Corona-Abstand.
Zurück in der Taverne guckt Theo nach zwei Bieren auch ganz zufrieden. Ich gönne mir einen frischgepressten Orangensaft und wir warten zusammen bis die Sonne tiefer steht und keine entgegenkommenden Strandbesucherautos mehr zu erwarten sind.
Nach 18 Uhr fahren wir problemlos und gegenverkehrsfrei zurück, nur mit einem kleinen Fotostopp am baumgesäumten Apokrousi-Strand. Ja, auch nicht schlecht zum Baden, aber in der Optik natürlich nicht mit Kolona vergleichbar.
Die Sonne ist dann schon hinter dem Hügel untergegangen als wir Merichas erreichen. Die "Makedon", eine der beiden Hausfähren von Kythnos, tuckert gerade davon.
Um Viertel nach acht treffen Theo und ich uns zum Abendessen. Wir haben beide keine Lust auf Gegrilltes oder Frittiertes. Fisch wäre nicht schlecht, am besten Fischsuppe. Dann ab ins "Ostria" am Bootsanleger. Fischsuppe steht nicht auf dem Menu, aber die maskierte Kellnerin, die uns ins gut gefüllte Lokal holen möchte, meint, wenn wir eine Stunde Zeit hätten, bekämen wir Fischsuppe frisch zubereitet. Klar haben wir Zeit, wir sind ja im Urlaub. Und sie empfiehlt dringend, für die Suppe (teuren) Skorpionfisch zu nehmen. Das wäre jetzt vermutlich der Zeitpunkt gewesen, nach dem Preis zu fragen, aber wir sind in Urlaubsstimmung und wollen Fischsuppe. Punkt.
Bei Weißwein und Tsatsiki warten wir die Stunde bis eine große Platte mit gekochten Kartoffeln, Karotten und drei Fischen aufgetragen wird. Und umgehend folgt eine große Terrine, randvoll mit würzig-duftendem Fischsud, ausreichend für eine kleine Familie. Der Rest ist gefräßige Stille. Wir schaffen die Brühe fast vollständig, und auch von den Fischen bleiben nur die Gräten übrig. Bei den Beilagen müssen wir passen, die sind ja eh nur füllende Deko.
Das hat ausgezeichnet geschmeckt, und nun rätseln wir, wie hoch wohl die Rechnung sein dürfte. Fünfzig, sechzig Euro könnten es schon sein. Kommt auch darauf an, ob sich der angegebenen Weinpreis von acht Euro auf einen Liter bezieht (eigentlich normal) oder auf einen halben. Wir hatten einen Liter - bissle zu viel am Schluss. Statt des offerierten Kaffees aufs Haus bekommen wir zwei gut gefüllte Raki. Und schließlich die Rechnung. Sie beträgt 92 Euro, was uns dann doch kurz den Atem verschlägt. 76 Euro davon entfallen auf den Fisch. Ok, hier im "Ostria" ist man Segler gewohnt, die nicht unbedingt auf den Preis achten. Wir ärgern uns nicht, sondern buchen das Ganze unter "ein gelungener Abend mit ausgezeichnetem Essen".
Nur dass die Kellnerin die Rechnung mit dem Wechselgeld nicht wiederbringt, wird uns nachher wurmen. Das Souvenir hätten wir doch gerne mitgenommen.
Und so klingt mit vollen Bäuchen, aber leerem Geldbeutel ein Tag mit Unwägbarkeiten aus.
Ein schöner Tag war es trotzdem. Mal sehen was der nächste bringt.