Rod hatte gestern schon seine Pläne für heute anklingen lassen und bestätigt sie beim Frühstück: Er wird eine Sonnenuntergangs-Tour machen, weil dafür eine Buchung hat. Und zwar ab Mandrakia nach Sarakiniko. Da bietet es sich an, die Tagestour auch dort enden zu lassen. Zumal es nach einstimmigem Beschluss erst am Mittag losgehen soll. Dann will man zwischen Tages- und Sonnenuntergangstour in der Taverne "Medusa" in Mandrakia einkehren. Dieser Plan wirft meine Day-Off-Pläne über den Haufen, denn ab Mandrakia soll die Tagestour nach Nordwesten um die Trachilas-Halbinsel führen. Und vielleicht weiter zu den vorgelagerten Akradies-Inseln. Und da war ich noch nicht. Möchte aber sehr gerne hin, auch wenn ich nicht weiß, ob ich mir diese Querung zutraue. Also möchte ich an beiden Touren teilnehmen. Nichts wird es mit dem (paddel)freien Tag.
Um 13 Uhr ist Abfahrt in Triovasalos, und den freien Vormittag nutze ich bei zunehmend warmem Wetter zu einem Bummel durch Plaka, wo ich ein paar Einkäufe erledige und mir ein schönes Leinenkleid ins Auge sticht. Ich treffe Marion und wir gehen ins Café "Palaios", wo ich den Melonenkuchen probiere. Schmeckt ausgezeichnet, etwas wie Zwetschendatschi! Noch eine salzige Pitta auf die Faust, und um 13 Uhr stehen neun Personen parat zur Abfahrt. Dario hat seinen ersten offiziellen Tag als Assistent, wie immer gut gelaunt, kommunikativ und hilfsbereit. Benedikte möchte erst am Abend dazu stoßen, und so hat Thomas die Möglichkeit, ins Einerkajak zu steigen.
Es ist windiger als gedacht. Und wir paddeln nicht die Küste entlang, sondern queren hinaus zum Felsen Korakonissi, der etwa einen Kilometer weit nördlich liegt. Von dort dann Kurs Nordwest wieder zurück zu Küste, wo es ein paar schöne Gesteinsformationen und Felsenbögen gibt, die um- oder durchpaddelt werden können. Wir passieren die Nordspitze von Milos (Kap Kambanes) und fahren westwärts entlang der Küste. Der Wind nimmt zu, die Wellen werden höher, wenn wir uns nicht gerade im Windschatten irgendwelcher Felsen befinden, die hier interessante Kegel bilden.
Ich bin heute nicht so recht in Form. Und als ich gerade überlege, ob wir nicht bald Pause machen - immerhin sind wir schon eine Stunde unterwegs - sagt Rod, dass wir nun zwei Kilometer hinüber zur östlichen Akradia-Insel queren werden, dann nördlich um sie herum und schließlich auf der westlichen Akradia-Insel anlegen und rasten werden.
Das Unsicherheit muss mir im Gesicht gestanden sein, denn er bietet mir an, mit Dario hier zu bleiben und langsam zurück zu paddeln. Ich bin hin und her gerissen. Einerseits möchte ich wirklich sehr gerne zu den Inseln, andererseits hab ich Angst, mit den anderen nicht mitzukommen und in dem offenen Kanal womöglich zu kentern. Rod erklärt die Marschroute, und ich fasse mir ein Herz und höre mich sagen "I will come with you".
Hoffentlich bereue ich das nicht noch.
Und los geht es. Ich bekomme etwas Vorsprung, damit ich nicht gleich hinterherhecheln muss. Rod hat die Headline vorgegeben und so steuern wir zunächst mit dem Wind die Westspitze von Megali Akradia an, um dann, je weiter wir draußen sind, weiter nach Osten zu drehen. Die Wellen sind lang und hoch wie ich sie noch nie gehabt habe und nehmen einen mit in die Höhe. Ein Gefühl wie eine Achterbahnfahrt (na, ein bißchen :-) ), aber ich bin gut ausbalanciert und das klamme Gefühl in der Magengrube schwindet. Bald sind die anderen Kajaks auf meiner Höhe und wir steuern alle in einer breiten Phalanx auf die rechte Felseninsel zu. Ein rasant querendes Motorboot sorgt für Schwell und kurze Panik, aber alles halb so schlimm.
Als wir den Windschatten der rechten Insel erreichen, wird es ruhiger. Wir umkreisen Megali Akradia östlich. Ein mächtiger Felsen, 112 Meter hoch, mit den obligatorischen Möwen drauf, die wild schreien. Keine Sorge, wir sind weit weg und bleiben es auch.
Meer und Wellen werden wieder ruppig als wir die Nordspitze umrundet haben und nun entlang der Nordwestküste fahren, aber meine Müdigkeit ist weg, vermutlich vom Adrenalin verdrängt. Es ist zwar kein Genusspaddeln für mich, und ich muss ziemlich reinhauen und hänge trotzdem am Ende der Gruppe, aber Dario ist in der Nähe, falls ich doch kentere. Was ich zum Glück nicht tue.
Nun noch das kurze Stück über den Kanal, der beide Akradies trennt. Am östlichen Kap von Mikri Akradia ziehen wir die Boote an Land. Geschafft! Ich bin stolz auf mich, und auch von den MItpaddlerinnen gibt es Anerkennung.
Der Strand ist eine unwegsame Mondlandschaft, er besteht aus großen Steinen und Schotter, durchsetzt mit Schwemmgut, wie nagelbesetzten Hölzern. Vorsicht ist angebracht.
Mit dem Rücken zu Mikri Akradia ragt vor uns wie eine Steinpyramide Megali Akradia in die Höhe, weiter rechts sehen wir die Nordküste von Milos mit dem Kegel des Kastro, der sie weißgetupft überragt. Von rechts schiebt sich, aus dieser Perspektive völlig unscheinbar, Kap Vani ins Bild. Es hebt sich kaum ab vom restlichen Milos. Kommt uns meilenweit entfernt vor.
Baden will heute niemand, nur Rod schnappt sich Brille und Schnorchel und taucht ein und ab. Vermutlich kann man hier mehr Fische sehen als an sandigen Küsten.
Auf einem angeschwemmten Holzgatter wird später der Snack präsentiert, aber allzu lange halten wir uns nicht auf. Um vier Uhr sind wir wieder auf dem Wasser und steuern Kap Kampanes an. Der Wind kommt nun von hinten, was das Paddeln leichter macht, aber auch seine Tücken hat, da man die Wellen nicht kommen sieht, von denen man mit- und hochgenommen wird.
Nach dem Kap wird es ruhiger, nun sind wir geschützt vom Wind und paddeln mit Abstand die Küste entlang. Gegen 17 Uhr sind wir wieder in Mandrakia. 16 Kilometer hat Anita auf ihrer Tracking-App gemessen, weiter als ich gedacht hatte.
Wir ziehen die Kajaks an Land, wechseln provisorisch die Klamotten und gehen hinauf zur Taverne "Medusa", wo wir einen Tisch reserviert haben, was angesichts der guten Belegung keine schlechte Idee war. Rod und Dario sind nicht dabei, sie fahren hoch nach Triovasalos und werden Benedikte und ein Paar Tagesgäste abholen.
Im "Medusa" sitzt man wunderbar, und das Essen ist auch gut. Für große Schlemmereien fehlen aber Appetit und Muße, ich belasse es bei Bruschetta (nein, nicht Dakos).
Unbedingt fotografieren muss ich aber die Reihe am Ufer zum Trocknen aufgehängten Oktopusse. So viele sieht man nur noch selten, da der gastronomische Bedarf an Oktopus das Angebot übersteigt und die Achtfüßler inzwischen oft importiert werden.
Nach einer Stunde geht es dann schnell wieder runter zum Strand, wo die Abendgäste - außer Benedikte ein junges holländisches Paar - auch bald eintreffen. Schnell wieder in Paddelklamotten und aufs Wasser. Dario weist die Tagesgäste im Doppel ein, und Thomas nimmt nun auch wieder den Zweier mit Benedikte.
Als ich hörte, dass wir zum Sonnenuntergang nach Sarakiniko paddeln, war ich zunächst etwas enttäuscht, denn ich wäre lieber nach Klima gepaddelt. Sarakiniko war ich doch schon so oft. Aber schon nach wenigen Metern merke ich, dass sich dieser Küstenabschnitt mit seinen Tunnels und Höhlen im schrägen Licht des späten Nachmittags in einer wunderbaren Beleuchtung präsentiert, die alle vorherigen Befahrungen in den Schatten stellt. Rod weiß eben, wie er Milos am besten präsentieren kann.
Die Felsen leuchten angestrahlt, das Meer reflektiert das Licht, und das Ganze gibt eine atemberaubende Bühne, durch die wir nun staunend fahren.
In Sarakiniko ist noch mehr los als neulich, sowohl an Land, als auch an Bootsstärke auf dem Meer. Dieses Mal lasse mir das Loch im Felsen nicht entgehen, in das man hineinfahren kann und dann von den Badegästen an Land (hoffentlich neidisch) bestaunt wird.
Den schmalen Fjord mit den flachen Sarakiniko-Strand verlassen wir schnell wieder - zu voll. Es geht weiter ostwärts, und ich frage mich, wie weit Rod uns führen will. Aber wir habe noch über eine Stunde bis zum Sonnenuntergang, kein Grund zur Hektik also.
Erst an einer namenlosen kleinen Bucht irgendwo vor Mytakas - Felsen und Sand - gehen wir an Land und genießen das goldene Abendlicht und die lauen Temperaturen bei einem kleinen Snack.
Es ist fast acht Uhr als es an den Rückweg geht. Die tiefstehende Sonne blendet uns, und zwingt zur Sonnenbrille. Es ist wunderschön, aber allmählich merke ich, dass ich heute schon ein paar Kilometer in den Knochen habe und der Körper müde ist. Morgen werde ich einen paddelfreien Tag nehmen. Wenn Rod nicht andere Pläne hat. Ich frage ihn danach. Morgen würde es vermutlich an die Südküste gehen, und übermorgen dann Sykia. Sykia? Ich bin elektrisiert, denn dort hinein mit dem Kajak zu fahren, ist ein langegehegter Wunsch. Wenn der wahr würde!
Rod steuert die Gruppe wieder zum Felseninselchen Korakonissi. Die Sonne wird aber hinter Milos untergehen, und nicht im Meer, das liegt in der Geografie der Dinge. Und so bleibe ich mit Dario und dem holländischen Paar zurück und wir steuern ganz langsam im schwindenden Tageslicht wieder Mandrakia an. Als wir dort kurz vor neun Uhr und schon im Dunkeln an Land gehen, sind die Anderen aber auch schon da. Die Abendtour war nochmals sieben bis acht Kilometer lang, so dass sich die Gesamtbilanz auf 23 bis 24 Kilometer berechnet. Körperlich müde, aber sonst glücklich lassen wir den Tag auf der Terrasse hinter dem Kafenio Perros bei Ouzo und Omelette ausklingen.
Rods Fotos vom Tag hier und hier:
https://seakayakmilos.smugmug.com/Day-trips/All-2021-Photos/June-16-Akradies
https://seakayakmilos.smugmug.com/Day-trips/All-2021-Photos/June-16-Sarakiniko-sunset
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Rod laboriert seit Tagen an einer heftigen Erkältung, die er sich wohl bei der Campingtour zugezogen hat. Nein, kein Covid - natürlich hat er sich getestet.
Er wird deshalb den Donnerstag frei nehmen und Dario alleine auf die Tour schicken. Es geht im Inneren der Bucht von Milos von Achivadolimni nach Emporios. Nicht der spannendste Abschnitt der vielfältigen Küsten, und so kann ich leichten Herzens meinen freien Tag nehmen. Und mich erholen für morgen. Hoffentlich Sykia, hoffentlich ist Rod wieder fit!
Es ist warm heute, und schon beim Bummel hinauf nach Plaka komme ich ins Schwitzen. Nach einem Frappé im Baumschatten des bunten Café "Fatzes" vor dem archäologischen Museum ist mein Kreislauf wieder etwas angekurbelt und ich kann meine Einkaufstour fortsetzen. Unten in der Bucht liegt heute ein Kreuzfahrtschiff und mehrere Busse laden die Gäste an der Bushaltestelle zum Besuch von Plaka, Katakomben und Co. ab. Für einen Besuch des kleinen Museum ist aber offenbar keine Zeit, der französische Guide erzählt nur kurz etwas, und schon sind sie wieder weg.
Weil es so warm ist, streiche ich alle weiteren, womöglich schweisstreibenden Aktivitäten und nehmen den Bus um 13.40 Uhr über Adamas nach Pollonia. Steige vor Pachena aus und gehe hinab zum Strand von Alogomantra, vorbei an einem Hotel mit Taverne. Die Hoffnung, dort etwas zum Essen oder Trinken zu bekommen, wird sich später zerschlagen, als ich erfrischt vom Baden am Strand auf der Suche nach Tranksame bin.
Auch in dem Weiler Agios Konstantinos werde ich nicht fündig - hier gibt es zwar ein paar pittoreske Bootshäuser, eine Kapelle im Untergrund - neben zwei überirdischen - aber kein Café. Und weil ich mich im Busfahrplan verguckt habe, bin ich viel zu früh wieder oben an der Straße, wo ich auch auf dem Weg weiter nach Westen nichts zu Trinken finden. Die Sonne knallt mit der Härte, die schon den ganzen Juni hätte sein können. Was habe ich bisher Glück gehabt!
Ich flüchte mich schließlich in den Schatten einer verlassenen, kleinen Ferienanlage und lese. Um 17.50 Uhr kommt der Bus dann endlich, und nach eine kurzen Halt in Adamas - schnell etwas zum Trinken kaufen! - nehme ich den Bus um halb sieben nach Triovasalos.
Die Paddler sitzen in dezimierter Runde vor dem Kafenio: Benedikte hat sich auf dem Rückweg beim Baden den Fuß lädiert! Nun wartet sie in der Krankenstation auf die ärztliche Diagnose: gebrochen! Was für ein Pech. Mit Gips und Schmerzen kommt sie ins ihr Zimmer zurück, das glücklicherweise ebenerdig im Gebäude von Rods Haus liegt. Aber sie trägt es mit Fassung, ebenso wie Thomas. Das sei ja schmerzhaft und schade, aber als Arzt hätte er in seinem Leben doch wesentlich schlimmere und einschneidendere Diagnosen erlebt. So ein Fußbruch sei da doch kein Beinbruch ....
Da hat Dario bei seiner Premiere als verantwortlicher Guide gleich mehr und andere Erfahrungen gemacht als er wollte. Aber das gehört leider auch zum Paddelgeschäft.
Zum Abendessen geh ich heute mit den Österreicherinnen nach Tripiti ins "Ergina". Die Wirtin, die mich nach dem letzten Jahr schon vorgestern wiedererkannt hat, freut sich mich zu sehen, und es gibt was aufs Haus. Ich bestellt Pasta Pesto und bin wieder sehr zufrieden. Und die Mitesserinnen mit ihren Speisen auch.
Und morgen ist dann schon der letzte Paddel- und Urlaubstag.....