Rund um Milos Teil 2

Die Zelte sind nass am Morgen - Feuchtigkeit vom Meer. Ich warte mit dem Abbau, aber bis die Sonne über den Berg kommt, wird es dauern. Müssen wir die Zelte eben feucht einpacken.

Wir nutzen nochmals die Terrasse des Syrma fürs Frühstück, packen dann unsere Kajaks unter besonderer Berücksichtigung meiner Ladeklappe: alles trocken drinnen. Noch. Etwas Wasser ins Cockpit, dann sehen wir weiter.

Das war ein wirklich schöner Übernachtungsplatz. Heute steht ein weiterer Tag voller Höhepunkte auf dem Programm. Der Himmel ist wolkenlos und das Meer fast glatt.

 

Im Westen erhebt sich Antimilos wie ein riesiges, leicht violettes Bergmassiv aus dem Meer.

Vor neun Uhr sind wir auf dem Wasser und paddeln die Westküste nordwärts. Zu Anfang hat es noch etwas niedrige Steilküste mit faszinierenden Farbspielen und vogelkopfartigen Vorsprüngen. Um das schwarz und das rote Kap herum erreichen wir Ammoudaraki, den südlichsten der acht Triades-Strände, wo wir einen kurzen Toilettenhalt einlegen. Meine Provianttasche ist schon wieder nass, und heute kann es nicht an Wind und Wellen liegen, denn es hat keine. Also doch eine undichte Trennwand. Wir werden mein Kajak heute Abend austauschen, Dario simst Rod an.

 

Ammoudaraki ist ein netter Strand mit einer Mischung aus Kies und grobem Sand sowie unvermeidlichem Bootshaus, direkt in den geädert, teilweise bunten Felsen gegraben. Es geht flach ins Wasser.

Aber wir haben keine Zeit zum Baden, fahren weiter. Fangen hier einen Felsenbogen ein, und passieren dort einen Felsen wie Elefantenhaut. Die ersten, gut gefüllten Ausflugsboote kommen uns entgegen, denn heute ist das Wetter perfekt für Bootstouren um die Insel oder nach Kleftiko. Sie halten sich aber weiter draußen, eilen an uns vorbei. Auf einigen Felsen drängen sich Kormorane, die ewig präsenten schwarzen Vögel der Küste. Dario kann eine Meeresschildkröte ausmachen, ich sehe sie aber nicht. Ich habe eine Mönchsrobbe bestellt, aber die Bestellung ist offenbar nicht angekommen. Egal, denn es ist auch so einfach schön. Die Küste sieht aus wie Kohle, Knubbel, Zacken und Wände mit Fraßspuren. Das Meer glasklar, scheint im Schatten aber Dunkelgrün.

 

Dann eine weite helle Bucht zur Rechten mit einem Wohnwagen. Einem Wohnwagen? Ja, einem Wohnwagen. Wir halten darauf zu, wollen am Strand von Agathia eine Pause einlegen. Dario hat nach den gestrigen Erfahrungen, die Caryn und mich an unsere Grenzen geführt haben (wobei wir selber die vorgeschlagenen Pausen nicht wollten) beschlossen, öfters pausieren. Zumal wenn die Spots so schön sind.

 

Die Bucht von Agáthia ist weit und ganz flach. Heller Sand wo wir anlegen, darin zwei mickrige Tamarisken. Am nördlichen Ende ein Anwesen mit besagtem Wohnwagen, der etwas oberhalb steht. Ein kleines Ikonostasi steht dort am weißgepflasterten Weg. Dario und die Amerikaner schleppen ihre Zeltplanen auf das Dach der Bootsgarage beim Haus. Sonne hat es jetzt genug, und ich nehme ein Bad im flachen Wasser. Wunderbar, wenn auch immer noch nicht sehr warm.

 

Für den Lunch ist es noch zu früh, nur ein kleiner Snack zur Stärkung. Ein Paar kommt mit dem Auto auf dem Landweg, ist nicht begeistert, dass sie den Strand nicht für sich haben nach der langen und holprigen Anfahrt. Für die meisten Mietwagen verboten. Als ich vor ein paar Jahren mit dem Auto und zu Fuß in Vani war, hatte ich überlegt, einen Abstecher nach Agathia zu machen. Weil es heiß und schattenlos war, habe ich es gelassen. Nie hätte ich meinen Mietwagen so weit getrieben, er wurde schon viel weiter östlich geparkt.

Keine Angst, wir bleiben nicht mehr lange, wir haben noch einige Meilen vor uns. Und einen Höhepunkt: Vani!

Wohin es aber noch länger dauert als gedacht. Noch eine Bucht, noch ein Felsenvorsprung. Schwarz und schroff mit skurrilen Köpfen, wie von Max Ernst gestaltet. Dazwischen helle Felsen mit gelben und bordeauxroten Maserungen. Ist nun dieser überraschend grüne Felsrücken, der von der Südseite aus unspektakulär aussieht, das Kap? Nein, denn wo wäre der vorgelagerte Kegelfelsen? Wir passieren einen Felsenspalt in rötlichem, gebrochenem Strukturgestein. Ein erster hoher Felsen im Meer ist es nicht: zu klein. Aber dann rückt er ins Bild: ein dunkler Felsenturm, durch einen schmalen Kanal von der Hauptinsel getrennt. Zu schmal um hindurchzupaddeln, also geht es darum herum.

Dann tauchen die Reste des Verladeturmes für Manganerz auf.

 

Mit dem Kajak um Kap Vani - ein Traum wird für mich wahr. Mit einem Tagesausflug habe ich es nie geschafft: zu selten geht Rod die Tour an, und oft nur mit den fortgeschrittenen Paddelclubs. Ich bin glücklich.

Nur noch ein paar Meter bis zum Strand, der wegen der großen, teilweise glitschigen Kiesel sehr unbequem beim Anlanden ist. Aufpassen, Verletzungsgefahr!

Willkommen in Vani!

Im Mai 2019 war ich hier, hatte am ersten Ziel der Wanderung gedacht, mich im Meer abkühlen zu können, aber angesichts der gefährlichen bis fußballgroßen Kiesel darauf verzichtet. Wunderschöner Kiesel allerdings. Kämen die Besucher mit Autos in Massen hierher, wären sie wohl längst weg, auch wenn die größten die schönsten sind. Gut, dass es hier so abseits ist.

 

Wir holen unseren Proviant aus den Kajaks und ich ziehe meine Stiefel an. Denn nun gehen wir durch eine kurze Verengung in die Wildwest-Landschaft der verlassenen Mangan-Mine. Zuerst zu dem kleinen Sitzplatz aus Paletten und Holzbalken unter einem großen Wacholder. Heute suchen wir den Schatten, denn in Vani knallt die Sonne, erhitzt die mit wenig grünen Büschen durchsetzte Felsenlandschaft wie eine Pfanne. Brian probiert sogar die Schaukel aus, die im Baum hängt. Hält.

 

Nach dem Lunch führt Dario uns durch die sehr weitläufige Minenlandschaft, erzählt Hintergründe. Wir haben die Stirnlampen dabei und gehen ein Stück in einen Stollen hinein. Da wir keinen Ariadnefaden dabei haben, müssen wir vorsichtig sein, dass wir uns nicht verlaufen, als eine Kreuzung kommt. Aber Dario kennt sich aus. Das Ganze fühlt sich an wie bei Indiana Jones, und prompt setzt sich die Filmmusik in meinem Schädel fest. Schlangen oder Schädel hat es zum Glück aber keine. Caryn mag es lieber überirdisch und kehrt vorzeitig zum Picknickplatz zurück als eine Fledermaus über uns hinweg flattert, während Brian, Dario und ich tiefer in den Stollen vordringen. Und uns danach das weitere Gelände ansehen. Wir gehen durch einen oben offenen Gang bis zwei Bögen ihn oben abschließen. Sieht toll aus, und hatte ich mir vor fünf Jahren nicht angeguckt. Als Solistin war ich da lieber vorsichtig.

Es ist dann schon drei Uhr vorbei, als wir wieder vor zur Küste zu unseren Kajaks gehen und weiterfahren. Weit ist es nun nicht mehr, aber wir müssen die Einfahrt zur Bucht von Milos queren, und dabei den Fährverkehr beachten. Diese Querung wollen wir an der engsten Stelle vornehmen, vom Kap Kalamarokavos hinüber nach Fourkovouni. Und wir müssen vorher den Fährverkehr checken, was in Vani mangels Empfang nicht geht.

Also folgen wir der nach wie vor beeindruckenden Küste mit weiteren wilden Felsen nach Osten und sehen bald den Kastrokegel, Plaka, Tripiti und Klima jenseits der Bucht liegen. Aber wir halten nochmals an einem Kieselstrand, wo wir zwar nicht mehr in die Bucht von Milos gucken können, aber Empfang haben. Etwas spärlichen Empfang allerdings. Caryn schwimmt zwischen den Akradies-Inseln am Horizont.

 

Dario guckt auf die Website von Milostravel, wo die Fährverbindungen für jeden Tag gelistet sind. Heute, am letzten Tag der Osterfeiertage, ist Richtung Piräus viel los, und die Fähren bis zur Enddestination sind ausgebucht, hatte Regina geschrieben. Allerdings hat man zusätzliche Schiffe eingesetzt, die offenbar nicht alle aufgeführt sind. Also sehen wir noch bei Marinetraffic nach und entdecken zwei Seajets mit Destination Milos, die sich aktuell auf der Höhe von Kimolos befinden: der große Champion Jet und der kleinere Superjet. Wie schnell sind sie da? Das ist schwer zu sagen, aber auf alle Fälle wollen (und dürfen) wir nicht im Weg sein, wenn sie in die Bucht flitzen.

Wir besprechen, dass wir den schnelleren Champion Jet abwarten, und dann queren wollen. Es dauert etwas, aber dann kommt er mit Getöse und rauscht vor uns in die Bucht. Wir entern die Kajaks, legen ab.

 

Und merken, kaum dass wir das Kap Kalamarokavos erreicht haben, dass wir einen Denkfehler gemacht haben: dass der Champion Jet natürlich auch schnell wieder aus dem Hafen und der Bucht herausfährt. Und dann schon der kleine Jet kommt, den wir sowohl bei der Ein- als auch auf der Ausfahrt besser passieren lassen. Zumindest ich habe einen Heidenrespekt, und eigentlich ist das Queren von Fährstraßen auch verboten. Eigentlich.

So trauen wir uns nicht hinüber, bleiben aber zusammen auf dem Meer am Kap. Müssen aufpassen, dass wir vom Wind nicht abgetrieben werden. Das Einsteigen der vielen Passagiere in Adamas dauert länger, und wir müssen eine Weile warten bis sich der Champion Jet dröhnend von rechts nähert. Natürlich ist er weit weg, aber dennoch treibt mir die Passage den Puls nach oben. So, und wo bleibt nur der Superjet?

Lautes Motorengeräusch von Norden, aber es ist nicht die Schnellfähre, die dort auftaucht, sondern ein Frachter. Der will zum Glück nicht in die Bucht, sondern schleicht westlich von uns südwärts. Der Schwell vom Champion Jet erreicht uns mit Verspätung und lässt uns auf den Wellen auf und ab reiten.

 

Und dann kommt der Superjet, flitzt in die Bucht. Wir werden die Passage beginnen, da sich der Superjet weiter nördlich und näher zur Küste hält als der Champion Jet. Hinüber geht es aber erst, wenn er vorbei ist. Das dauert, wenn man so lange mit Wind, Wellen und der eigenen Nervosität kämpft. Aber schließlich zischt er vorbei, und der Weg ist frei.

Wir legen uns mächtig in Zeug, steuern aber nicht Fourkovouni an, sondern das Kap westlich davon, an dem die beiden Bärenfelsen liegen. Es sind vielleicht eineinhalb Kilometer, und in einer Viertelstunde sind wir drüben. Geschafft!

 

Bevor es nun ans Ziel Pláthiena geht, umpaddeln wir die Bärenfelsen. Der südwestliche sieht nicht so bärig aus, der nordöstliche auch nur aus einer Perspektive, die wir nicht haben. Uns zeigt er sich mehr als Hase. Nehmen wir auch.

 

Gegen Viertel nach sechs gehen wir am südlichen Ende des Plathiena-Strandes an Land. Und staunen, wie viel Strandleben es hier noch gibt. Da wird der Zeltaufbau heute wieder warten müssen.

Die Wegstrecke war heute noch länger als gestern: 23 bis 24 Kilometer, aber wir sind nicht so müde. Weniger Wind und mehr Pausen ist entspannter.

Ich räume alle Sachen aus meinem Kajak, denn zum Sonnenuntergang wird Rod kommen und mein Boot austauschen. Wir haben auch noch etwas Frischware bestellt, Gurken und Tomaten.

Zeit für ein Bad und etwas Toilette. Haarewaschen im Meer ist fällig. Praktisch, dass es hier auch eine Umkleidekabine gibt und ich dort bequem trockenen Klamotten anziehen kann.

Die Kantine an der Straße hinter dem Strand ist noch nicht geöffnet, und so können wir die festen Holztische und -bänke für unsere Küche nutzen. Bei Dario und mir gibt es heute Reisnudel mit geriebenem Käse für mich (köstlich mit Rígani) und für Dario mit Tomatensauce. Reisnudel kennt er gar nicht, eine gute Alternative zu langen Nudeln, die frevelhaft gebrochen werden müssen, findet auch er. Vorab natürlich Salat mit Tomate, Mais und Paximadi. Bei Caryn und Brian köcheln Linsen im Topf. Zu salzig sei es aber.

 

Der Strand leert sich allmählich, und wir können mit dem Zeltaufbau beginnen. Klappt längst wie am Schnürchen. Pünktlich zum Sonnenuntergang kommt Rod mit dem Anhänger und meinem Austauschkajak. Grün gegen grün - das passt. Weil der Supermarkt wegen des Feiertages heute auch noch geschlossen hatte, bringt er uns eingefrorene Gurken aus Familienanbau für morgen. Danke Rod!

Auch heute sind wir früh im Zelt - Kajaken macht müde.

 

*

 

In Plathiena haben wir erstaunlicherweise keinen Internetempfang, obwohl das Kastro von Plaka in Sichtweite ist. Empfang brauchen wir aber, um die Windprognosen für morgen zu checken. Denn wenn der angesagte Ostwind am Donnerstag tatsächlich kommt, könnte er uns die letzte Etappe und damit die Inselumrundung verwehen. Denn am Donnerstag - das ist ja schon morgen - wollen wir die Ostküste hinabpaddeln. Wenn das nicht geht, würden wir morgen entlang der Nordküste zurück fahren und weil das auch heute der Plan ist, würden wir eine andere, intensivere Route wählen. Aber wir müssen bis Firopotamos fahren, dort soll es Internetempfang geben.

Gegen neun sind wir unterwegs, es ist windstill. Es geht nordwärts zum Kap Lakida. Ein letzter Blick zurück auf die Bärenfelsen, Antimilos und Kap Vani. Dafür sind die Akradies-Inseln nun ganz nahe.

 

Auch das Nordwestende von Milos kann mit spektakulären Felsen aufwarten, wie einem hohen Torbogen, unter dem wir durchpaddeln. Und Höhlen hat es auch.

Von dem Trachilas-Mine auf der Halbinsel, die wir nun umrunden, ist vom Wasser aus kaum etwas zu sehen. Wir steuern den Spalt zwischen zwei großen Felsen an, paddeln hindurch. Dahinter bäumt ein Riff sich wie ein schwarzes Tier.

Nun sind in der Bucht zu unserer Rechten die Häuser von Firopotamos zu erkennen. Wir halten darauf zu, auch wenn es abseits unserer Route liegt. Eine neue Perspektive für mich auf die kleine Fischersiedlung mit den Bootshäusern. Wie in Klima werden viele inzwischen vermietet, es gibt aber keine Geschäfte oder Tavernen hier. Dafür einen schönen Sandstrand, auf den wir die Kajaks ziehen.

 

Dario holt sich die neuesten Windvorhersagen auf Smartphone. Die sehen gut aus: der Wind wird am Donnerstag erst gegen später und auch nicht so stark von Osten erwartet, so dass der Vollendlung unserer Milos-Runde nichts im Wege stehen dürfte. Wenn die Prognosen so eintreffen.

 

Zur Absicherung versucht Dario, Rod zu kontaktieren - der hat schließlich über 20 Jahre Winderfahrung auf Milos. Aber Rod ist zu beschäftigt um ans Telefon zu gehen, muss sich um seine Kajakergruppe kümmern.

Wir werden den Trip also entlang der Küste fortsetzen, ohne Glaronissia-Abstecher, und Kimolos als Camp ansteuern. Ich denke, ich würde das alles schon kennen, aber da irre ich mich gewaltig.

Mandrakia lassen wir rechts liegen, sehen aber den Trailer von Rod am Strand links des Ortes stehen. Auch er nutzt die Windstille für eine Tour an der schöne Nordküste, da wird man sich sicher sehen.
Wir nähern uns nun der Küste von Sarakiniko. Bevor es in den Rummel dort geht, besuchen wir eine der vielen Höhlen und haben den großen, halboffenen Felsendom mit Säule für uns.

 

Es gibt auf Milos inzwischen Kajak-Konkurrenz für Rod, wenn man die dort angebotenen Halbtagestouren tatsächlich als Konkurrenz bezeichnen möchte. Eher sind sie ein zusätzliches Angebot für Touristen, die es etwas ruhiger angehen lassen und nur einen halben Tag im Kajak verbringen wollen. Wenig später treffen wir eine solche Gruppe, die heute die Nordküste erkundet. Sarakiniko im Kajak ist schon ein Leckerbissen.

 

Große Yachten liegen hier heute keine (oft werden für die Taue rücksichtslos die Steinsäule benutzt und zerstört), aber an Land sind viele Leute unterwegs. Noch schnell unter die überhängenden Felsen westlich davon, und ein Blick auf die hellen Tuff-Formationen auf schwarzer Basis. Auch bei wiederholten Besuch faszinierend! Noch eine Höhle, und dann halten wir lieber etwas Abstand, damit uns niemand von den Felsenkanten ins Boot springt. Wobei sich die Zahl der Felsenspringer heute in Grenzen hält - das Meer ist den meisten noch zu frisch zum Badespaß.

 

Natürlich paddel ich auch heute wieder in das Loch in hellen Gestein hinein. Freundlich nickend zu den Leuten, die oben am Rand stehen. Bitte jetzt nicht springen - ich bin ja gleich wieder weg. Vorher dürfte ich noch diverse Fotos zieren.

 

Dario, Caryn und Brian paddeln auch in den schmalen Fjord hinein, der zum kleinen Strand führt. Ich halte mich mehr draußen - die Köpfe einiger kältunempfindlicher  Schwimmer ragen aus dem Wasser, und ich will niemand umfahren. Ich glaube, ich habe noch nie so viele Leute hier gesehen, und dabei ist gerade mal der 8. Mai. Sarakiniko ist ein Muss, ob für "normale" Milos-Besucher oder für Instagramer.

Schnell lassen wir den Rummel mit den Leute auf den Felsen wie Vögel auf einer Leitung hinter uns. Am versunkenen Wrack vorbei geht es unter einem lichten Felsentor durch. Rod mit seiner Paddelgruppe pausiert in er der schönen Bucht westlich davon, und der Boss macht ein paar schöne Schnappschüsse von uns. Wir pausieren erst etwas weiter östlich am Strand von Mytakas. Zeit für den Lunch, auf Paletten sitzend im Schatten einer Tamariske. Mein Austauschboot ist nun tatsächlich dicht, kein Wasser mehr drin. Gut!

Brian und Caryn teilen Karotte und Humus - eine schmackhafte Kombination, die ich mir merken werde. Mein "Brot deutsche Art" ist inzwischen ziemlich zerdrückt und krümelig, etwas trocken außerdem. Ein hartgekochtes Ei dazu, und Tyrolini und Graviera. Als Dessert die letzte Orange. Die Verpflegung hat bisher gepasst.

 

Es folgt niedriggraue Felsenküste, besetzt von abwehrendschreienden Möwen, und dann ein schmaler Kanal, durch den wir hindurch fahren. Der Himmel hat sich aus Sympathie der Küste angepasst und ebenfalls etwas eingegraut. Schade.

 

Alogomantra und Agios Konstantinos passieren wir mit Abstand, steuern auf die drei Bögen nördlich davon an. Vor zwei Jahren bin ich hier mit Jeremy und unserer Parea Slalom gepaddelt sind.

Dahinter ein edel gerichtetes Syrma, noch im Oktober 300 Euro die Nacht. Puh, das sollen Honeymooner bezahlen. Im Winter nur noch 90, aber da hat man dann bei Sturm das Meer im Haus statt nur davor. Sicher ein Erlebnis. Aber nicht für mich.

Dahinter kenne ich die Küste nun bis zum Kalogeros-Felsen nicht mehr. Und da habe ich etwas verpasst, denn hinter Páchena liegt Papafrangas. Genauer: zwei schmale Fjorde mit kleinen Sandsträndchen im Scheitel. Kapros heißt der erste, und natürlich fahren wir hinein. Rechts unter einem flachen Tunnelbogen hindurch, kommen aber nicht weiter, weil eine Sandbank den Hauptarm abtrennt. Also zurück und dann in den Fjord hinein. Ein paar wenige Badegäste haben den Weg gefunden, lassen sich von uns aber nicht stören als wir die Kajaks neben den blühenden Strandflieder an Land ziehen. Wir bleiben auch nicht lange.

 

Der benachbarte Papafrangras-Fjord ist von Land wegen der vertikalen Wände aus schlechter zu erreichen, und wegen Steinschlaggefahr am oberen Rand abgesperrt. Wenn man an den Ministrand möchte, wählt man am besten den Weg übers Wasser wie wir. Auch hier geht es unter einem allerdings sehr hohen Steinbogen durch hinein. Wir bleiben im Kajak, staunen und paddeln.

Und ich dachte, ich hätte die spektakulärsten Stellen von Milos schon vom Kajak aus gesehen.

Ein Irrtum auch beim nächsten Abschnitt entlang der Steilküste aus Säulenbasalt, der aber anscheinend gar keiner sein soll, sondern Rhyolith. Egal, wie die vorgelagerten Glaronisia- Inseln und der Kalogeros-Felsen bestimmen die bleistiftförmigen Felsenbündel die Struktur der langen, zwanzig, dreißig Meter hohen, senkrechten Wände und lassen mich staunen.

 

Hinter dem kegelförmigen Kalogeros-Felsen kommen dann die ersten Häuser von Pollonia ins Sicht. Genauer: die zig Pensionen und Studios auf dem hohen Ufer der Pelekouda-Halbinsel, die Pollonia im Norden abschließt. Hier lässt es sich gut wohnen, wie ich vor drei Jahren selber ausprobiert habe.

 

Wir könnten nun direkt nach Kimolos hinüber steuern, entschließen uns aber zu einem Einkehrschwung in Pollonia. Die Kajaks liegen sicher am südlichen Strandende während wir der Bäckerei "Kivotos ton Géfseon" am Ortsausgang Richtung Adamas zustreben - die beste Bäckerei der Insel samt Sitzmöglichkeit zum Direktverzehr. Aber leider hat die "Arche der Geschmäcker" geschlossen. So schade!

 

So decken wir uns im Supermarkt mit ein paar Fressalien und einem Fläschchen Raki ein. Einen halben Schokokringel esse ich gleich, den Rest gibt es zum Frühstück morgen.

Hinüber nach Kimolos ist es nur noch ein Katzensprung. Keine Schnellfähren stören die Querung heute, nur die Pantoffelfähre "Osia Methodia" tuckert lautstark hinüber nach Psathi, hält sich aber weiter östlich.

 

Kurz nach fünf Uhr am Nachmittag haben wir den einsamen Strand von Agios Georgios auf einer spitzen Landzunge an der Südspitze von Kimolos erreicht, wo wir campieren werden. Es ist schon unser letztes Camp, und es kommt etwas Wehmut auf. Auch heute haben wir 23 bis 24 Kilometer zurückgelegt.

 

Ich schlage mein Zelt direkt vor der in die Tuffwand geritzten Medusa auf. War die vor zwei Jahren schon da, als wir hier die letzte Nacht der Poliegos-Kimolos-Umrundung verbrachten? Ich glaube nicht, aber wir hatten uns damals mehr auf der anderen, südlichen Strandseite aufgehalten.

 

Einen hinter dem Strand stehenden improvisierten Tisch räumen wir auf den Felsvorsprung und können so später den Sonnenuntergang während des Abendessen genießen. Das junge Paar, dass sich dazu einstellt, hat bestimmt nicht damit gerechnet, dass es hier auf vagabundierende Kajaker trifft und zieht verdrossen ob der verdorbenen Zweisamkeit wieder von dannen. Mas sigchoriste!

Heute gibt es nochmals frevelhaft gebrochene Linguine mit Käse und vorab Salat mit Gurke und Feta. Nach Sonnenuntergang versuchen wir, im Kiesbereich hinter dem Strand ein Feuer anzuzünden. Zum ersten Mal sind wir am Abend nicht zu erschöpft, und angeschwemmtes Holz hat es auch reichlich. Aber es ist nicht trocken genug, so dass alle Bemühungen um ein Feuer scheitern. Schade.

 

Dann halt doch ins Bett, damit wir morgen frisch sind für die letzte Etappe.