Mit dem Wind, und ein Tag an Land

Der Wind hat noch eine Stärke zugelegt, aber das wird uns nicht davon abhalten, in die Kajaks zu steigen. Im Gegenteil: Wir wollen heute nämlich segeln. Da werde auch ich Wind und Wellen trotzen, obwohl ich erst gedacht hatte, heute paddelfrei zu nehmen.

 

Wir sind heute nur die Kerntruppe von acht Personen: Fiona, Joanna, David, Jonathan, Lene, Kathrine, Rod und ich. Wir haben vier Doppelkajaks aufgeladen und fahren mit den beiden Jeeps nach Voudia im Nordosten von Milos. Dario bringt uns, und wird uns an der Südküste auch wieder abholen, da das heute ein Einbahntrip wird. Südlich der riesigen Bentonit-Verladestelle wollen wir die Kajaks zu Wasser lassen.

 

Ich fahre mit Dario, der zuerst da ist. Hinter Pollonia wird die Hauptpiste vor allem von den Trucks der Minengesellschaft Imerys benutzt. Die brettern ganz schön vorbei, es gilt vorsichtig zu sein. Der Abzweig hinab zum Ufer ist mit dicken Steinbrocken versperrt: da hat wohl eine Raupe die festgefahrene Erdpiste freigeschoben. Wir warten auf Rod und mit einer Schaufel und vereinten Kräften bekommen wir die Zufahrt frei. Und das auch ist gut so, denn woanders wäre es hier schlecht, mit dem Hänger nahe ans Ufer zu kommen.

Wir laden die Kajaks ab. Ich werde mit Rod im Doppel sitzen. Da kommen Erinnerungen an meine ersten Milos-Paddeltage 2017 auf. Dann kommt die Einführung Rods zum Kite-Kajak: Wir werden, wenn wir draußen und weg von der Küste sind, die vier Kajaks mit Schüren nebeneinander zu einem Floß verbinden. Dann müssen die Paddel gebündelt und sicher im hinteren Teil des Floßes fixiert werden. Schließlich wird das Segel - ein altes Zelt mit acht langen Schnüren - eingerollt nach vorne gegeben. Jeder und jede bekommt eine Schnur, die jeweils in der vorderen Reihe in Karabinerhaken eingehakt wird. Und wenn das alles fertig ist und wir im Wind sind, können wir das Segel wie einen Drachen fliegen lassen. Ich bin mächtig gespannt!

 

Es ist ungewohnt im Doppel, aber mit Rod hinter mir fühle ich mich absolut sicher. Trotzdem will und muss das Einsteigen nun anders koordiniert werden als im Solo-Kajak. Wir paddeln im Windschatten zunächst ein Stück gen Norden bis zur Verladestelle und fast bis zum Rumpf des Frachters, der dort zum Beladen liegt. Ganz schön hoch, das Teil, so aus der Froschperspektive.

 

Dann noch ein Stück weiter hinaus, und dann spüren wir den Wind auch schon.

Nun beginnt das Zusammenzurren des Floßes mittels einer Schnur, die unter den Fixseilen der einzelnen Kajak zuerst vorne durchgeführt und dann nach hinten gegeben wird, wo sie nochmal alle Kajaks miteinander verbindet ehe sie befestigt wird. Dann geben wir unsere Paddel nach hinten, wo Jonathan sie bündelt und sicher verzurrt. Da zerren Wind und Wellen schon ganz schön am durchaus wackeligen Floß, es geht auf und ab. Nun wird das Segelpaket vor uns gelegt, und die Stricke in der vorderen Reihe in die Kabinerhaken eingehängt. Jede bekommt ein Seilende und kann durch die Seillänge das Segel etwas mitsteuern. Mein bzw. unser Kajak ist rechts außen, zusammen mit dem Kajak von Fiona und Joanna bleiben die Steuerrudern im Wasser und werden für den richtigen Kurs sorgen, während die beiden linken Steuerruder hochgezogen im Trockenen bleiben. Rod hat die Reihenfolge der Kajaks vorab festgelegt und achtet auf die Einhaltung.

 

Die Passagiere in der hinteren Reihe haben jeweils eine Schlaufe im Strick, in die sie hineingreifen können. Haken gibt es hier nicht. Wir vorne müssen den Strick um die Hand wickeln ehe er durch den Haken läuft, der einen Hebelpunkt bildet. Dann wird das Segel entrollt, steigt auf.

 

Und dann geht die Post ab!

 

Der Wind fährt unter das Drachensegel und sorgt für den gewünschten Zug. Auch im Seil. Der Strick schnürt sich in meine Hand, ich will ja keinenfalls loslassen. Handschuhe wie Joanna sie hat wären jetzt gut. Aber es wird schon gehen.

Unser flexibles Floß macht Tempo. Wir fegen über die Wellenberg in einer Geschwindigkeit, die ich nicht geahnt hatte. Segler kennen das wohl. Das Wasser schlägt über die vorderen Rumpfteile, die sich immer wieder mal in die Meeresoberfläche bohren und im nächsten Zug in die Luft schanzen. Eine wahre Achterbahnfahrt, und ein Erlebnis für alle Sinne!

Klatschnass sind wir schnell alle. Haben unsere Gaudi dabei, und juchzen. Wow wow wow!!

 

Alles Equipment haben wir vorher im Inneren der Kajaks verstaut, und ich weiß jetzt auch warum: die überschlagenden Wogen würden sie leicht davonfegen. Rod hatte erzählt, es könne vorkommen, dass ein Strick einen der vorderen Ladedeckel aufreißen würde. Weil das Kajak dann schnell mit Wasser volllaufen würde, müsse er dann - bei gerefftem Segel natürlich - aussteigen und die Luke schließen. Das will ich mir lieber nicht ausmalen, jetzt wo wir in den Wogen sind.

Nach ein paar Minuten muss ich die Hand wechseln. Die Schnur schneidet ordentlich ein. Joanna rutscht das Seil aus den Händen und dem Haken, wir reffen das Segel, sie versucht, das Seilende vom Segel her wieder einzufangen und in den Karabiner einzuhaken. Es braucht ein paar Versuche, aber klappt dann. Und schon geht das Segel wieder hoch und die rasante Fahrt weiter.

 

Rod versucht, mit seiner Kamera ein paar Eindrücke einzufangen, auch auf Video. Schade, dass wir keine Drohne haben, aber Rods Video (Originalquelle) gibt einen ganz guten Eindruck.

Der Wind flaut manchmal ab, wir versuchen ihn durch Zug am Segel wieder einzufangen. Funktioniert. Weiter geht die nasse Jagd.

 

Es ist schwer zu sagen, wie lange unsere Fahrt geht, nicht nur weil ich keine Uhr an habe. Rod, der diesen Segeltrip schon öfters gemacht hat - auch schon mit zwei Flößen - meint, wir würden wohl ziemlich weit kommen. Wenn ich mit die Uhrzeiten unserer Fotos ansehe, hat die feucht-fröhliche Fahrt von Nord nach Süd etwa 25 bis 30 Minuten gedauert. Wir sind dann auf der Höhe der nördlichen Schwefelminen, habe also ungefähr fünf Kilometer zurückgelegt.

Noch draußen wird das Segel eingeholt und zusammengerollt. Rod packt es weg. Dann werden die Paddel ausgeteilt, schließlich die Leine, die die Kajaks verbindet, ausgefädelt. Weil es ja immer noch Wind und Wellen hat und wir teilweise noch aneinander hängen ist das manchmal recht wackelig.

 

Und dann werden wir wieder zu vier Einheiten statt einer. Zügig geht es zur Küste und dort entlang, und ich bin froh, dass ich im stabilen Doppel sitze, denn es hat ordentlich Wellen. Was sich dann aber ganz schnell ändert als wir am schnell tief werdenden Strand der Schwefelmine an Land gehen. Die Synchronisation zwischen Rod und mir misslingt, und weil die Wellen auch noch ein Wörtchen mitreden, kentern wir bei Aussteigen, noch halb im Kajak. Ein heftiger Schlag gegen den Oberschenkel als ich halb draußen bin, und dann nehmen wir beide ein Vollbad. Krabbeln klatschnass an Land, fischen unsere Wasserflaschen und Schuhe aus der Brandung. Und kaum haben wir festen Boden unter den Füßen, macht das Kajak von Joanna und Fiona es uns nach: es wirft die zierliche Joanna ab und taucht sie unter.

 

Zum Glück kommt sie mit dem Schrecken davon und hat sie sich auch nicht wehgetan. So ein Kajak ist schwer und hart und hat Verletzungspotential, wie Manolis im Mai auf Koufonissi nachdrücklich lehrte. Erst recht ein Doppel. Rod wird diesen Strand bei solchen Bedingungen zukünftig meiden - er sei einfach nicht flach genug, und an der Schwelle in der Brandung kippe man zu leicht, wenn der Wind wie heute ungünstig seitlich weht. Dass er selbst gekentert ist, steckt er professionell weg (war auch meine Schuld), aber Dario wird sich am Abend dezent schadenfroh eines grinsen: Ich hätte dem Boss zum ersten unfreiwilligen Bad dieses Jahr verholfen, wenn nicht sogar seit Jahren.

Mich wird ein handtellergroßer blauer Fleck am Oberschenkel die nächste Tage an den nassen Ausstieg erinnern. Von wegen Pferdekuss - eher ein Kajakkuss.

Wir versuchen dann, im frischen Wind und der Sonne wieder halbwegs trocken zu werden. Die Pause dehnen wir aber nicht zu lange aus, paddeln von hier südwestwärts bis zum Strand von Spathi, wo wir die Mittagspause machen. Der Strand besticht durch grau geäderten Felsen, die den Sand säumen, und die Reihe scharfzackiger Felsen draußen im Meer, die ihm vielleicht den Namen Spathi = Schwert gegeben haben. Ausflugsschiffe sind heute keine unterwegs (fischfütternde Kunden sind keine gute Werbung), nur ein privater Katamaran ankert nahe im Windschatten.

 

Die letzte Etappe nach Paleochori bewältigen wir in etwa einer Stunde. Dario empfängt uns dort, wir laden die Kajaks auf, aber dann muss er zusammen mit Rod erst den anderen Wagen bei Voudia holen, was etwa eine Stunde dauert. Wir gehen so lange in eines der Strandlokale über der Küste, tauschen bei einem Kaltgetränk Fotos und Erlebnisse. Wir sind zu einer netten Gruppe zusammengewachsen heute. Gefällt mir.

Heute Abend gehe ich aber auf eigenen Pfaden. Denn morgen habe ich paddelfrei und will mir in Adamas ein Auto leihen. Mit dem Bus fahre ich kurz vor 20 Uhr hinunter, gleich ins Büro von "Happy Ride". Da ist aber kein Auto mehr frei. Nebenan bekomme ich ein Auto nur für mindestens zwei Tage.

 

So lande ich schließlich wieder bei Tourlakis, die für einen dunkelgrauen Peugeot 45 Euro pro Tag verlangen, der Inselsüdwesten ist natürlich ausgenommen. Zähneknirschend schlage ich ein, begutachte mit der Verleiherin das Auto im Dunkeln. Sie macht Fotos von allen Seiten des Wagens, die sie mir zuschicken wird. Ich weiß, dass das längst üblich ist, und erinnere mich sehnsuchtsvoll an die Zeiten und Inseln, aber man Mietwagen ohne Abnahme zurückgab. Einfach mit dem steckenden Schlüssel irgendwo abstellen. Ich werde das Auto morgen Abend zurückgeben.

 

Jetzt fahre ich entlang der Bucht von Milos gen Osten. Ich will im Restaurant "O! Hamos!" zu Abend essen, das etwas außerhalb liegt. Parke an der Straße und streben dem Lokal zu. Und werde prompt von einer jungen Frau abgefangen. Ob ich reserviert hätte? Nein? Dann müsse ich warten bis ein Tisch frei wird. Sie deutet auf die andere Straßenseite, wo schon ein paar Leute sitzen. Vier Leute oder Gruppen würden schon warten. Wie lange das dauern würde? Zwanzig Minuten vielleicht. Ich lasse mich darauf ein, und wundere mich mal wieder über die vielen Touristen, die im Oktober noch auf Milos sind. Dabei hat "O! Hamos!" viele Tische, und es ist nach neun Uhr. Keine Spur von Nachsaison, und kein Vergleich mit dem Mai. Ob ich daraus Konsequenzen ziehe, und zukünftig noch später im Jahr urlaube? Oder auf weniger touristischen Inseln? Aber Milos ist ja so schön.

Ich bekomme dann nach einer Viertelstunde meinen Tisch, tue mich aber schwer mit der Essensauswahl. Bestelle gefüllte Auberginen, die gut sind, aber die Portion dürfte umfangreicher sein. Das schöne Ambiente unter Bäumen mit individuellem handgetöpfertem Geschirr und Bechern bezahlt man eben mit. Etwas ernüchtert fahre ich hinauf nach Triovassalos, bekomme an der Straße keinen sicheren Parkplatz und stelle den Wagen nach längerer Suche ganz unten bei der Kirche Agios Georgios ab, laufe hoch zum Quartier bei "Menelái's". Ich bin müde, und bald im Bett. Noch habe ich keinen Plan wo ich morgen hinfahre.

 

*

 

Da ich mit dem Auto nicht in den Südweststeil der Insel darf und wir die Südküste windbedingt eh öfters besuchen, werde ich mir eben die Nordküste genauer anschauen. Auch wenn ich das meiste schon kenne. Ich hatte ja da noch gedacht, ich würde einen Milos-Vortrag für die DGG BB/Sifi erstellen und wollte dafür noch etwas fotografieren. Jetzt, wo ich das schreibe, habe ich ihn aber gestrichen. Zeitfressender Frust über die VHS in BB...

 

Egal, ich fahre daher als erstes nach Sarakiniko. Je früher, desto weniger Leute hat es dort. Kurz nach halb zehn bin ich dort und bummle zur Küste hinab durch die mal weiße, mal mehr hellgraue oder blassockerfarbene Tuffsteinlandschaft von rundgelutschten Knubbeln, Türmen, Schluchten, Stufen und Wänden voller Schichtungen. Auch wenn ich schon öfters hier war, ist es immer wieder faszinierend, was die Natur geschaffen hat.

Der kleine Fjord mit smaragdgrünem Wasser und flachem Sandstrand ist noch ohne Badegäste. Weiter hinten, in dem meergefüllten Loch im Felsen gitschtet weiß die Brandung, manchmal bricht sich das Licht in Regenbogenfarben. Dieses Mal werde ich wohl nicht von unten mit dem Kajak hineinfahren. Es hat schon einige Leute, und der Zustrom nimmt zu. Wie Vögel auf Leitungen stehen sie auf den Kuppen der Felsentürme oder in schneeweißen Flächen. Ich klettere auch noch etwas herum und fotografieren was die Speicherkarte hergibt. Noch sind keine Felsenspringer da, die johlend von den meterhohen Felsenkanten ins Dunkeltürkis springen. Und der Wind ist immer noch frisch, wenn auch deutlich schwächer als gestern.

 

Nach einer Stunde sind mehr Leute als Landschaft auf den Fotos und ich habe genug gesehen. Zurück zum Auto. Und nun? Am besten der Nordwesten, die Trachilas-Mine samt Weinberg möchte ich noch fotografieren.

Vorher hinab nach Firopotamos, der Syrmata-Siedlung mit der markanten Kapelle.

Die ist natürlich Agios Nikolaos geweiht, dem Schutzpatron der Seefahrer. Über die ungewöhnlichen Malereien im Inneren habe ich mich schon letztes Mal gewundert. Sie thront auf einem Felsen am Ende einer Reihe von Bootshäusern, auf der Plattform dahinter sieht man die Mauerreste einer Kaolin-Verladestelle.

 

Eine dörfliche Infrastruktur gibt es nicht, die Zählung von 2011 verzeichnete gerade mal vier Einwohner. Am weiter südwestlich liegenden Sandstrand nochmals ein Ballung von Bootshäusern, die meisten zu Ferienquartieren umgebaut. Aber eine Taverne sucht man vergeblich. Nur was für mobile Teilzeitresidenten. Und dann ist da diese Inschrift auf einer Häuserwand: I ASK GOD WHAT IS GREECE AND HE SAID "MY HOME". Ok, das ist schlechtes Englisch (vorne Präsens, hinter Perfekt), aber hat was. Bleibt zu hoffen, dass Gott die weitere Verwüstung seiner Heimat durch Brände, Hitze und Hochwasser nicht zulässt. Aber wahrscheinlich ist er längst vor den Touristenscharen in ruhigere Gefilde geflohen? Wenn er nicht sowieso eh eine sie oder irgendwas dazwischen ist ...

 

Ein paar Badegäste verweilen am Strand, aber das nahe Saisonende macht sich bemerkbar: die Syrmata werden aufgeräumt und winterdicht gemacht. Was die Winterstürme hier so anrichten werden? Die Syrmata in der Bucht von Milos liegen geschützter.

Weiter geht es, nach Westen, nach Trachilas. Auch kein Ort, sondern die nordwestliche Landzunge von Milos mit einem ehemaligen Vulkan, auf dessen ebener Fläche sich ein Perlit-Tagebau befindet. Ein Teil der Mine wurde bereits stillgelegt und 2014 renaturiert. Wobei die Renaturierung hier aus einem Weinberg besteht. Und den möchte ich mir von nahem angucken.

 

Die Straße wird schlecht und endet an den Terrasse des Perlit-Tagebaus, wo heute aber offenbar nicht gearbeitet wird. Links davon grenzt eine weiße Fläche mit Holzstabreihen an, die durch dünne schwarze Schläuche miteinander verbunden sind. Bei dem schütteren Grün, oder mehr Braun dazwischen muss es sich um die Reben handeln, Mandilaria und Assyrtiko.

Das Salz des nahen Meeres und der Staub sorgen bestimmt für einen ganze eigenen Geschmack

Ein mühsam der Trockenheit abgerungener Wein, der schwer käuflich zu erwerben ist. Die Verarbeitung der Trauben (1200 Flaschen) fand 2018 noch in Naoussa auf Paros statt, mangels inseleigener Einrichtungen. Aber vielleicht hat sich das inzwischen geändert. Bei Pollonia gibt es eine Winzerei, Kostantakis. Wäre bestimmt auch mal einen Besuch wert.

Seitlich führt einen schlechte Piste zum Strand von Trachilas hinab. Ich nehme mein Handtuch und gehe durch ein kleines Tal hinab. Aber der Strand ist mit großen Steinen übersät und sieht nicht einladend aus. Da werde ich nicht baden. Antimilos am fernen Horizont, die Akradia-Inseln dafür rechts ganz nah. Stimmt, vor zwei Jahren sind wir von hier aus mit den Kajaks zu ihnen übergesetzt. Auch eine unvergessliche Tour ... leider nicht zum Leuchtturm. Wird auch diesen Urlaub nichts werden: die zwei verbleibenden Tage ist weiter Nordwind angesagt. Aber vielleicht klappt ja Agios Georgios bei Kimolos. Dass das ein Wunschziel von mir ist, habe ich Rod vorsorglich mitgeteilt.

 

Wieder zurück bis zum Abzweig Firopotamos riskiere ich die Fahrt auf schlechter Piste und wechsle ich auf die Innenseite von Milos, hinab nach Plathiena. Schirm- und liegenbestanden kenne ich den Strand gar nicht, aber es gibt sogar einen behindertengerechten Einstieg! Das Wasser ist hier sehr flach, und in diesem unglaublichen Türkisgrün. Ich bade, faulenze und esse dann etwas in dem Strandlokal: gefüllte kleine Käsetaschen "Pitarakia", typisch für Milos, und eine Melitsanosalata. Die Portionen sind üppig, und mein Magen überfordert. Ein Schnaps wäre jetzt gut, aber ich fahre ja.

Und nun? Es ist zwei Uhr mittags, noch genug Zeit. Gerne möchte ich der riesigen Bentonit-Mine bei Aggeria südlich von Pollonia nochmals einen Besuch abstatten, und fahre über Plakes Richtung Pollonia. Bei Pachena verpasse ich aber die richtige Abzweigung. Gut, dann eben ein kurzer Abstecher nach Pollonia, wo Dario gestern den großen Bäckerladen "Kivotos ton Gefseon" (= Arche der Geschmäcker) am Ortseingang als den besten Bäcker der Insel bezeichnet hat. Nicht dass ich Hunger hätte, aber vielleicht finden sich ein paar kulinarische Mitbringsel. Es gibt neben süßem und salzigem Gebäck und Torten jede Menge lokaler Produkte, aber weil ich satt bin, wandert nur eine kleine Box mit Wassermelonenpittastücken über die Theke. Eines davon verleibe ich mir gleich ein: gut, aber warm und frisch schmeckt es noch besser.

 

Nun zurück, und ich finde die richtige Abzweigung nach Agia Ekaterini und Aggeria. Der gigantische Tagebau frisst sich in Terrassenstufen in die Landschaft und so finde ich die Gegend verändert im Vergleich zu vor fünf Jahren. Die Kapelle der Agia Ekaterini sehe ich gar nicht mehr - musste sie weichen? Die Abbruchkante des Steinbruches ist mit Warnschildern ersehen: Abrutschgefahr! Es ist aber weniger Betrieb als damals, nur eine Raupe schippt piepend Gestein vor sich her, während weitere Trucks und Kettenfahrzeug still wie Riesenspielzeug herumstehen und Schilder auf verbotene Weiterfahrt bestehen. Ich bin alleine hier, was mir auch ganz recht ist, weil mich dann niemand verscheuchen kann. Fühlt sich irgendwie unerlaubt an.

Eine Übersichttafel zu Beginn der Mine zeigte einen "Archaeologial Park" als point of interest. Den würde ich mir gerne angucken, und so hole ich das vorne abgestellte Auto und fahre auf der Schotterpiste rechts entlang der Mine, biege an einem Hof links auf einen schlechteren Weg ab, um dann wenig später festzustellen, dass ich mit meinem Wagen hier riskiere, mich festzufahren oder aufzusitzen. Ich wende auf engem Radius und fahre erleichtert zurück - der "Archaeologial Park" ist definitiv nicht für die breite Öffentlichkeit gedacht.

Nach einem schnelle Abstecher zum Alogomatra-Strand - zum Baden an der Nordküste ist es heute auch noch zu windig und das Meer zu wild - fahre ich wieder nach Triovasalos zurück, ruhe mich ein Stündchen auf meinem Zimmer aus.

Um fünf Uhr fahre ich über Tripiti hinab nach Klima, stelle das Auto auf dem schon gut gefüllten Parkplatz in der Kehre oberhalb des Ortes ab und gehe zu Fuß hinab zum Ufer. Das Licht des späten Nachmittags beleuchtet die Fronten der Bootshäuser. Leute sitzen vor ihren Mietenhäusern, andere schlendern entlang des schmalen Uferstreifens. Ein Mann, über knietief im Wasser stehen, bugsiert mit einer Stange große Steinbrocken zu Seite. Bereitet er die Fahrrinne für sein Boot?

Er scheint fast der einzige Einheimische hier zu sein. Das Fischerpaar, dass früher immer seine Netze an dem Platz unter den Bäumen geputzt hat, ist nicht zu sehen.

 

Ich genieße die Atmosphäre. Noch über eine Stunde bis zum Sonnenuntergang. Eigentlich hatte ich im Restaurant "Astakas" einen Kaffee trinken wollen. Die große Terrasse mit reichlich Tischen zieht sich bis zum Ufer hin. Aber in die vorderen zwei Reihen mit unversperrtem Meerblick darf nur sitzen wer richtig speist. So wähle ich einen weißem Tisch in dritte Reihe, und einen Elliniko. Vielleicht etwas Süßes dazu? Joghurt mit dreierlei Löffelsüßem - Melone, Traube und Pistazie - um Beispiel? Als mir der Kellner auf einem Tablett drei gar nicht so kleine Schälchen Joghurt bringt, jedes mit reichlich sirupgetränktem Eingelegtem garniert, wird mir klar, dass diese Bestellung ein Fehler war. Zum Glück bringt er noch eine Flasche Wasser dazu. Und ich tue was ich kann. Das Löffelsüße schmeckt köstlich, vor allem die Pistazien. Aber diese Ladung Joghurt würde bei mir sonst für eine Woche reichen. Ich esse was ich kann, danach ist mir schlecht. Läuft heute nicht optimal mit dem Essen.

Der Himmel verfärbt sich allmählich ins Goldene. Die gezackten Umrisse von Kap Vani schärfen sich dunkel. Antimilos rückt heran. Die Ausflugsboote, darunter die "Eleni", passieren uns auf dem Rückweg von ihren Inseltouren. Ich bezahle und bummle dann nochmals entlang des Ufers. Beobachte, wie die Sonne sinkt. Bis Antimilos schafft sie es Anfang Oktober nicht mehr, nicht mal bis Vani. Hinter der Flanke eines spitzkegeligen Hügels im Inselsüdwesten versinkt sie schließlich, lässt das Meer silberfarben und die Syrmatafassaden cremfarben zurück. Viertel vor sieben. Zeit, gemütlich nach Adamas zurückzukehren.

Bei der Fahrt aufwärts des Tales lade ich ein junges Paar ein, mitzufahren. Man muss sich ja gelegentlich für die Mitnahme anderswo revanchieren, das gibt gutes Karma. Sie haben ihr Fahrzeug in Tripiti angestellt, trauten sich nicht die Straße hinab zu fahren. So was.

 

In Adamas ist kein Parkplatz entlang der Paralia oder in der Nähe des Autoverleihes zu bekommen. Erst hinter dem Hafen werde ich fündig, kehre zu Fuß zu "Tourlakis" zurück. Die Verleiherin schickt einen Mitarbeiter, nach dem Auto zu sehen. "Alles gut" gibt der kurz darauf telefonisch durch, und ich kann gehen. Bummle noch etwas - meine Armbanduhr ist kaputt und ich sehe mich nach Ersatz um. Erfolglos: zu viel Bling-bling, oder zu groß. Armbanduhren sind out.

 

Um halb neun fahre ich mit dem Bus nach oben, treffe einige Mitpaddler im "Bakalikon Galanis". Sie haben heute die Tour mit der Sauna-Höhle an der Südküste gemacht. Und gerade noch einen Dänen als Verstärkung bekommen, Henrik.

Morgen soll es nun tatsächlich nach Kimolos gehen. Ich hoffe doch sehr in den Osten, mit Abstecher nach Agios Georgios.