Nach dem ersten Paddeltag habe ich mir für den Mittwoch einen Ausflug nach Pirgos mit anschließender Wanderung nach Emporío (auch Emporió) vorgenommen. Kurz nach zehn Uhr bin ich am Busbahnhof und will um Viertel nach zehn den Bus nach Perissa nehmen, der über Pirgos fahren soll. Allerdings hat gestern, von mir unbemerkt, ein Fahrplanwechsel stattgefunden. Und über Pirgos fährt sowieso nur der Bus zur vollen Stunde, also um elf Uhr. So vertreibe ich mir die Zeit bis dahin mit einem Bummel zum Friedhof und dem Fotografieren der maikranzgeschmückten Busse.
Pirgos hat sich wenig verändert, und wenn man nicht gerade in eine asiatische Hochzeits- oder Reisegruppe
gerät, dann ist hier für Santorinverhältnisse wenig los.
Von der Platia an der Bushaltestelle steige ich zügig treppauf zum Kastro. Natürlich gibt es auch hier am Weg Läden, die allerlei touristischen Schickschnack verkaufen. Die Ladung sehr teurer Hotels, die es in Pirgos gibt, liegt eher auf der anderen Ortsseite, mit Blick über die Insel (wenn schon nicht an der Caldera). Mancher Hotelgast, der sich zwischen hohen Mauern privat fühlt, ist von der erhöhen Position des Kastro gut zu sehen. Schattenlos brät man/sie in der Sonne. Wer's mag.
Die oberste Ebene des Kastro erreiche ich durch einen schmale Treppe in einem Turm und lande direkt bei in Franco's Café. Die Preise sind ziemlich atemberaubend (vier Euro für einen Elleniko wenn ich mich richtig erinnere) und appetithemmend. Da gönne ich mir lieber nachher einen Frappé unten an der Platia. Und den Besuch des kleinen Ikonenmuseums in der Kirche Agia Triada, der zwei Euro kostet. Es gibt hier einige sehr schöne und alte Ikonen zu sehen, besonders schön ist die des heiligen Georg.
Danach schlendere ich über das Kastro-Gelände mit den dicken Lavasteinmauern, den cremefarbenen Tonnengewölben und den zahlreichen Kirchenkuppeln. Angenehm hier. Schade, dass alle Kapellen abgeschlossen sind, aber verständlich.
Auf dem Plateau im Norden des Kastro liegt einem fast die ganze Insel zu Füßen. Wahnsinn, wie zersiedelt diese inzwischen ist! Rechts die Piste des Flughafens. Die Flieger kann ich von der Terrasse meines Quartiers aus gut starten sehen, das Flugaufkommen steigt von Tag zu Tag, und keinen kleinen Flieger. Santorini boomt. Dabei ist gerade mal Anfang Mai. Heftig.
Auf dem Weg zur Platia an der Bushaltestelle verliere ich mich in der Unterstadt.
Nach einer kleinen Stärkung dort geht es dann an die Wanderung. Nicht direkt nach Emborio, sondern mit einem Abstecher zur Kapelle Agios Georgios to Katefyo, die am steilen Felsen unterhalb des Profitis Ilias liegt. Zwanzig Minuten zeigt der Wegweiser an, und wenn man an der Bauruine links auf einen schmale Pfad abbiegt und sich nicht von dem breiteren Weg verführen lässt, der bergauf Richtung Gipfel führt, dann ist das auch gut zu schaffen.
Ein schöner Treppenweg führt leicht wellig entlang des Hanges zur Kapelle. Unten brummt der Betrieb eines großen Steinbruches, ein Hubschrauber ist dort gelandet. Besuch vom Boss?
Die Georgskapelle ist verschlossen und herrlich einsam. Es gibt sie also doch, die ruhigen Plätze auf Santorin. Und zum Glück ist es unwahrscheinlich, dass hier gleich ein Hochzeitspaar samt Fotografenteam im Schlepptau um die Ecke biegt, denn hierher geht es nur zu Fuß. Viel zu weit und anstrengend.
Und das Gerumpel vom Steinbruch kann ich gut ausblenden.
Auf dem gleichen Weg wandere ich dann wieder zurück bis zur Straße, dort ein paar Meter bergwärts bis ein Wegweiser rechts den Wanderweg nach Emborio anzeigt.
Der schmale Weg führt oberhalb der Zufahrt zu einem Bauernhof entlang, ein freundliche Wachhund beäugt mich über das Dach seiner Hütte. Erst als ich vorbei bin, fällt ihm plötzlich ein, dass er ja ein Wachhund ist und bellen muss. Und so erschreckt er mich doch noch.
Es geht vorbei an den für Santorin typischen Weinfeldern mit den niedrigen, vom nächtlichen Tau gewässerten Weinstöcken. Manchmal sind sie sogar noch niedriger und kreisrund direkt am Boden, wie
Körbe.
Nach einer Viertelstunde habe ich mein Ziel Emborio schon im Blick. Zwischen zwei Steinmauern (Lava natürlich) verläuft der schön gepflasterte Weg leicht abwärts darauf zu. Wieder Felder überall - einsam-optimistische Pflänzchen in nackter, trockener Erde.
Der Weg trifft auf eine Piste, die schlängelt sich in ein Trockental, an dessen oberem Ende sich einige weiße Kapellen und mausgraue Steinhütten befinden. Bestimmt preiswert zu erstehen, so ein Gehöft in Original-Santorin-Tonnengewölbe-Bauweise, samt Kaktuszaun. Paar neue Türen, und schon wäre es fertig. Oder?
Schon nach vierzig Minuten erreiche ich den Ortsrand von Emborio. Ob es da im Kastroviertel ein Café oder eine Taverne gibt? Oder nur vorne an der Hauptstraße? Es ist warm heute, und ich bin durstig geworden. Trotzdem geht es erst ins hochgelegene Kastroviertel, wo ich eine Überraschung erlebe: blitzsauber und in Ockerfarben ist das Viertel renoviert. Schmale Durchgänge, hohe Treppenstufen, müde Katzen. Und mitten drin die große Kirche mit ihrem hohen, pagodenähnlichen Glockenturm und einem prächtigen Chochlaki-Fußboden. Ist das hübsch hier! Und keine Touristenmassen.
Noch erfreuter bin ich, als ich auf einem kleinen Platz am Rande des Kastro eine offene Taverne sehe. Vier blaue Metalltischchen mit Stühlen, beschattet von einem großen Sonnenschirm, auf der Rückseite gibt es noch eine Sonnenterrasse. "Café the old barber shop" heißt das Lokal und der griechische Salat mit Kapernblättern schmeckt gut. Ausnahmsweise ein Cola dazu, ich will ja noch weiter.
Nach einer ausgiebigen Rast mache ich mich dann auf die Suche nach dem alten Goulas-Turm. Die imposante Wehr- und Fluchtburg steht am nördlichen Ortsrand und bröselt an der oberen Kante ziemlich. Von der oberen Straße aus ist er schwer zu fotografieren, aber das umliegende Gelände ist kakteenbewehrt und geröllig.
Und nun? Noch zu den Windmühlen auf dem Gavrilos-Hügel, oder gleich nach Perivolos an den Strand? Weil es warm und schon drei Uhr ist, lockt das Meer und ich entscheide mich für Zweiteres. Verpasse aber die kleine Kapelle Agios Nikolaos Marmaritis an der nördlichen Straße, die aus einem antiken Tempel gebaut ist. Egal.
Ich nehme die parallel zur Hauptstraße verlaufende Straße nach Osten, dann den kurzen Abzweig nach rechts, und dann die im rechten Winkel abbiegende Straße nach Perivolos. Links ragt die steingraue steile Flanke des Profitis Ilias und des anschließenden Mesa Vouno wie eine Mauer empor. Nein, kein Ehrgeiz für die Besteigung dieses Propheten - das hatte ich schon mal (lange ist's her), und es gibt auch eine Straße.
Der Weg zieht sich etwas, aber der lavagraue Sandstrand von Perivolos ist es wert: sehr tief, sehr lang, ein paar Sonnenschirme ohne Liegen und Gebühr, trotzdem ruhig. Und eine Bushaltestelle gibt es dort auch. So spare ich mir nachher den Fußweg nach Perissa entlang des Strandes, der auch noch fast zwei Kilometer lang ist.
In den Läden und Buden an der Strandmeile wird gehämmert, hier ist man noch mitten in der Saisonvorbereitung. Ich stürze mich schnell in die Fluten, das Meer hat knapp 19°C. Für die erwünschte Abkühlung völlig ausreichend.
Dann im warmen Sand trocknen, und weil der Himmel sich bezieht, kann man es auch ohne Schatten aushalten.
Gegen halb sechs fahre ich mit dem Bus via Perissa zurück nach Fira. Nein, was ich von Perissa sehe, kann mich nicht locken.
Zum Abendessen geht es heute nach Fira hinein, ins "Nikolas". Der Gastraum ist schon recht voll, aber ich bekomme noch einen Tisch ganz hinten. Meine Bestellung auf Griechisch sorgt für Verwirrung und Rückfragen - auf Santorin ist man nicht gewohnt, dass die Gäste sich die Mühe des Fremdspracherwerbes machen. Die gegrillten Gopes mit Salat sind gut, die Portion aber recht überschaubar. Zum Glück bin ich nicht so hungrig. Und der offene Weißwein ist sehr gut. Zwanzig Euro bezahle ich, das geht in Ordnung.
Morgen heißt es früh aufstehen für den Ausflug nach Thirassia.