Ich bekomme das hinterste der vier Zimmer bei Flora in Ano Petali. Da war ich noch nie, aber es hat ein großes Bad und ist schön wie alle anderen auch. Ich werde hinterher einen Freundschaftspreis bezahlen, für den ich mich beinahe schäme.
Getroffen habe ich Flora gestern Abend schon, beim Panigyri in Agios Theologos. Das Plakat dazu hing in Kamares, und so habe ich am Montagabend um halb sieben den Bus nach Artemonas genommen und bin hinab und über die Brücke nach Ano Petali gegangen. Die schmale, hohe Kapelle, die dann links der Hauptgasse liegt, war mir früher nie aufgefallen. Nun drängen sich auf dem fähnchengeschmückten kleinen Vorplatz die Leute, die Älteren sitzen auf der Mauerumrandung, die Jüngeren stehen in der Gasse. Der Gottesdienst ist in vollem Gange. Neugierige und Touristen halten Abstand auf einer Nachbarterrasse. Ein Tisch mit Getränken steht bereit. Ich geselle mich dazu, beobachte die Begrüßungsszenen. Wie meist ist so ein Panigyri vor allem ein Anlass, sich zu treffen und zu schwätzen. Ausgerichtet wird es von einer Familie, der des Pangyras. Sie kümmerte sich ein Jahr lang um die Kirche und die Ikone, die sie oft auch bei sich beherbergen durften, und nun um die Feier zum Abschluss. Kein preiswertes Vergnügen, aber wer möchte schon Ruhm, Ehre und Status taxieren? Bei den vielen Kapellen auf Sifnos frage ich mich, ob sich immer genug Wohlhabende finden ... aber gut, die Größe der Feier bestimmt der Pangyras. Mehr Geld, mehr Status. Und Sifnos ist eine wohlhabende Insel.
Mehr Leute strömen herbei, der Gottesdienst geht dem Ende entgegen. Auch Flora und ihren Mann Petros sehe ich. Natürlich, denn das Fest ist ja in deren Nachbarschaft. Der Pappas kommt mit dem Pangyras, der die Ikone trägt, heraus aus der Kirche, geht überall herum. Dann wird die Ikone vor der Kirche aufgebaut, daneben das Brot, das gesegnet wird. Ein älterer Herr läuft herum und verteilt an alle Plastiktüten. Die sind für das Brot, das nun zerschnitten und angeboten wird. Man muss es nicht gleich essen, darf mitnehmen. Es schmeckt leicht süßlich und gewürzt, mit Anis. Für ein warmes Essen ist hier kein Platz oder Saal, aber die Familienmitglieder gehen nun mit Tabletts und Schachteln herum und bieten kleine Häppchen an. Becher werden ausgeteilt, und Wein offeriert. Es geht zum gemütlichen Teil über, und bald beginnt auch die Musik zu spielen. Zwei junge Musiker mit Geige und Laouto sitzen im Hof vor der Kirche, einen Holztisch davor. Zwei ältere Herren singen dazu, alles natürlich elektronisch verstärkt, wir sind ja schließlich in Griechenland. Und es wird auch getanzt, Inselsyrtos. Viel Platz hat es nicht, ein paar Frauen beginnen zaghaft, aber nur wenige schließen sich an. Eine lange Tanzrunde bestreitet ausschließlich die Familie des Pangyras. Die dann noch verkündet, dass jeder Anwesende vor dem Gehen noch ein kleines Gastgeschenk erhält. Und so bekomme auch ich beim Gehen einen kleinen Becher aus Ton in die Hand gedrückt, nachdem ich die griechische Frage, ob ich gehen würden, mit "nä" beantwortet habe. Im Becherlein mit der Aufschrift "Theologos 2023" ist ein verpacktes braunes Amygdaloto, die lokale Mandelspezialität. Ein herzlicher Dank an die Familie des Pangyras!
Der letzte Bus fährt um 22 Uhr hinab nach Kamares. Offenbar trägt man dem höheren Touristenaufkommen Rechnung, und hat der bisher gültigen Fahrplan noch um eine Woche verlängert. Gut!
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Am Dienstagnachmittag, nachdem ich mich in meinem neuen Quartier eingerichtet und eine Kleinigkeit gegessen habe, nehme ich den Bus um halb sechs von Apollonia nach Kastro. Es ist immer noch schwülwarm und ich hatte keinerlei Wanderlust nachdem mich schon der Gang zur Katerinenkapelle am Morgen in Schweiß getaucht hat. Kastro ist ein beliebtes Ziel am späten Nachmittag, und der Bus (2 Euro) gut gefüllt. Weil ich noch nie unten am Strand in Seralia, dem früheren Hafen von Kastro war, nehme ich gleich den Treppenweg hinab. Schwitzende Menschen kommen mir entgegen. Vorbei an einer Kapelle erreiche ich die Zufahrtsstraße, die etwas oberhalb von Seralia endet. Links geht ein Weg zu einer "platform", ich nehme aber den rechten Weg hinab zur Siedlung. Das Tal endet dort in einem kleinen, schmutzig-grauen Kieselstrand, wenig einladend, auch wenn ein Mann gerade dem Wasser entsteigt und sich auf einer einsamen Holzbank umkleidet. Links hat es einige aneinandergedrängte weiß-schmuddelige Häuser, eine blaukuppelige Kapelle und das Restaurant von "Kapetan Sifakis". Auf der anderen Talseite steigen vom Strand ein Dutzend weiße Stufen zu einer zweiten Lokalität mit kleinem Häuschen und grauen Terrassen hoch, die improvisiert und auf den ersten Blick heruntergekommen aussieht. "Cantina" steht auf der Wand, und ein paar Leute sind dort zugange. Vielleicht ein guter Platz für einen Imbiss? Wenn sie offen ist, Gäste sehe ich keine.
Zuerst sehe ich mir aber die Siedlung an: Ein Dutzend Häuser mit blätterndem Putz drängt sich um das Ensemble von Restaurant (in einem alten Bootshaus) und Kirche. Über glitschige Stufen geht es zum Kircheneingang hinter einer Loggia mit Doppelbogen. Die Kapelle Agios Georgios tou Gialou ist unverschlossen, aber leidet wie alles hier unter der Nähe zum Meer - die Ikonen sind angeschimmelt, es riecht modrig.
Ich hüpfe über Stufen und Steine entlang der Uferfront - es sind sogar gleich zwei Restaurants hier: "Kapetan Giorgis" und "Kapetan Sifakis", die sich mit mehreren Terrassen ineinanderschachteln - zur Südseite der engen Bucht, wo sich auf einer Betonplattform ein paar Badegäste im letzten schattenfreien Plätzchen sonnen. In der engen Bucht liegen einige Segelboote vor Anker, ein Schlauchboot legt an. Sicher gibt es schönere Badestellen auf Sifnos, aber der Ort gefällt mir irgendwie.
Die beiden Kapetans-Tavernen setzen auf Seafood und die Preise sind eher gehoben. Werde ich mir doch mal die "Cantina" ansehen, wo immer noch keine Gäste sind, aber sich die Zahl des Personals erhöht hat. Ein junger Mann bringt einen Kübel voller Weinflaschen von Seralia. Neugierig steige ich die Stufen hinauf und werde von einem der Kellner freundlich nach meinen Begehr gefragt. Ob es hier etwas zu Essen gäbe? Ja schon, aber das Lokal wäre heute Abend ausgebucht, alle beiden Schichten. Wobei: wenn ich wollte, könnte ich hier am Katzentisch speisen. Da möchte ich doch lieber erst die Karte sehen, die mir bereitwillig gereicht wird. Panagia mou - da sind die beiden Fischtaverne drüben ja preiswert dagegen!
Der erste Eindruck dieser "Cantina" trügt: es handelt sich hier um DAS aktuelle In-Lokal der Insel, und neulich erst waren Tom Hanks und Barak Obama da (wie mir kurz darauf die Sifnos-Wiedergängerin Renate via Signal mitteilt). Einfach mal "Cantina + Sifnos" googlen .... Und jetzt sehe ich auch, dass alles zwar naturnah und nachhaltig, aber durchaus gediegen eingerichtet ist. Wie man hier im Dunkeln und bei Windstärke sechs speist, male ich mir dann später aus. Da habe ich mich längst gegen den Katzentisch entschieden (ich bin definitiv zu underdressed dafür, und im Schatten wird es nun auch kühl nachdem ich vorher noch geschwitzt habe) und steige auf der anderen Seite zum Kastro hinauf. Nicht ohne immer wieder einen Blick hinüber zu werfen. Und jetzt kommen mir auch die ersten Gäste entgegen, in schicker Abendkleidung, dem exklusiven Anlass angemessen. Ich bin immer noch weit entfernt davon, Sifnos zu kennen.
Kastro in der sanften Abendstimmung entschädigt mich für das ausgeschlagene Luxus-Mahl. Ich nehme den Weg außerhalb um die Wehrsiedlung des Kastro und es ist wirklich zauberhaft hier! Zur Kapelle Epta Martyres steige ich jetzt nicht hinab, aber es gibt noch eine Kapelle rechts davor, Agios Andreas ton Kastron, die neue Perspektiven bietet ohne dass man ungewollt auf die Selfies Anderer gerät.
Nur die schwarze Katze muss sich gefallen lassen, dass ich ihr Recht am eigenen Bild ignoriere: Sie macht sich zu gut vor der Epta Martyres.
Ich umrunde das Kastro auf dem Ringweg, habe nun den Blick auf die längst zu Ferienstudios umgebauten Windmühlen und den stimmungsvoll beleuchteten Friedhof mit den beiden Kapellen Agios Ioannis und Agios Stefanos. Schlendere dann durch die mehretagigen, leeren Gassen des Kastro. Keine Läden hier, nur der Mini-Markt mit den beiden Eingängen und dem dösenden Besitzer. Draußen, in den Lokalen vor den Toren, drängen sich die Touristen: in der Bar vor dem Tor, deren Stufen eine Herausforderung für das Personal sind. Und in der Kavos-Sunrise Bar weiter unten, in der die Gäste sich mit Filzstiften auf den Wänden verewigen sollen und die Berge leerer Havana Club-Flaschen vor Che-Guevara-Fotos auch nur eine Kulisse sind. Aber der Fast-Vollmond steht über dem Horizont und verbreitet sanftes Stimmungslicht. Es hat etwas aufgefrischt und meine Jäckchen ist zu dünn. Ich entscheide mich schließlich dagegen, in Kastro zu essen und warte auf den Bus um halb neun, der sich verspätet. Im Gemeindesaal hinter mir findet eine Versammlung statt, in eineinhalb Wochen sind Kommunalwahlen. Ähnliches werde ich noch in Ano Petali und Apolonia sehen. Großkampftage für die Bürgermeisterin (die es bleiben wird), die Aspiranten und die Gemeinderäte.
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Zurück in der zentralen Agglomeration entscheide ich mich gegen "Drakakis" und für "Tou Apostoli to Koutouki", an einem instabilen Tisch in der Gasse. Eine gute Wahl, denn das geschmorte Rindfleisch mit Kartoffelpüree ist ausgezeichnet. Gehobene Preisklasse, und den Wein gibt es folglich nur glasweise. Noch dazu im hohen Stielglas, dass ich dann wegen des wackelnden Tisches prompt umwerfe. Der nette junge Kellner, der tatsächlich der Miteigentümer ist (aus kretischer Familie), bringt mir sofort ein neues Glas. Und als dann unvermittelt ein Regenguss einsetzt, fliehen wir unter die überdachte Terrasse vor dem Restaurant, wo sich die Tische nach 22 Uhr geleert haben. 25 Euro werden für die Zeche fällig. Zwei Tage später bin ich wieder da, esse dieses Mal das Mastello, das preislich noch etwas höher liegt. Aber die sifniotische Spezialität - im Tontopf geschmortes Lamm - muss ja schon man sein. Ich werde wieder nicht enttäuscht, nur ist das Lokal heute fast leer. Da kann der junge Mann sich ausgiebig mit der australischen Familie hinter mir unterhalten. Der Tourismus auf den Kykladen ist internationaler geworden, und die Saison länger.
Im "Okylaos" direkt daneben war ich am Mittag, habe ein Dakos gegessen. Die Portion ehe überschaubar, aber ok. Mit einer Flasche Wasser bezahlte ich 13 Euro - auch nicht ganz preiswert. Brauchte keine Wiederholung.
Und wo ich nun bei den Tavernen oben bin, darf natürlich "Margarita" in Artemonas nicht fehlen, bei der ich am zweiten Abend einkehre. Immer gut besucht, immer gutes Essen in familiären Ambiente. Der Enkel ist groß geworden und die Tochter (oder ist es die Schwiegertochter?) wieder schwanger. Als Wiederholungstäterin entscheide ich mich für zwei bekannte Vorspeisen: den Rote-Bete-Salat und das Thunfisch-Carpaccio. Beides wieder ausgezeichnet, nur zusammen mit dem guten Brot etwas zu üppig. Mit einem Viertel Wein und Wasser fallen hier 23 Euro an.
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Meine Wirtin Flora hat die bereitgestellten Frühstückzutaten um zwei kleinen Brötchen erweitert, und so kann ich mir den morgendlichen Gang zum Bäcker sparen. Schön, auf der Terrasse zu frühstücken, nur der Blick nach Paros wird meist von Dunst oder Wolken verdeckt.
Trotz bewölktem Himmel und drohendem Regen beginne ich am Mittwoch die geplante Wanderung nach Vathi, Sifnos Trail Nr. 5. Hinauf durch Katavati, dann Richtung Profitis Ilias. Natürlich ist alles gewohnt gut beschildert. Vor Jahren bin ich mit der Mutter schon mal nach Vathy gewandet, allerdings von Agios Andreas aus und auf einer Piste am Hang jenseits des Tales entlang. So haben wir die alte Kirche Taxiarchis tis Skafis nur von weitem gesehen, die auf der anderen Talseite liegt, umgeben von Natursteinmauern. Nach einer Stunde Wanderzeit ab Petali erreiche ich sie, und sie wurde offenbar erst jüngst renoviert. Die Mauern sind stabil geschichtet, Zementsäcke liegen noch herum, und der Anstrich leuchtet in frischem Weiß.
Und sie ist geöffnet, so dass ich einen Blick auf die Fresken in der Apsis hinter der Ikonostase werfen kann. Allerdings bin ich nicht alleine hier, sondern habe eine große Wandergruppe eingeholt, die mit der Kirchenbesichtigung aber schon fertig ist. Es sind Deutsche, von Wikinger-Reisen, wie ich später erlauschen muss. Ich habe nichts gegen Wandergruppen, mag aber nicht in ihnen wandern. Und lasse ich ihnen daher erst mal einen ordentlichen Vorsprung. Was mir aber nichts nutzt, da sie deutlich langsamer sind als ich. Kurz vor der Wegkreuzung 5 oder 5A habe ich den Schwanz der Gruppe erreicht und kann noch hoffen, dass sie den anderen Weg nehmen. Die Hoffnung zerschlägt sich, als ich die Gruppe durchlaufen habe und hinter der Führerin hergehe, die mit ihrem Nachbarn so ins Gespräch vertieft ist ("... damals am Kilimandscharo ..."), dass sie gar nicht merkt, dass ihre Gruppe unfreiwilligen Zuwachs erfahren hat. Sie halten an der Wegkreuzung, sie orientiert sich und erklärt der Gruppe, dass sie demnächst einen wunderbaren Rastplatz mit Schatten bei einer Kirche erreichen würden. Ich fürchte, sie meint die Panagia Tou Nigiou, die ich mir auch für meine Mittagspause ausgesucht hatte. Ich nutze die Gelegenheit und sause vorbei. Laute Rufe "Halt" schallen hinter mir her, die ich ignorieren kann, denn irgendwann merkt dann auch die Führerin, dass ich gar nicht zu ihrer Gruppe gehöre.
Die hübsche Panagia Tou Nigiou erreiche ich dann auch kurz darauf. Wenn ich jetzt alleine da wäre, würde ich gucken ob die Küche offen ist und mir vielleicht einen Kaffee zubereiten. So bleibt es beim flüchtigen Kirchenbesuch mit Blick ins Gästebuch, ob Renate vielleicht im Frühjahr hier war. Ja, am 10. Mai. Dann höre ich auch schon die Gruppe kommen, und gebe Fersengeld.
Etwas weiter nahe des Weges liegt die Kapelle des heiligen Polýkarpos, da kann man sicher auch schön sitzen.
Der heilige Polykarp hat nur eine unscheinbare, kuppellose Kapelle, nicht mit der Haus der Panagia weiter oben zu vergleichen. Aber ich sitze hier ungestört. Der Himmel hat sich eingetrübt, und grollt da nicht Donner in der Ferne? Ich habe noch ein gutes Stück Weg und dehne die Pause lieber nicht allzu sehr aus. Auf der Höhe verläuft der Weg, quert bei Flea Kalamitsi ein Tal mit Quelle und übersteigt dann einen Hügel. Gegen halb zwei liegt die Bucht von Vathy unter mir, und eine Viertelstunde später erreiche ich den Strand. 9,7 Kilometer, 2 Stunden 50 reine Gehzeit, 196 Meter hinauf und 400 abwärts. Der Bus fährt erst in zweieinhalb Stunden, so habe ich genug Zeit zum Schwimmen im Meer vor der Hotelanlage des luxuriösen "Elies Resort", und danach eine gute Fischsuppe in der Taverne "Manolis". Der Himmel ist noch dunkler geworden, und dem Regenradar meiner App entnehme ich, dass es auf Milos ordentlich schüttet. Aber an Vathy zieht das Wetter vorbei, am Nachmittag fällt hier kein Tropfen.
In der wunderschönen Taxiarchis-Kirche zünde ich eine Kerze an für filos48 alias Jürgen aus Oberhausen, den ich vor vier Jahre hier getroffen und von dessen Tod ich vor einem Jahr erfahren habe. Er wird für mich immer mit Vathy verknüpft sein.
Und dann spricht mich auch noch ein Mann an, der mich aus dem Mittelmeer-Skipper-Forum wiedererkennt. Er ist mit drei Kumpeln und einem Segelboot hier. Dieses Vathy ist schon ein besonderer Kreuzungspunkt unterschiedlichster Wege.
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Das Gewitter kommt mit reichlich Regen in der Nacht. Es ist mein letzter Tag auf Sifnos, und ich verbringe den Vormittag mit einem ausgiebigen Einkaufsbummel in Apollonia, von gelegentlichen Regengüssen ins Trockene getrieben. Vor allem die Läden mit lokalen Spezialitäten (ver) locken: Amygdalota, Honig, Gebäck, Raki, Marmeladen, Kräuter, Käse - was eine Pracht!
Am Nachmittag hellt es auf, ich packe die Badesachen ein und mache mich über Agios Loukas auf den Weg zur Panagia Poulati. Die Kirche mit der dunkelblauen Kuppel nahe der Küste ist einfach schön, aber abgeschlossen. Aber ich wollte ja auch schwimmen gehen, und steige den Stufenweg weiter hinab zu Felsenküste. Da fängt es an zu nieseln. Hallo, ich wollte baden, nicht duschen! Aber die Frage stellt sich unten am Meer nicht mehr: da hat es keinen Strand, nur Felsen. Man käme schon ins Wasser, und ich habe sogar meine Badeschuhe dabei. Aber das sieht nass doch zu wenig einladend aus, zusammen mit der Feuchtigkeit von oben. Und ob ich solo ohne weiteres auch wieder herauskäme ohne mich zu verletzen? Eine interessante Küste ist das allerdings hier schon, ganz anders als ich es von Sifnos gewohnt bin.
Ich steige wieder hinauf, der Regen verstärkt sich kurz um dann nachzulassen. Immerhin ist es nicht kalt. Vor der Poulati kommt mir ein Mann entgegen. Ob das der Weg zum Strand sei? Ja, aber ich verweise auf die Felsen. Wird er schon sehen.
Dann wende ich mich dem Weg nach Kastro zu, das ich schon vor mir auf seinem Felsenkegel liegen sehe und das in 25 Minuten erreicht ist. Ich hole das Bad im
Meer auf der Felsenplattform in Seralia nach, wo ich heute ganz alleine bin.
Drüben in der "Cantina" wird ob des Wetters beratschlagt. Die Tische stehen ja im Freien. Man entschließt sich schließlich, große Schirme aufzuspannen. Und prompt beginnt es wieder zu regnen. Ich
flüchte unter die Loggia eines Hauses und ziehe mich dort wieder an. Ein Weg führt von dort erst in Stufen und dann als schmaler Pfad über die Felsenküste hinauf zu der Kapelle Agios
Andreas ton Kastron. Nicht schlecht, spare ich mir den anstrengenden Treppenweg.
Bei dem trüb-nassen Wetter ist das Kastro verlassen. Ein Gasse, die ich von der Meerseite aus einschlage, leitet mich wieder hinaus, ich muss schon durch eines
der Tore. Auch hier wurden manche der Wohnungen in Feriendomizile umgebaut, die Gäste sitzen auf dem Balkon und beobachten mich. Wäre mir vielleicht zu abseits. Das archäologische Museum - ich
war noch nie darin - hätte donnerstags eh zu.
Die Gassen auf verschiedenen Ebenen im Zentrum des Kastro faszinieren mich immer wieder. Durchs Südosttor wieder ins Freie. Die pseudo-kubanische Kavos-Sunrise-Bar mit den Wandbeschriftungen
sieht auch bei Tag nicht besser aus. Aber ich bin auch nicht die Zielgruppe. Ich setze mich schließlich für einen Kaffee und einen Käsekuchen ins "Kastraki". Spielende Kätzchen locken die Gäste
an und bezirzen sie. Wieder fällt mir auf, wie international die Gäste auf Sifnos geworden sind.
Mit der üblichen Verspätung kommt der Halb-Sechs-Bus und bringt mich hinauf nach Apollonia. Der Regen hat die tierischen Hinterlassenschaften auf dem Stufenweg durch Petali nur teilweise
weggespült. Und das in der sauberen Zentralsiedlung von Sifnos.
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Der Freitag ist wieder sonnig. Mein Schiff nach Milos wird Kamares erst um 13:40 Uhr verlassen. Eigentlich hatte ich schon am späten Vormittag nach Kamares fahren wollen, und dort schwimmen und essen. Aber Flora ist unterwegs, kommt später als gedacht zurück. Und der Taxifahrer hat dann auch nicht gleich Zeit. So verabschiede ich mich erst nach zwölf Uhr von Flora und Petros und fahre hinab nach Kamares. Ich deponiere meinen Trolley am Hafen, kaufe mein Fährticket und bade noch schnell im Meer. Auf Milos werde ich nicht an der Küste wohnen. Dann bleibt nur noch Zeit für eine schnelle Souvlaki-Pitta ehe die "Anemos" pünktlich um die Ecke biegt und mich mitnimmt.
Die Tage auf Sifnos sind schnell vorbeigegangen. Der Herbst ist schon sehr anders als das Frühjahr. Weniger Wandern, mehr Baden - so lautet mein Fazit. Aber ob ich nächstes Frühjahr wieder hier sein werde? Ich glaube nicht.