Gleich zwei Katzen belagern mich erfolglos beim Frühstück. Der Himmel ist unverändert grau, es hat kaum Wind. Über Xinara, Krokos und Komi fahre ich nach Kambos, erklimme bei Aetofolia die Höhen des westlichen Bergzuges mit zahlreichen Gipfeln. Die Panoramastraße gibt tolle Blicke auf die terrassierten Hänge frei - kv würde von der "beeindruckende Kultur der Terrassenbewirtschaftung" schwadronieren. Genutzt werden sie kaum mehr. Eine ulkige Müllinstallation aus Fernseher, Tisch und Gummistiefeln am Straßenrand veranlasst zur Vollbremsung. Ist das Kunst, oder kann das weg? Zum Fernsehen braucht man hier auf alle Fälle keine Technik - die eigenen Auge reichen völlig: die nördliche Bucht von Panormos mit der Insel Planitis hat sich in den Hintergrund geschoben. Der Höhenzug dahinter ist schon die Nachbarinsel Andros. Dörfer gibt es hier keine, nur vereinzelte Kapellen und Höfe. Platia ist schon ein Vorort von Pyrgos, das ich zunächst rechts liegen lasse: mein erstes Ziel ist die Klosteransammlung westlich von Pyrgos, die ich in weitem Bogen über Marlas erreiche. Günter hat mir das Kloster Kira Xeni wegen seiner Marmorzier nahegelegt, auch wenn es kaum geöffnet sein dürfte.
Die Straße endet an einem großen Parkplatz zwischen zwei großen Kirchengebäuden - welches ist das richtige? Das Tor zum südlichen mit zwei weißen Kuppeln ist unverschlossen, ich gehe die von rosa blühendem Oleander gerahmten Treppen hinauf. Die Kirche - es muss sich um Agia Thekla handeln - ist abgeschlossen. So wie die meisten Gotteshäuser auf Tinos - nicht einfach, hier irgendwo eine Kerze für Theo anzuzünden. So viel Misstrauen, und das auf einer Wallfahrtsinsel. Na, sie werden ihre schlechten Erfahrungen gemacht haben ... Ohne blauen Himmel kommen auch die Kuppeln nicht so gut zu Geltung, aber das Portal aus grauem Marmor. Ist ja hier alles quasi ein Schaufenster des örtlichem Marmorhandwerkes. Aber der Blick über das Tal ist nicht schlecht, hinüber nach Pyrgos und auf die Hotelanlage des "Glafki". Hatte ich kurz als Standquartier erwogen, aber dann wieder verworfen, warum auch immer. Und da hat es auch Bienenstöcke für den besten Honig der Ägäis .... ;-)
Das andere Kloster muss also Kira Xeni sein, 1732 gegründet. Es liegt unterhalb des Parkplatzes, und hier ist sogar das Tor verschlossen. Schade! Während ich zurück am Mietwagen bin, fahren plötzlich drei Auto vorbei, zum Hintereingang des Klosters. Neugierig folge ich ihnen. Eine Gruppe Frauen mehrerer Generationen hat den Schlüssel, da sie in der Kirche offenbar Vorbereitungen für eine Taufe treffen. Der zukünftige Täufling ist auch dabei: ein skeptisch guckendes, kleines Mädchen, auf dem Arm von Oma oder Tante. Ich grüße freundlich und schiebe mich vorbei. Werde nach einem kritischen Blick der Wortführerin aber ignoriert und kann dann doch immerhin einen schnellen Blick in die Kirche werfen, ehe die Türe wieder verschlossen wird. Danke trotzdem!
Über Pyrgos steuere ich nun hinab an die Küste nach Panormos und weiter nach Rochari, wo ich den Wagen hinter dem verlassenen Strand abstelle. Gebadet wird später. Nun ziehe ich die Wanderschuhe an, um die Rundwanderung Nr. 15, Tinos Trail E2 - "die Allee der Mühlen" zu beginnen. Knapp sechs Kilometer in zwei Stunden bei 200 Höhenmetern - einfach. Die uneinheitliche und daher verwirrende Bezeichnung der Wanderwege auf der Anavasi-Karte und bei Tinos Trails ist etwas ärgerlich, aber die Wege sind die gleichen.
Unterhalb einer modernen Villa mit der silbergrauen Plastik eines mauersitzenden Mädchens folge ich der Uferstraße nach Pánormos. Kapernbüschel blühen zwischen Straße und Meer. Der Blick wird nun frei auf die vorgelagerte Insel Planitis (auch Planoudi) mit einem weiteren Leuchtturm auf der Spitze. In der Landkarte ist ein Fußweg über ein paar Felsen eingezeichnet, aber so wie das aussieht, müsste man dazu über Wasser gehen können. Nichts für Normalsterbliche also. Werde ich mir ein anderes mal ansehen.
Pánormos mit seinen tief eingeschnitten Bucht ist dem aufmerksamen Filmseher bekannt als Drehort der deutschen Komödie "Highway to Hellas" aus dem Jahr 2015 mit Christoph Maria Herbst und Adam Bousdoukos. Das harmlose Filmchen voller Klischees scheint keine größeren Auswirkungen für den Ort bedeutet zu haben, in dem die lokalen Bustouren ihre Gäste gerne zur längeren Mittagspause absetzen. Es ist aber erst halb zwölf und noch sehr beschaulich hier: Ein Angler richtet sein Sitzplatz am Ufer ein, ein kleiner Junge radelt auf seinem Laufrad auf der Paralia mit leeren Stühlen, zwei Männer sitzen tavlispielend vor dem Kafenio. Die Enten, die ich letztes Jahr hier getroffen habe, kann ich nicht entdecken. Panormos ist wohl der einzige Ort auf Tinos, bei dem der Ausdruck "Fischerdorf" noch halbwegs zutrifft. Vielleicht werde ich nach meiner Wanderrunde hier noch irgendwo einkehren.
Ich gehe auf der Paralia vor bis zum dem Punkt mit wehender Fahne, rostiger Kanone und Bronzebüste, an dem die Straße mündet. Bin aber schon zu weit und muss wieder zurück bis zu den Tavernen, wo ein Pfosten mit Wegweisern steht. Ich folge dem Weg nach Pyrgos, verlasse die Siedlung bei einem interessanten alten Haus mit zwei frontalen Reihen Türen samt inseltypischen Oberlichtern. Kurz darauf steht am Wegrand ein altes Waschhaus mit edlen Marmordeckel über denWaschbecken. Die hebt niemand so schnell ab.
Der Weg geht nun aufwärts entlang einer Steinmauer durch für Mitte Mai schon ganz schön vertrocknete Landschaft. Der Blick über das Tal hinüber zu den vorhin besuchten Klöstern und hinab zu Bucht, wo ein Motorboot Kringel ins ruhige Meer zeichnet.
Zwei Wanderer kommen mir entgegen. Ein englisches Paar, und wir kommen ins Gespräch über die griechischen Inseln und das Wandern dort, das sie ähnlich passioniert betreiben wie ich. Sie drehen die Wanderrunde in der Gegenrichtung, und ich werde ihnen später nochmals begegnen, wenn ich abwärts und sie aufwärts streben. Eine halbe Stunde verplaudern wir uns, ehe wir unsere Wege fortsetzen.
Nach einer Kurve kann ich nun an der nächsten Hügelkante die Windmühlen sehen, die diesem Tinos Trail den Namen gegeben haben. Zwei dunkle runde Türme mit finsteren, da leeren Türöffnungen, und ohne Dach, inmitten einer Fläche aus Steinschutt. Dahinter die Fundamente weiterer Gebäude, nicht mehr zuzuordnen, aber von Ziegen als Liegeplatz geschätzt. Hier wurde schon lange nicht mehr gemahlen .... aber windig war es hier sicher genug, wie ein horizontaler Baum vorhin gezeigt hat. Nach Pyrgos ist es nun nicht mehr weit, ich kann das Dorf schon jenseits des kleinen Tales liegen sehen. Mit der breiten Front des sehenswerten Museum of Marble Crafts - Museum des Marmorhandwerkes - der Piraeus Bank Group Cultural Foundation davor. Das besuchenswerteste der drei Marmormuseen des Ortes (neben dem Chalepas-Museum und dem Museum der tiniotischen Künstler, die aber am anderen Ende des Dorfes nahe der Bushaltestelle liegen), aber heute werde ich es auslassen.
Gegen ein Uhr mittags erreiche ich die wunderschöne Platia des marmorgefliesten Dorfes mit der dickstämmigen Platane, dem marmornen Brunnenhaus und den einladenden Cafés. Regelmäßige und aufmerksame Lesende meiner Website wissen, dass es hier in Muss für mich gibt, verbunden mit der Qual der Wahl: Galaktobureko. Ich entscheide mich heute für das Megalos Kafenés mit dem türkisgrünen Mobiliar direkt vor dem Brunnenhaus. Einige Tische sind belegt, von Besuchern und Studierenden der Bildhauerschule. Der Galaktobureko samt Elliniko und großer Karaffe Wasser mundet ausgezeichnet. Sechs Euro 50 bedeuten eine Steigerung von ein Euro 50 gegenüber dem Vorjahrespreis für das gleiche Ensemble im Nachbarcafé - die schon obligatorische Preissteigerung des letzten Jahres, vermute ich.
Ich bummel noch kurz durch die Gassen, suche aber dann die Fortsetzung meines Wanderweges im oberen, östlichen Ortsteil. Leider fehlt immer noch die Sonne um meinen Fotos von pflanzenüberwachsenen Hauswänden, Gassen und Brunnen mehr Licht zu verleihen. Aber schön ist es hier trotzdem.
Oberhalb von Bildhauerschule und Museum wandere ich auf einem Pflasterweg hinüber zum Nachbardorf Platiá. Wieder Kapern am Wegrand. Auf der Höhe vor Platiá steht eine niedrige, aber verschlossene Kapelle neben einem Denkmal für die Gefallenen der Kriege. Ich werde doch noch irgendwo eine geöffnete Kapelle für mein Kerze für Theo finden? Nicht so einfach auf Tinos.
Auch in Platiá sind die Spuren des Marmorhandwerkes nicht zu übersehen: eine Werkstatt mit Platten und halbfertigen Stücken hier, und der kleine Friedhof ist auch ein Schaufenster der lokalen Kunstfertigkeit. Das Dorf selbst macht beim Durchwandern einen ähnlich belebte Eindruck wie die letzte Liegestätte - kein Lokal, kein Laden, kein Leben. Es gibt aber trotzdem Quartieranbieter.
Östlich des Ortes beginnt nun ein weites Tal. Unten quert eine steinerne Brücke das violette Oleandertal, oberhalb der Nordküste könnte man auf in der Karte eingezeichneten Fußwegen weiter nach Osten gehen. Nicht mein Ziel heute, ich folge dem Stufenweg, der am westlichen Rand des Tales abwärts nach Norden führt. Mein Ziel Rochari mit dem Inselchen Planoudi dahinter kann ich schon ausmachen. Rot-weiße Markierungen weisen mir zuverlässig den Weg, der auf der Höhe bleibt.
Bald kommen mir wieder die beiden Engländer entgegen, schwitzend. Ich glaube, ich habe die wenige anstrengende Gehrichtung gewählt. Wir reden nur kurz, und dann bin ich wieder alleine im Abstieg. Nähere mich allmählich gleichermaßen der grün-rosa Talsohle und der Küste. Ob der Bach noch Wasser hat, kann ich nicht feststellen - zu üppig ist er überwachsen. Beeindruckend!
Das gestufte Tal verbreitert sich unten, die Trockenheit dominiert. Ein Ziegenschädel auf der Mauer - das Tal des Todes? Um drei Uhr schließt sich mein Kreis am Strand von Rochari. Sieben Kilometer war ich unterwegs, in zwei Stunden reiner Gehzeit, 300 Höhenmeter je bergauf und -ab.
Geschwitzt habe ich kaum, aber dennoch gönnen ich mir ein frisches Bad im Meer. 19,5 Grad zeigt das Thermometer. Noch immer hat die Wassertemperatur die Zwanzig-Grad-Marke nicht erreicht. Dabei ist heute schon der 17. Mai. Morgen werde ich einen letzten Versuch haben.
Ich fahre nach Panormos, esse im "Limanaki" eine Portion frittierte Kalamaria. Der Ort ist belebter geworden, die Tavernen sind gut gefüllt. Dann noch ein Einkaufsbummel in Pyrgos. Leider ist der ausgezeichnete Thymianhonig in dem kleinen Laden ausverkauft - muss ich für die wohnungshütenden Nachbarn anderswo gucken. Als ich mit dem Auto über Isternia auf die anderen Inselseite wechsle, drückt der schwerer gewordenen Himmel tatsächlich ein paar Tropfen heraus. Nicht so viel dass man es tatsächlich als Niederschlag zählen könnte. Der Panoramablick über die Küste nach Tinos ist trotzdem toll. Eine rote Fähre zieht vorüber gen Andros.
Ich tanke bei Tinos-Stadt und kaufe noch mein Fährticket in der Stadt ehe ich ins Quartier fahre.
Es tröpfelt wieder. Zum Abendessen fahre ich hinauf nach Dyo Choria in gleichnamige Restaurant. Es gibt knusprige Zwiebelpittakia, danach eine deftig-heftige Loukaniko mit Pommes. Bissle zu viel Fett, den Verdauungsschnaps gibt es aber erst zuhause. Ich kann morgen so lange im Quartier bleiben wie ich möchte. Praktisch, denn die Fähre geht erst um 15 Uhr.
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Nachdem ich gefrühstückt, gepackt und das Zimmer bezahlt habe (es geht doch nichts über Bargeld), fahre ich für ein letztes Schwimmen im Meer hinab nach Agios Sostis. Ich parke zwischen Cavos Hotel und Kapelle. Schon als ich aussteige, höre eine lautstarke Diskussion vom Meer herüber: ein griechisches Paar streitet sich phonstark auf dem langen schmalen Anleger hinter der Kapelle. Da will ich nicht stören, gehe am leeren Strand entlang, ziehe mich um und gehe schwimmen. Immer noch keine zwanzig Grad, aber die Sonne kämpft sich gerade aus dem Dunstschleier. Mykonos trägt einen Wolkenhut. Ein Frachter schiebt sich in Zeitlupe nach rechts, und das Paar streitet immer noch. Die Lautstärke eskaliert. Schließlich rennt sie davon, weinend. Er bleibt sitzen, guckt aufs Meer. Geht schwimmen. Kommt zurück, telefoniert dann. Offenbar hat er keinen guten Tag, denn auch das Telefonat wird lauter, uneiniger. Ich ziehe mich an Land zurück, trocken etwas ab. Irgendwann geht er, zum Glück, und ich kann noch ein Wenig auf dem Anleger sitzen und meinen Gedanken zum bevorstehenden Urlaubsende nachhängen. Bis drei lautstarke Touristen mit Hund kommen und sich genau dort niederlassen wo ich meine Sachen abgelegt habe. Das wird heute nichts mehr mit der Ruhe und mir, besser ich fahre zurück ins Quartier.
Packe meine Sache ins Auto und fahre hinab zum Hafen. Bis zur Rückgabe des Auto habe ich noch ein paar Stunden Zeit, ich parke den Wagen auf der weitläufigen, blaumarkierten Anlage. Gerade hat die "Superferry Andros" angelegt, die vorletzte von vier Fähren, die am Vormittag ihre Passagiere von Attika auf die Insel schaufeln. Im Gegensatz zu Inseln wie Naxos oder Paros sind es vor allem Griechen, die nach Tinos kommen. Der Kleidung nach viele zu Festivitäten wie Taufe und Hochzeit. Auch die Abholer zur Taufe bei Pyrgos sind da. Die kirchlichen Frauenkreise samt Pfarrer haben wohl ein früheres Schiff genommen und sind nicht explizit auszumachen.
Schneller als man denkt verteilt sich das Chaos, die Fähre legt ab und der Hafen liegt wieder still da.
Vorbei an der verlockenden Auslagen des Zacharoplastía verirre ich mich ins Gassengewirr, wo edle Eisdielen die Fischläden ersetzt haben. Auch Wallfahrer kaufen lieber Eis als Fisch. Erreiche dann den Leitstrom der Pilgerstraße, an deren rechtem Rand eine abgewetzte Spur für auf allen Vieren bergwärts zur Wallfahrtskirche Strebende führt. Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, dass diese etwas zu büßen hätten: Nein, sie werden oben etwas erbitten, oder für einen erfüllten Wunsch - Genesung von Leiden, Geburt von Kindern, Ergattern eines Ehemannes - danken. Auch heute ist kein Mann auf allen Vieren zu sehen, die Frauen sind unter sich.
Ich wechsle hinüber in die lebhafte Basar- und Devotionaliengasse, die parallel zur Pilgerstraße hinauf zur Evangelistria- Kirche führt. Auch hier ist das Angebot an Souvenirs, Devotionalien, Klamotten, Ikonen, Kerzen, Spielzeug, Schmuck und Süsskram riesig.
Natürlich besuche ich auch die Wallfahrtskirche. Nicht vorne, wo die Pilger mit Kerzen Schlange stehen, sondern von einem der rückwärtigen Tore werfe ich einen Blick hinein. Letzte Gelegenheit auf Tinos eine Kerze für Theo anzuzünden? Aber Theo und Wallfahrtskirche? Mhhh. Geht ja eigentlich gar nicht.
Ich gehe wieder hinaus in den Innenhof und betrachte die die farbenfrohen Parées, die sich dort zu Taufen versammeln. Die finden in der Unterkirche Zoodochou Pigis statt (tatsächlich dem Fundort der Ikone), wo gleich drei durch Säulen getrennte Bereiche zu Verfügung stehen. Im mittleren wird gerade ein Säugling getaucht, und weil mich das prompt daran erinnert, wie Theo sich über orthodoxe Taufen aufregen konnte, beschließe ich, ihm hier unten eine Kerze zu entzünden. Da muss er jetzt durch. ;-) Ich wähle den rechten Bereich, der für die Taufe Andersgläubiger gedacht ist. Passt ja irgendwie.
Ich beobachte noch ein wenig das Treiben hier, gehen dann die Wallfahrtsstraßer hinab und komme am archäologischen Museum vorbei. Seit dem Erstbesuch auf Tinos 1991 war ich nicht mehr darin. Heute, am 18. Mai, ist der internationale Tag der Museen, und der Eintritt frei. Das Museum ist klein und gehört noch zu den eher angestaubten Einrichtungen dieser Art. Am hübschesten ist der Innenhof, am interessanten die Fundstücke aus dem Heiligtum des Poseidon und der Amphitrite in Kionia samt Modell.
Danach wird es Zeit, das Auto zurückzugeben. Ich fahre damit zum Büro, lasse es überprüfen, und kann es danach mit Gepäck wieder am Hafen abstellen bis zur Fährabfahrt.
Inzwischen bin ich hungrig und gehe ins "To Koutouki tis Elenis" essen. Tische bleiben hier nicht lange leer, es wird sogar gewartet. Ich ergattere ein Tischchen und bestelle ein ausgezeichnete Artischocken-Pitta, begleitet von einem Viertel Weißwein und Wasser. Kaufe dann noch etwas Proviant beim Bäcker, und ein Pfund Salzkapern für sieben Euro bei einem der kleinen Marktstände am Hafeneingang.
Um halb drei bin ich am Anleger und sehe die "Blue Star Paros" -einlaufen, höre mit Kuckuckswalzer die Ladeklappe öffnen. Die Fährverbindung nach Rafina wäre kürzer und preiswerter, aber in Piräus übernachte ich besser und billiger. Und bin mit der Metro schnell in der Athener Innenstadt, wo ich morgen noch den Tag verbringen möchte.
Pünktlich um drei legt die Fähre ab. Bei Zwischenhalt in Syros eilen die unvermeidlichen Verkäufer von Loukoumia und Halvadopittes mit ihren großen Körben für einen merkantilen Schnellbesuch an Bord. Sie können sich aber Zeit lassen: es dauert bis die Zugmaschinen alle Trailer an Bord haben.
Weiter geht es nach Piräus. Ankunft abends um acht Uhr.
Es ist ein schwülwarmer Abend, der erste in diesem Urlaub. Als ich mein Zimmer im "Anita-Argo" beziehe, bin ich schweißgebadet. Das "Rakadiko Stoa Kouvelou" hat geschlossen, aber im "Refené" direkt über die Kreuzung vom Hotel finde ich guten Ersatz. Sehr gute Fava, Bougiourti und Wein kosten spottbillige 13 Euro fünfzig. Solche Preise sucht man auf den Kykladen vergebens.
In der Nacht bleibt es warm.
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Für acht Euro bekomme ich ein gutes Frühstück vom Buffet im Hotel. Ich habe überlegt, mein Gepäck hier zu lassen und später zu holen, entscheide mich aber dagegen, checke aus und fahre mit Gepäck und Metro zum Syntagma-Platz, wo es in den Seitengebäuden gleiche mehrere kleine Gepäckaufbewahrungen gibt. Acht Euro bezahle ich für den Tag, werde gegen drei Uhr am Mittag wiederkommen und mit der Metro zum Flughafen fahren.
Am Syntagma-Platz ist heute einiges los: der 19. Mai ist Erinnerungstag für den Genozid an den Pontos-Griechen, und es gibt später eine Kundgebung vor dem Parlamentsgebäude. Dass die Straße davor mit Gittern abgesperrt ist, hat damit aber nichts zu tun: hier findet gleich ein Radrennen statt. Und natürlich stehen die obligatorische Besucher vor dem Evzonen und beobachten die meist unbeweglichen bommelschuhbewehrten Wachen in Rock und Strumpfhosen.
Es ist ein sehr warmer, fast schon heißer Tag, der erste in diesem Urlaub. Gerade in Athen hätte ich darauf auch vollends verzichten können. Ich habe mir für den Vormittag des Besuch des byzantinischen und christlichen Museum herausgesucht, das einen erhitzenden Fußweg vom Syntagma-Platz entlang des Leoforos Vassilias Sofias liegt. Acht Euro kostet der Eintritt in das interessante Museum, dessen Gebäude um einen weiten Hof platziert sind. Über eine Stunde lasse ich mir Zeit für die lohnenswerten Exponate im nur mäßig besuchten Museum. Es könnte auch länger sein, aber eigentlich wollte ich ab 12 Uhr zum Turm der Winde in der Plaka, wo eine Kostümvorführung des Dora Stratou Tanztheaters stattfindet. Ich verlasse mich darauf, dass die schon nicht so pünktlich anfangen wird, und gönne mir noch einen Frappé im rückwärtig sehr schön an einem Garten gelegenen Museumscafé-Restaurant "Ilissia".
Von der Metro-Station Evangelismos möchte ich dann nach Monastiraki fahren. Die Metro ist knallvoll wie ich es noch nie erlebt habe. Ganz Athen scheint auf den Beinen und im ÖPNV zu sein. Ich nehme meinen Rucksack vor die Brust, gut umklammert. Gut, dass ich kein größeres Gepäck habe und nur zwei Stationen fahren muss!
Auch die Gassen der Plaka von Monastiraki bis zur römischen Agora mit dem Turm der Winde ist voller Menschen. Inzwischen ist es halb eins und natürlich hat die Vorführung der Trachten auf einem kleinen Platz hinter dem Turm längst begonnen. Trachten aus verschiedenen Regionen werden kommentiert vorgestellt, manchmal verbunden mit kurzen Tanzvorführungen zu Live-Musik. Ich liebe die unglaubliche Vielfalt der griechischen Regionen und deren Musik und Tänzen!
Die Sonne knallt von oben, aber Schattenplätze sind rar. Jenseits der Vorführung entdecke ich plötzlich Frangiskos, den Ex-Tänzer, den ich vor zweieinhalb Wochen auf Antikythira kennengelernt habe. Das scheint mir schon Jahre her, und auch er hat offenbar Mühe, mich unterzubringen als ich zu ihm hinübergehe und ihn grüße. Wer rechnet auch damit, dass man sich nach dem winzigen Antikythira ausgerechnet im großen Athen wiedersieht?
Leider habe ich den Großteil der Vorführung verpasst, die sich schon dem Ende zuneigt. Die Tänzerinnen und Tänzer verlassen in einer Prozession den Platz und ziehen, begleitet von der spielenden Musikkapelle, durch die Gassen der Plaka. Ich folge ihnen bis sie hinter einem Tor in der Scholiou- Gasse verschwinden, der Zentrale in der Plaka. Inzwischen habe ich Hunger. Das nahegelegene "Scholariou" ist voll, aber Frangiskos hat sich mit einem andere Mann gegenüber im "To Kafenion" niedergelassen. Und sicher weiß er, wo man gut isst. Die Tische draußen sind belegt, aber ich sitze heute gerne im klimatisierten Innern. Lustig, dass man mir noch vor meiner Bestellung auf Griechisch eine Karaffe mit Wasser hinstellt, während die Amerikanerinnen am Nachbartisch eine Plastikflasche mit Wasser vor sich stehen haben.
Ich bestelle die Keftedakia special mit DER Sauce - köstlich und mit dem dazu gereichten rustikalen Brot und einem Viertel offenen Weines ein wunderbare Mahlzeit zum Abschluss eines gelungenen Urlaubes.
Drei endlose Wochen von Kreta über Antikythira nach Milos, Naxos und Tinos.
Wunderbar und unvergesslich!