Am Mittwoch strahlt die Sonne vom wolkenlosen Himmel. Ein perfekter Tag für einen Strandausflug. Aber nicht irgendeinen Strand, sondern einen Strand auf Elafónissos. Die Insel will ich unbedingt sammeln (als Nummer 82), auch wenn es ein ordentliches Stück zu fahren ist. Barbara hat noch rechtzeitig darauf hingewiesen, die Fährzeiten zu checken, denn im Winter fährt nur alle eineinhalb bis zwei Stunden ein Schiff von Pounta auf die dem östlichen Peloponnes-Finger (heißt wohl lakonische Halbinsel) vorgelagerte Insel und zurück. 9:30 Uhr ist uns zu früh, aber 11:30 passt.
Barbara fährt, und sie fährt zügig. Nur einmal halten wir für einen Fotostopp unterwegs, als wir uns hinter Skala irgendwo verfranst haben weil wir lieber entlang der Küste fahren wollten. Olivenbäume prägen auch hier die Landschaft. Später wird es hügelig. Es gefällt mir.
Nach eineinhalb Stunden Fahrt sind wir um elf Uhr am Anleger in Pounta. Hätten wir uns nicht so hetzen brauchen, aber besser so als anders.
Ein paar Leute mit Auto und Mopeds warten schon vorne am Anleger. Das Tickethäuschen ist verwaist, die Billette gibt es an Bord.
Da Meer schillert in einem hellen, transparenten Türkis. Es ist flach hier, so dass die Tausende Minifische verdoppelnde schwarze Schatten werfen. Die Umrisse hinter Elafónissos müssen zu Kythira gehören. Da müsste man ja auch mal wieder hin ...
Wenig später sehen wir den Umriss des Fährbootes sich von Elafónissos lösen und uns nähern. Es ist ein "Pantofla", eine der offenen Fähren mit breiter Ladeklappe, die Landungsbooten ähneln. Ich kenne sie von Kimolos, Kreta und Antiparos, und mangels Kiel sind nicht so seetauglich sind wie normale Fähren. Aber hier und heute ist das kein Problem. "Marilena" heißt das Schiff, von dem eine Handvoll Autos rollt. Ein paar Fußgänger kommen gemütlich hinterher.
Dann dürfen wir an Bord. Routiniers bleiben während der kurzen Überfahrt im Auto sitzen, aber wir steigen natürlich aus. Auch um am Schalter unsere Tickets zu kaufen. Zwölf Euro kostet die Überfahrt oneway für unser Auto, und wir bezahlen je zwei Euro. Bei der Rückfahrt werden für das Auto fünfzig Cent weniger fällig, warum auch immer.
Ein PKW mit deutschem Kennzeichen steht vor uns, ein junges Paar mit Baby an Bord. Es sind doch noch mehr Touristen unterwegs auf die Insel.
Und dann legt die "Marilena" auch schon ab. Unterwegs leuchtet das Meer in allen Schattierungen, es ist hier überall recht flach. Wie ein Leuchtturm bildet die vorgelagerte Kapelle Agios Spyridonas den nördlichen Ausläufer der Insel, eine flache Brücke verbindet sie mit der Inselhauptsiedlung. Aber tatsächlich gibt es noch ein Leuchtfeuer etwas davor.
Teils ziegelgedeckte zweistöckige Häuser reihen sich entlang des Ufers. Der Hafen ist östlich davon, dalso links. Hier liegen drei weiter Fähren, zwei davon in originellem Bordeauxrot.
Und dann müssen wir schon von Bord. Eine gute Viertelstunde hat die Überfahrt gedauert.
Die Fähren zurück gehen nicht optimal, 14:10 Uhr und 15:40. Ersteres ist etwas früh, zweiteres spät. Mal sehen. Wir lassen den Hauptort zunächst rechts liegen, den gucken wir uns später an, und fahren an ihm vorbei auf eine Inselrunde gegen den Uhrzeigersinn.
Die Nordküste ist flach, aber felsig und lädt nicht zum Baden ein. Eine mit einer Lichterkette geschmückte Minikapelle auf einem Felsen nahe der Straße erregt unsere Aufmerksamkeit. Ein schmaler Pfad führt zu ihr und wenn man sie richtig fotografiert, sieht sie fast aus wie eine richtige Kapelle. Die Landschaft ist baumlos und in eintönigen Macchiagrün. Im Meer vor uns hat es flache und höhere Felseninseln.
Der Ort Kato Nisi scheint eine reine Strand-Streusiedlung zu sein, ohne Ortszentrum. 156 Einwohner, sagt der Zensus 2011 (etwa tausend die ganze Insel). Sie verstecken sich gut - niemand ist zu sehen, alles winterlich verlassen. Immerhin gibt es hier einen Sandstrand, über dessen überschwemmte Ausläufer unsere Straße führt. Das Wasser ist aber nicht tief und mit unserem Fiat Panda gut zu bewältigen.
Wir verzweigen uns bei der Weiterfahrt, aber die Straße hört dann auf. Wieder zurück, und ein Stück über Schotterstraße. Weiter über einen Hügel, und dann sind wir schon auf der Südseite der Insel, die kleiner ist als ich dachte. Eine weite Bucht mit felsiger Küste und schwarzen Rändern am helleren Gestein liegt unter uns, die Wellen brechen sich weißgischtend. Weiter links beginnt aber ein wunderbarer Sandstrand, durchsetzt mit Dünenansätzen. Ist das der bekannte Simos-Strand? Im Sommer muss ordentlich was los sein, aber jetzt sind wir alleine hier.
Vor uns hebt sich dunkel eine Insel aus dem Meer. Oder ist es ein Halbinsel? Eine schmale Landzunge könnte hinüberführen, und erinnert uns an Prasonisi auf Rhodos. Oder (nicht zu verwechseln, aber optisch durchaus ähnlich) Elafonísi auf Kreta (die Betonung weiter hinten, auf dem i). Wieso eigentlich "Hirschinsel"? Laut Pausanias geht der hiesige Hirschname auf Heiligtümer der Jagdgöttin Artemis zurück, das sich auf der Insel befunden haben sollen. Entsprechend muss es auch Hirsche gegeben haben. Lange ist's her.
Wirklich wunderschön, aber auch windig hier. Rosa Sand? Hmmm, der ist von hier aus jetzt nicht zu erkennen. Ich fotografiere noch fleißig, dann beschließen wir , weiter südöstlich nach einer windgeschützteren Bademöglichkeit zu gucken. Biegen zunächst ins Inselinnere ab, wo ein paar verlassene Hotels und Anlagen stehen. Im Winter wohnen die Einheimischen offenbar nur im Hauptort. Wen nicht gleich auf dem Festland.
Durch die Streusiedlung geht es weiter. Die Straße wird schlechter, zunehmend von Sand begraben. Sie endet hinter hohen Dünen an einer Strandbar mit Parkfläche, wo die unvermeidlichen Wohnmobile stehen. Aber nur zwei oder drei. Hier hat es auch die deutsche Kleinfamilie her verschlagen, die sich zurückgesetzt vom Strand schon häuslich eingerichtet hat.
Und es hat noch eine Handvoll Strandsucher hier.
Wenn Baden, dann hier und jetzt! Wir schnappen unsere Badesachen und gehen vor Richtung der flachen Landzunge, die die Hauptinsel mit dem vorgelagerten Eiland - hat es einen Namen? - verbindet. Hohe Dünen schützen vor dem Wind. Ein Holzgestell steht am Strand, was ist das denn? Eine Schaukel, die auch von einer Gruppe Badegäste ausprobiert wird. Klar, das ist hier ein Selfie-Spot.
Am Übergang von Strand zu Dünen liegt bei einem Mülleimer eine Holzpalette, optimal geeignet um sich ohne Sandbad umzuziehen. Die Luft hat 17, 18 Grad, das geht schon wenn die Sonne scheint.
Am Schaukelstrand ist jetzt nur noch ein deutsches Paar. Die Beiden sind nackt, und haben recht: Wozu die Badekleidung nass machen? Wir tun es ihnen nach, nachdem wir etwas geschaukelt haben (so exhibitionistisch sind wir dann doch nicht). Nur das Badethermometer habe ich noch dabei.
Das Wasser ist kalt. So kalt, dass eine langsame Annäherung nicht möglich ist: schnell rein, oder draußen bleiben. Ich entscheide mich für ersteres, stürze mich ins Kalt. Das Wasser ist flach,
ich muss weiter hinaus. Schnelle Schwimmzüge, dann geht es schon. Herrlich! Barbara zögert, ist schon fast auf dem Rückzug. Kommt dann doch ganz hinein, prustend und strampelnd. Freut sich. Das
Thermometer hat sich akklimatisiert und zeigt nun eine Wassertemperatur von 17° an. Nicht so warm wie auf Rhodos letzten Januar, aber gut erträglich.
Wir sind stolz und glücklich, als wir kurz darauf - Barbara früher, ich später, wieder aus dem Wasser steigen und uns abtrocknen. Perfekt, so textilfrei, und sich nicht aus den nassen
Badeklamotten schälen zu müssen.
Wieder angezogen bummeln wir über die Landzunge zum Inselchen. Der Strand ist übersät mit kleinen Muscheln. Oder besteht er daraus? Er hat nun wirklich einen rosa Schimmer.
Den stört der Mikromüll allerdings.
An der Insel wird es erst felsiger, dann hat es wunderbare und hohe Dünen. Die dickfleischigen Blätter von Mittagsblumen kämpfen sich aus dem Sand, daneben Strandgras und Dorniges. Vorsicht, ich habe keine Schuhe an.
Etwas Sandgrafitti fällig?
Das Meer sieht nun wieder sehr kalt aus. Ein Frachter zieht durch die Meeresstraße zwischen der Peloponnes und Kythira. Und weiter westlich, das ist die Fähre "Aqua Jewel" auf ihrem Kurs von Kissamos, Antikythira und Kythira nach Gythio. Ob ich dieses Jahr mal mit ihr fahren werde?
Barbara sammelt Muscheln. Große hat es im angeschwemmten Seegras, aber auch gröberen Müll. Und Teer. Merken wir später, als wir die Schuhe wieder anziehen. Ist nicht schlimm.
Um Viertel vor zwei beenden wir unseren erfrischenden Strandbesuch, fahren zurück zum Hafenort. Klare Sicht über den Steno Elafonissou auf die niedrigen Berge der lakonischen Halbinsel. Der weiße Streifen dort am Rand, an der Küste, das muss Neapoli sein, das Hafenstädtchen, von dem aus die Lokalfähre "Porfyroussa" nach Kythira und Antikythira pendelt. Wenn sie nicht in der Werft ist, wie aktuell.
Es ist jetzt zwei Uhr. Die nächste Fähre fährt in zehn Minuten ab. Dann erst wieder um zwanzig vor Vier. Wenn wir die frühe nehmen, bleibt keine Zeit für Elafonissos-Ort. Aber wir wären mit der späteren erst sehr spät zuhause. Und vielleicht ist hier nichts los, alles ausgestorben?
Wir entscheiden uns für die frühe Fähre, und ich renne noch schnell hinüber Richtung Ort, um wenigstens ein paar Eindrücke zu sammeln. Zu Barbaras Missfallen, die Angst hat, dass ich das Boot verpasse. Keine Panik, passt schon. Los geht es. Nein, schnell noch die Tickets. Hatte schon fast was von einer Flucht.
Aber gut, Insel gesammelt. Und gebadet. Das muss erst mal reichen.
In der Nachmittagssonne liegt die Meerenge zwischen Lakonien und Elafonissos so türkisblau unter uns. Und um halb drei hat uns die Peloponnes wieder.
Und nun? Zum Mittagessen nach Neapoli, ist nur ein Katzensprung. Wir parken an der Paralia und landen zuerst an einem Café, fragen nach Essen. Ein paar Alte sitzen an einem Tischchen. Essen? Da sollten wir doch da rüber gehen, das wäre ein Restaurant. Sagt dann auch die nette Bedienung, leicht irritiert. Hatten wir Tomaten auf den Augen? Nein, wir waren zu früh zum Café über die Straße gegangen.
An der Paralia jenseits der Uferstraße ist ein Pavillon aus windschützenden durchsichtigen Folien, das zur Taverne "Maistrali" gehört. Die Tische darin und auch zwei außerhalb sind gut belegt, aber wir finden noch ein Plätzchen drin. Der Kellner ist schnell da, und führt uns in die Küche, wo es aus mehreren Töpfen verheißungsvoll dampft. Ich entscheide mich für Spanakorizo und Barbara für gekochten Oktopus mit Pommes. Dazu noch eine Ladung Stamnagati, gekochte Wildkräuter. Schmeckt alles vorzüglich, und auch die Rechnung ist mit 24 Euro sehr zivil.
Im netten Café gegenüber bestellen wir dann noch zwei Ellinika. Bekommen als Dreingabe jede noch ein Tellerchen Ekmek. Heute (17. Januar) wäre der Namenstag von Antonis/Adonis und Antonia, wird als Erklärung nachgereicht. Ah, ganz vergessen. Der Namen der Wirtin? Efcharistoume, ke chronia polla!
Dieses Neapoli gefällt mir.
Dann wird es Zeit für die Rückfahrt. Jetzt mit mehr Zeit für die Landschaft und Fotohalten an den Orangenwäldern. Gegen halb sechs sind wir wieder in Gythio und haben ein Tagespensum von 207 Kilometern absolviert.
Um zum Abendessen auszugehen, sind wir nach dem späten Mittagsessen nicht hungrig genug. Außerdem haben wir noch Vorräte genug im Haus, die weg müssen. Unser Peloponnes-Aufenthalt nähert sich schon seinem Ende. Morgen ist der letzte ganze Tag hier.
Zum Tagesausklang gucken wir den Film "Traumland der Sehnsucht" von 1961 auf meinem Tablet, weil wir im Gespräch irgendwie darauf gekommen sind und Barbara ihn nicht kennt. Der mit dem Silbernen Bären der Berlinale 1961 ausgezeichnete Dokumentationsfilm hat in früheren Generationen unstillbares Fernweh nach Griechenland entfacht. Man kann sich den Film tatsächlich auch heute noch gut angucken, auch wenn 70 Jahre später die Exotik unseres Lieblingsreiselandes doch sehr geschwunden ist, und manches drollig wirkt. Gedreht wurde die 105minütige Griechenland-Reise von Wolfgang Müller-Sehn, Michael Ballhaus war ein (unerwähnter) Kameramann. Und der Soundtrack von Manos Hatzidakis, gesungen von Nana Mouskouri, ist längst Allgemeingut geworden. Ich sage nur "Weiße Rosen aus Athen", die deutsche Adaption. Wer mal nachhören möchte: https://www.youtube.com/watch?v=kjb2SD7rx9c
Morgen wollen wir auf die Mesa Mani fahren, die Innere Mani. Und in die Höhlen von Pirgos Dirou. Hoffentlich die lange Bootstour.