Am Montagfrüh kaufe ich Brot und Orangen ein und wir frühstücken üppig. Barbara versucht die Waschmaschine zum Laufen zu bringen. Wo schaltet man das Ding denn ein? Kalliopi ist hilfsbereit und
so kann die Maschine tagsüber waschen und trocknen. Wir können die Eingangstüre statt mit der Chipkarte auch mit einem individuellen Zahlencode öffnen, so dass der Strom beim Verlassen nicht
unterbrochen wird.
Leider soll am heutigen Montag das Wetter schlecht werden. Es wird vor starken Regenfällen gewarnt, aber erst am Nachmittag. Wir werden dennoch nach Mystras aufbrechen, in der Hoffnung, dass wir
es noch trocken erleben.
Wir nehmen nicht die Schnellstraße, sondern fahren zunächst entlang der Küste nach Norden. Haben da einen guten Blick auf den Valtaki-Strand mit dem Schiffswrack der "Dimitrios". Im Winter 1981 strandete der Frachter hier und rostet seither vor sich hin. Inzwischen habe ich eine ganze Kollektion von Schiffswracks in meiner Fotosammlung, von Amorgos über Milos und Kea bis Kythira. Das prominenteste fehlt mir aber noch: Das in der Navagio Bay auf Zakynthos. Dort hat man nicht nur das Problem, dass der vielbesuchte helle Sandstrand vor der Steilküste wegen Steinschlaggefahr nicht mehr betreten werden darf, zusätzlich zerfällt das fotogen Wrack mehr und mehr. Die "Panagiotis" strandete schon 1980 dort. Es gibt sogar Überlegungen, das gewinnbringenden Wrack durch ein neues zu ersetzen.... Disneyland auf Zante. Bestimmt findet sich gegen genug Bares ein Kapitän, der seine zu entsorgende Rostlaube dort ans Ufer setzt. Aber muss natürlich auch optisch stimmen.
Am Strand unter uns campiert ein Dutzend Wohnmobile verschiedener Größen. So in der Gruppe kann von Einsamkeit keine Rede sein. Aber Campingplätze sind im Winter selten geöffnet. Und natürlich wird ja auch die große Freiheit gesucht. Hauptsache, die Camper entsorgen ihre Toiletten und ihren Müll nicht am Strand.
Zurück nach Lakonien. Ja genau, wo der Ausdruck "lakonisch" herkommt - die Spartaner galten als einsilbig, aber treffend-trocken in ihrer Ausdrucksweise. Schönes Beispiel das "Komm und hole sie dir/molṑn labé" (gemeint waren die Waffen), das der Spartaner Leonidas bei der bekannten Schlacht an den Thermopylen den Persern unter Xerxes I. entgegnete, ehe er mit seinen 300 Männern zwar aufgerieben wurde, den Weiterzug der Perser nach Athen aber lange genug aufhielt, so dass die Griechen den Krieg letztendlich doch gewinnen konnten. Oder noch kürzer die Entgegnung aus die Drohung des Makedoniers Philipp II an die Spartaner: „Wenn ich euch besiegt habe, werden eure Häuser brennen, eure Städte in Flammen stehen und eure Frauen zu Witwen werden.“ Darauf antworteten die Spartaner: „Wenn.“
Upps, schon wieder abgeschweift.
Von der Küste weg fahren wir durch üppigen Zitrusplantagen. Für Orangenfan Barbara das Paradies und so legen wir einen Fotostopp ein. Da hat es auch noch Bananen. Das marode Erntehäuschen am Straßenrand wäre ihr Traumhaus (Meerblick wird überbewertet). Ich finde Orangen zwar auch toll, aber bin bekanntermaßen kein Freund von sichtverstellendem hohem Grün. Und davon hat es hier reichlich.
Wir kurven weiter auf einem Landsträßchen bis wir bei Krokées die Schnellstraße erreichen.
Noch eine Dreiviertelstunde nach Sparti, wie das alte Sparta heute heißt. Vorher passieren wir eine Fabrik, aus deren hohem Schornstein es in dicken Schwaden luftvernebelnd qualmt. Sauerei!
Wir müssen durch Sparti durch, aber Mystras ist nun natürlich ausgeschildert. Es liegt ein paar Kilometer westlich, und wir können es schon am Hang vor uns sehen.
Wir parken am unteren Eingang, und dummerweise vergesse ich, meine Regenjacke anzuziehen. Immerhin, den Schirm habe ich dabei.
Auch im UNESCO-Welterbe kostet der Eintritt sechs Euro. Dieser reduzierte Wintereintritt soll übrigens abgeschafft werden - sehr schade! Wir bekommen von der Verkäuferin den Tipp, für den Besuch des oberen Teiles der Stadt später zum oberen Eingang zu fahren. Ok, das ist für Gehfaule und Griechen - so ein paar Höhenmeter schaffen wir doch locker. Die Reiseführer warnen davor, die Ruinenstadt bei sommerlicher Hitze zu besuchen. Da sind wir zum Glück weit entfernt davon. Oder zum Pech?
Der Blick über das mit Wolkenschleiern überzogene, weite und grüne Evrotas-Tal über Sparti hinweg ist schon mal toll. Wären nicht die silbrigen Olivenwälder, würde ich mich in Mitteleuropa wähnen ob der romantischen Lichtstimmung und des satten Grüns.
Nun betreten wir eine der eindrucksvollsten mittelalterlichen Ruinenstädte, die ich jemals gesehen habe: Ein Dutzend byzantinische Kirchen und ein Kloster verteilen sich auf gut zweihundert Höhenmetern an einem steilen Hang vor und vor allem über uns. Dazwischen ragen neben zahlreichen Ruinenmauern wenige andere erhaltene Gebäude aus dem Grün, etwa der Despoten-Palast, der kleine Palast, Stadttore und ganz oben die Burg. Burgähnlich aus der Ferne auch die Kirche des Pantanassa-Klosters links über uns.
Wir besuchen als erste die Mitropolis-Kirche (Agios Dimitrios) auf der untersten Ebene, die auch die älteste Kirche von Mystras ist: 1291 wurde sie gestiftet. Der massige eckige Glockenturm - schon ein Hauch Mani? - dominiert die Front von Osten, daneben drei kleine Apsiden ehe nochmals ein massives Gebäude anschließt. Durch ein Tor geht es über ein paar Stufen in den Innenhof mit Brunnen rechts. Die drei Westbogen der Kirche gucken uns entgegen, links davon ist ein zweiter Hof mit dem Eingang in die Kirche. Die überrascht mit einem hohen Tonnengewölbe und leidlich erhaltenen Fresken aus dem 13. und 14. Jahrhundert in den Seitenschiffen. Die mit Glas geschützte Ikone des heiligen Dimitrios links vor der Ikonostase ist mit vielen Tamata geschmückt.
Wieder zurück im vorderen Innenhof geht eine Treppe hinauf zu dem kleinen Museum. Es ist schwül-warm darin, damit die Aufseherin nicht frieren muss. Oder ist das Klima für die Exponate? Ein paar Steinreliefs, und Fundstücke aus einem Grab einer hochstehenden Frau nahe Agia Sofia sind zu sehen. Ein Seidengewand, das wirklich gut erhalten ist. Einen Haarkranz der Bestatteten hat es auch noch, und hübsche Ohrringe. Interessant.
Wieder draußen hat sich der Himmel verdunkelt, es sieht früher nach Regen aus als gedacht.
Die Kirchen Evangelistria und Agii Theodori (14. und 15. Jahrhundert) sind verschlossen. Noch weiter nördlich liegt die Kirche (Panagia) Odigitria, die mit Agii Theodori zum Kloster Brontochion gehörte. Die Odigitria-Kirche, auch "Afentiko" genannt, ist ganz schön groß. Leider ist auch sie verschlossen. Zu dem Zeitpunkt bin ich von den vielen tollen byzantinischen Kirchen schon völlig geplättet. Diese Details: Zierrat aus Backstein, schwarze Säulen, alles von warmen Ziegelrot überkuppelt. Und dann wieder massive Türme.
Wir steigen hinauf zu nächste Ebene, queren zum Pantanassa-Kloster. Dessen hohe Kirche liegt am extrem steilen Hang (im 45-Grad-Winkel und mehr), am unteren Sockel empfängt uns ein schmaler Innenhof mit Blumenkübeln und dösenden Katzen. Das Kloster wird noch von einigen Nonnen bewohnt, die aber zunächst unsichtbar sind. Eine Etage höher geht es von einem Arkadengang in die Kirche. Auch sie verblüffend hoch, ziemlich ausgemalt (laut Reiseführer wurden ältere Fresken im 17. Jahrhundert übermalt) und mit silberüberzogener Panagia-Ikone voller Votivtäfelchen. Irgendwo auf der zweiten Etage raschelt es: eine der Nonnen. Besucher dürfen nicht hinauf, der verschlossene Eingang liegt außen am Hang.
Noch weiter den Hang hinauf. Durch das Monemvasia-Tor. Die Kirche Agios Nikolaos zur Linken, erst später (17. Jahrhundert) erbaut, luftig-hell und partiell mit Fresken aus dem Leben des Heiligen geschmückt. Das L des mehrstöckigen Despoten-Palast etwas nördlich ist wegen Bauarbeiten weiträumig abgesperrt, Baugerät liegt im Hof. Hier wird man wohl nie fertig mit Restaurieren und Renovieren.
Und nun beginnt es zu nieseln. Wir lassen uns nicht beirren, und ich bin froh, dass ich heute meine Wanderstiefel angezogen habe, denn die Wege werden glitschig. Da ich meine Regenjacke nicht dabei habe, muss ich mit dem Schirm hantieren. Werde darunter peu à peu feuchter.
Auch der kleine Palast, der Palataki ist verschlossen im Dickichtgrün. Wir haben schon viele Stufen erklommen, erreichen nun die Kirche der Agia Sofia nahe dem Nafpliator. Rechts ein quadriger
Turm, links der Eingang hinter drei Bögen. Diese Kirche ist wieder geöffnet, die hohen Deckenzieren Malereien in Dunkelblauschwarz. Ein kopfloses, geflügeltes Tier aus hellem Stein sitzt an einer
senkrechten Säulenkante.
Der Regen nimmt zu, und die Burg über uns ist kaum mehr zu erkennen. Wir gehen noch ein paar Meter hinauf, bis zum oberen Eingang. Sollen wir wirklich zur Burg hoch? Ausblick hätte man keinen, inzwischen sind die Burgmauern nicht mal mehr zu erkennen. Die Wege sind glitschig, und ich schon gut durchnässt. Ein Paar, das von der Burg herunterkommt, rät ab. Nein, das ergibt keinen Sinn. Wir werden den Besuch abbrechen und zum Auto hinabgehen. Das können wir draußen auf der Straße, aber wir nehmen doch den Weg, den wir heraufgekommen sind. Vorsicht, damit wir nicht ausrutschen.
Schade, dass unser Mystras-Besuch doch vom Regenwetter versaut wird. Mit Sonne wie gestern in Monemvasia wäre zu schön gewesen. Aber etwas trockenen Zeit hatten wir doch immerhin.
Wieder am unteren Eingang gucken wir uns dort noch etwas um, gehen aber nicht mehr zum Peribleptos-Kloster und zu Agios Georgios, was mich später ärgern wird. Aber ich habe heute auch so genug Kirchen gesehen.
Wir versuchen, nicht zu viel Nässe mit ins Auto zu nehmen und fahren nach Sparti hinab, wo wir beim "Museum of the Olive and Greek Olive Oil" parken. Es gehört zu den Museen der PIOP, der Piraeus Bank Group Cultural Foundation, die sich besonders um das handwerkliche und industrielle Erbe Griechenland verdient macht. Auf Tinos (Marmor) und in Volos (Ziegelfabrik) haben ich schon Museen besucht, und fand sie ausgesprochen gut gemacht. Sparti liegt inmitten endloser Olivenhaine, nur durchbrochen von den Zitrusplantagen, und da bietet sich so ein Museum an.
Der Eintritt kostet vier Euro, und dann gibt es viel zu lesen und zu gucken. Ein bißchen zu viel für uns vielleicht nach den Eindrücken von Mystras, aber dennoch ist die Reise durch die Geschichte und Kultur des Olivenanbaus und der Olivenölgewinnung sehr interessant. Zumal ich mich eigentlich überall wohlfühle, wo der Wind die silbrig-grünen Blätter in Wellen bläst. Die Länder des Mittelmeeres und der Olivenbaum sind für mich eng verknüpft, es gibt kaum einen Bereich des Lebens, in dem das Öl keine Rolle gespielt hat. Und ist das nicht auch der Geschmack des Südens?
Apropos Geschmack - es ist schon drei Uhr vorbei, als wir das Museum wieder verlassen, und nun haben wir wirklich Hunger. Die Exponate im Außenbereich betrachten wir nur noch flüchtig, schnell wieder ins trockene Innere, denn es schifft nun in Strömen. Danach fahren wir mit dem Auto ins Stadtzentrum von Sparti, wo sich Läden, Cafés und Bars um einen rechteckigen Platz reihen. Wir finden schließlich ein geöffnete Lokal, an dessen Name ich mich nicht erinnere, bestellen Tee, Käsebällchen, Huhn in Senfsauce, gefüllte Pilze. Danach noch zwei griechische Kaffee. Nicht das große kulinarische Erlebnis, aber passt schon für 25 Euro.
Im strömenden Regen und bei einbrechender Dunkelheit fahren wir zurück nach Gythio. Weil wir heute Abend nicht essen gehen möchten, halten wir noch bei Lidl außerhalb von Sparti und bevorraten uns. Mein erster Lidl-Besuch in Griechenland, und das Angebot überwältigt uns etwas.
Nach 109 gefahrenen Tageskilometern machen wir uns einen gemütlichen Abend im Quartier.
Und hoffen auf trockeneres Wetter morgen.
*
Und es ist besser am Dienstag. Zwar noch nass, denn es hat die ganze Nacht geschüttet, aber blauer Himmel guckt zwischen Wolken heraus. Gerne wären wir heute auf die Mani und zu den Höhlen von Pirgos Dirou gefahren. Aber unsere Vermieterin Kalliopi hat Beziehungen dorthin und teilt uns mit, dass dort wegen des Wetters und des damit verbundenen hohen Wasserstandes nur die kurze (Boots-)Tour gefahren wird. Wir möchten natürlich lieber die lange Tour machen, und werden die Höhenbesichtigung auf übermorgen verschieben.
Und uns am Vormittag mal Gythio angucken.
Das Städtchen ist am Vormittag ganz schön lebendig. 4200 Einwohner hat es.
Entlang der Ermou und der Vasileos Georgiou hat es viele Läden, die auch geöffnet haben. Touristisches ist kaum zu sehen. Ob das im Sommer anders ist? Die Vasileos-Georgiou-Straße öffnet sich zu
einem Platz mit dem Kulturzentrum, wo die Reste eines weihnachtlichen Karussells oder Fahrgeschäftes abgeräumt werden.
Ein Schild an einem Tor weist auf ein Heiligtum des Zeus Kappotas hin: An der offenbar behauenen Felsenwand im Hinterhof zwischen zweier Häusern können wir aber nichts erkennen. Oder ist da ein bärtiger Kopf im Profil? Leitungen führen darüber, und grün bewachsen ist es auch. Armer Zeus!
Dann biegen wir in die Hintergasse der Uferstraße, die Laryssiou ab. Hier offenbart sich einiges an Verfall, so dass wir doch lieber zur Platia Petrobey Mavromichali hinabsteigen.
Westlich davon ist es verschlafener - eher für das sommerliche Leben. Wir sind ganz froh an unserem Quartierstandort, auch wenn wir quasi keine Aussicht haben.
Natürlich gehen wir über den Damm hinüber auf die Insel Marathonisi, das antike Kranai.
Auf der Insel sollen Paris und die schönen Helena auf der Flucht von Sparta nach Troja ihre erste Liebesnacht verbracht haben. Gut, war damals bestimmt nicht so nass wie heute. Und die vergammelte Strandbar gab es auch noch nicht. So wenig wie die Kapelle Agios Petros.
Ein paar Kaikia dümpeln im Wasser der geschützten Bucht. Schön der Blick übers Meer auf die neoklassizistischen Häuser von Gythio. Auf der Insel in einer von dichten Nadelbäumen (nein, keine Pinien) eingerahmten, grünen Pfützenlandschaft steht der Pirgos Tzanetakis. Der Turm soll ein historisch-volkskundliches Museum soll (was aber jetzt nicht zu erkennen ist). 1829 wurde er vom Bey der Mani, Tzanetakis Grigorakis genannt "Tzanetbey", erbaut, und ist anscheinend ein maniotischer Wachturm. Mit zweieinhalb Stockwerken aber etwas mickrig. Da erwarte ich anderswo Höheres.
Und zieht es zu einem anderen Turm, zum Leuchtturm, der am östlichen Inselende steht. Ein schlanker weiße Turm, aber leider ist das Gelände mit einem Zaun abgesperrt. Die griechische Marine verbietet das Betreten.
Ist schon hübsch, diese Insel. Ein Angler wirft am nördlichen Ufer seine Leine aus, und wir verweilen noch etwas.
Gehen dann entlang der Paralia zum Hafen vor, vorbei an baumelnden Oktopus-Füßen. Der Hafenanleger ist abgesperrt, davor stehen zwei belgische Wohnmobile und ein deutsches. Der Bewohner macht Großputz. So schnell kommt aber keine Fähre - erst morgen wieder. Nur die "Aqua Jewel" auf den Weg nach Kythira, Antikythira und Kissamos hält hier. Wenn sie nicht gerade defekt in irgendeiner Werft liegt. Eine schwer vernachlässigte Route, und dabei so ein praktischer Weg von der Peloponnes nach Kreta.
Und da ist ein altes Schiff namens "Mihali K", das im abgesperrten Hafen liegt. Ein Fischkutter mit Schleuser-Vergangenheit? Ich recherchiere und finde heraus, dass der Fischtrawler "Mihael K" am 28. November 2010 auf einen der drei Trinisa-Felsen bei Glossa im lakonischen Golf gestrandet war. Offenbar hatte die fünfköpfige Besatzung illegal in Küstennähe gefischt und war bei starkem Wind auf das Riff gefahren. Es gibt ein Video davon. Der Trawler wurde schließlich nach Gythio geschleppt, wo er seitdem festhängt und verfällt. Wäre der was für Zakynthos als Wrack-Ersatz?
Schließlich gucken wir uns noch den Laden "Mani mou" mit regionalen, aber nicht gerade preiswerten Spezialitäten am Hafen an, und kaufen später in einem der Supermärkte noch etwas Vorräte ein.
Und beschließen, am Nachmittag doch auf die Mani zu fahren.